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Full text of "Chinesisch-turkestan: Geschichte, Verwaltung, Geistesleben, und Wirtschaft"

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Jx ;?^iJ.? 



HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 




FROM THB FUND OF 

CHARLES MINOT 

GLAS8 OF 1828 




I. , . • 



J 1 " 



.Chinesisch -Turkestan, 

Gesc hichte, Verwaltuns:, Qeistes- 
^^ leben und Wirtschaft ^^ 



von 



Prof. Dr. Martin öartmann 

In Hertnsdorf (Mark). 



Mit 2 Karten. 



I 



Hill« •. 8. J''ja^ 
aebaue^SchwetKhke Druckerei and Verlag m. b. H. 

1908. iS^fi/] 







HARVARD 

UNIVERSITY 

LIBQARY 

DEC 15 1961 



V^ 



' -^ 




2, 



4ngewandte Geographie 

Hefte zur Verbreitung* geogfraphischer 
Kenntnisse in ihrer Beziehung zum 
=^ E Kultur- und Wirtsehaftsleben. ^^^ 



4 



Redaktion: Dr. Hago Orothe» Mfinchen. 



///• Itethe. o O O O O *• Bund. 

Professor Dt. M. Hirtmmii : 

Chinesisch-Turkestan. 






Halle a. S. 

Oebauer-Schwetschke Druckerei uml Verlag m. b. H. 

ipoa. 






\ 








Inhaltsverzeichnis am Schluß des Werkes. 



V* 



Vorwort. 



China erwacht. Es hat eingesehen, daß seine alte 
Kultur, auf die es mit Recht stolz ist, ihm keinen Schutz 
gewährt gegen die räuberischen Angriffe der Franken. Will 
es seine neiligsten Guter wahren, so muß es den Feinden 
mit den Waffen begegnen, die ihm Verderben bringen. Es 
hat aber auch begriffen, daß diese Waffen an sich es nicht 
machen, daß sie wirksam sind nur durch den Geist, der sie 
geschmiedet und sie führt. Das Erwachen Chinas bedeutet 
in erster Linie Hebung des geistigen Standes durch einen 
bis in die kleinsten Weiler dringenden, gut geordneten 
Unterricht. 

Es gibt einen Teil des Reiches, der an der großen 
Bewegung, die es gegenwärtig erschüttert, nicht teilnimmt 
und nie teilnehmen wird, weil seine Bewohner einer andern 
Rasse, einer andcrp Sprache, einer andern Religion als die 
Herren des Landes angehören. Turkeistan ist immer ein 
Schmerzenskind der Zentralregierung gewesen. Wie China 
diesen westlichen Besitz mehrfach verioren und wieder- 
gewonnen hat, bis zur letzten Wjedererobcrung 1877, ist in 
I gezeigt. Es wird seiner nicht froh. Er zahlt nicht, und 
d je Aufrechterhaltung der Macht dort ist nur eine Sache des 
Ansehens. Und so wird es bleiben, solange die Regierung 
von Peking nichts Ernstliches für die Hebung Turkestans 
tut. Tut sie aber etwas, und kommt das Land zur BlutCi 
so fürchtet sie nicht mit Unrecht, daß es die wenigen Chinesen, 
die sie dort vertreten, hinausjagen wird, wie das schon mehr- 
fach selbst bei niedrigem Stande des Landes geschehen ist. 
Das einzige Mittel, Turkestan endgiltig und fest an das Reich 
anzuschließen, wäre eine Kolonisattonspolitik: Ansiedlung 
etwa einer Million Chinesen, denen rücksichtslose wirtschaft- 
liche Verdrängung der. inferioren Türkbevölkerung gestattet 
würde. Aber daran ist kaum zu denken. Denn trotz der 
«o oft besprochenen Übervölkerung einiger Teile des Landes 



I 



^ Vorwort. 

ist eine solche Menge von brauchbaren Ansiedlun^elementen 
für so ferne Gegenden nicht zu gewinnen. Wo man zu 
dicht sitzt, hat man die Gelegenheit, verödetes Land zu / 
kultivieren, näher. Die Aussicht — wir sagen nicht: die ' 
Gefahr — daß die Türicbevölkerung Turkestans in einer 
Invasion von Chinesen untergeht, ist gering. Die andere 
Möglichkeit, daß China eine so große innere Stärke gewinnt, 
um den Besitz der Außen-Provinz durch eine wohlorganisierte 
Truppe, die dort an gut befestigten Plätzen stationiert ist, 
zu sichern (etwa wie Rußland sein Russisch-Turkestan durch 
Truppenmacht im Zaume hält), liegt in weiter Ferne. Die 
Reform des Heeres macht gewaltige Fortschritte. Aber die 
geschulten Truppen werden noch jahrzehntelang zu anderen 
Zwecken verwandt werden müssen. 

Vor dem russisch-japanischen Kriege wurde Turkestan 
allgemein als eine sichere Beute Rußlands betrachtet. In der 
Tat schienen die russischen Generalkonsuln in Kaschgar und 
Urumtschi (der von Urumtschi hatte immer seinen Sitz in 
dem wichtigeren Turfan) die wahren Herren des Landes zu 
sein. Es hieß, Rußland könne jeden Augenblick das Gebiet 
sich angliedern, es scheue nur die Kosten, die ihm die Ein- 
richtung einer eigenen Regierung dort bereiten würde; es f ' 
kommandiere ja dort durch seine Vertreter, und das sei ihm 
genügend. Es ist in der Tat erstaunlich, daß Großbritannien, 
das im Anfang der siebziger Jahre ein so reges Interesse 
für das Land zeigte, es dahin kommen ließ. Aber das Insel- 
reich ist saturiert und hat keine Lust, sich in Abenteuer zu 
stürzen wegen eines Gebietes, das auf höchstens 2 Millionen 
Seelen zu schätzen ist, denn es käme für Großbritannien 
wirtschaftlich nur der südwestliche Teil Turkestans, Kasch- 
garien, in Betracht. Auch spielt eine Eifersucht hinein 
zwischen der Regierung in Caicutta-Simla und dem Office in 
Downingstreet; jede der beiden gewaltigen Mächte betrachtet 
die Geschicke Zentralasiens als ihre Domäne. Aber auch 
ohne ein Eingreifen der Briten hat sich die Stellung Ruß- 
lands in Turkestan verschoben. Seit dem Kriege ist die 
abergläubische Scheu vor dem Moskowiter gewichen. Dazu 
das Bewußtsein, das auch in die fernsten Teile des Reiches 
dringt : wir brechen mit der Vergangenheit, um eine Zukunft 
zu haben, die zur Gegenwart zu machen wir ernstlich 
arbeiten, und die Beobachtung, daß der gefürchtete Feind 
selbst mitten in einer gewaltigen inneren Qährung steht, die 
hier schwieriger wirkt, weil die Regierung dem neuen Besseren 
feindlich gesinnt ist. 



II 



Vorwort. 



Da andere Faktoren nicht In Betracht kommen — 
Afganistan grenzt nicht an Turkestan, der schmale Streifen, 
den es zwischen die Pamirs und Indien schiebt, reicht nicht 
in China hinein, und es wird von England nie die Erlaubnis 
erhalten, sich nach Osten auszudehnen — , so bleibt vor- 
läufig alles beim Alten, d. h. einige Chinesen beuten, unter- 
stützt von habsuchtigen türkischen Beks, die Bauernbevölke- 
rung der Ebene aus, während die Städter zwar ohne zu 
große Opfer Freiheit und Sicherheit genießen, aber in keiner 
Weise von oben eine Anregung erfahren, vielmehr die Ele- 
. mente , die der allgemeinen geistigen und sittlichen Ver- 
kommenheit entgegenarbeiten wollen, unter dem Widerstände 
der Führer ihrer Volksgenossen leiden, die von der Regie- 
rung direkt und indirekt unterstutzt ' werden. Am besten 
fahren weiter dabei die Bewohner des Gebirges, die noma- 
dischen Kirgisen, denen die Chinesen bisher volle Selbst- 
regierung gelassen haben, und die zufrieden sind, wenn man 
sie es nach alter Weise treiben läßt. 

Dieses Element der Bevölkerung, das kirgisische, heischt 
trotz seines geringen Hervortrctens Beachtung. Wer mit 
ihm und zugleich mit den Bewohnern der Ebene zu tun 
hat, erkennt sehr bald, wie weit diese den Berglern nach- 
stehen. Die Ebenen -Leute sind bis in die Knochen ver- 
seucht durch zwei Laster : das Nische - Rauchen und die 
Spielwut. Das Nische, ein Präparat aus einer Hanfart, zer- 
stört den Organismus noch gründlicher als das Opium. 
Sind ihm hauptsächlich die Männer ergeben, so beherrscht 
die Spielwut beide Geschlechter in einem Grade, daß die 
ganze Kraft dadurch aufgezehrt wird, moralische und wirt- 
schaftliche. Es wird nicht geruht, bis das letzte Stück ins 
chinesische Leihhaus getragen ist (in jedem Viertel gibt es 
ihrer zwei oder drei). Diese Türken haben, das sieht man 
überall, keine moralische Widerstandskraft, sie haben keinen 
Willen. Das Interesse für alles Geistige ist * Null. Nicht 
einmal die Handwerke finden in den meisten Städten fähige 
Vertreter. Am besten sind noch die, die in die iStadt ihren 
Bauernverstand mitgenommen haben, wie die Jarkender, bei 
denen freilich das städtische Leben nur äußerlich ist. Sie 
sind eine triste Gesellschaft» diese seßhaften Kaschgarier: 
.gedrückt und verschlafen. 

Anders die Kirgisen des Gebirges. Das sind flinke, 
helle Burschen, gewandt, lebhaft, von stattlichem Wuchs, in 
der Haltung Selbstbewußtheit. Richtig ist, daß sie diese 
Eigenschaften bisher nicht gerade zum besten anwandten. 



III 



_ _ Vorwort. 

Ihre kluge Beobachtung dient ihnen zu verschlagener Ober- 
vorteilung, das Selbstbewußtsein geht in Verachtung und 
Mißhandlung des Nächsten über. Aber wo sie zu seßhaftem 
Kulturleben sich haben hinüberziehen lassen, da sind sie 
vornan. Die von ihnen, die in russische Dienste getreten 
sind, haben einen guten Ruf durch ihre Intelligenz und Zu- 
verlässigkeit. 

Man hat oft von den Türken als einem Herrenvolk 
gesprochen. „Herrenvolk" ist ein zweischneidig Ding: nur 
zu leicht wird das Herrenvolk zu einem übermütigen Räuber- 
volk, das sich berechtigt hält, von dem Schweiße anderer 
zu leben, wenn es nichts tut als einem Teil seiner Söhne * 
die Fähigkeit zu ungestümem Draufgehen durch Drillung zu 
erhalten. Erstünde heute den Kirgisen, die in gewaltiger 
Zahl die Gebirge um die Tarimbecken-Ebene herum bewoh- 
nen, ein Einiger, der ihre wilde Kraft leitend sie zum Ein- 
bruch in die Kulturländer führt, es könnte, wohl eine 
Katastrophe geben, es würde aber kaum zu einem dauernden 
Zustande kommen. Doch gibt es eine andere Möglichkeit: 
daß die Kirgisen mit der fränkischen Kultur bekannt werden, 
sich zu einer geordneten Wirtschaft bequemen und als die 
Potenteren die Leitung des Landes übernehmen, mit anderen 
Worten: die Schaffung eines selbständigen Kirgisenreiches, 
das zunächst alle von Kirgisen bewohnten Gebiete Turkestans < 

umfaßt und von den türkischen Gebieten die, die nach den 
natürlichen Bedingungen den Berggebieten anzuschließen sind, / 

im wesentlichen also das Reich Ja'qnb Beks. [ 

Ein solches Reich müßte: L zunächst nominell unter 
chinesischer Oberhoheit stehen, 2. durch Vertrag der Mächte \ 

garantiert sein, 3. nicht islamisch sein, sondern volle Religions- / 

freiheit haben. Der dritte Punkt wäre ausdrücklich in der 
von den Mächten auszuarbeitenden Verfassung festzulegen. 
Wird energisch vorgegangen, und werden vor allem die 
islamischen Hetzer ferngehalten, die .von dem bekannten 
Mittelpunkte aus überallhin versandt werden, so ist die staat- 
liche Religionslosigkeit bei dem nüchternen und klugen Sinne 
der Kirgisen leicht durchzusetzen. Die Kirgisen wollen nichts 
als Unabhängigkeit, sie wollen weder die russische noch die 
^ chinesische Herrschaft; sie ertragen die chinesische eher als 
die russische, weil sie sich in weniger unangenehmen Formen 
gehend macht. Eine Schwierigkeit wäre dii Uneinigkeit der 
herrschenden Familien. Daß sie nicht unüberwindlich ist, 
zeigt das Beispiel Rumäniens. Ein fleißiger und gewissen- 
hafter Mann fränkischer Herkunft als vom Lande gewählter, 

IV 



^rwort j- _ 



von den Mächten bestätigter Fürst mit einiger Begabung 
und Menschenkenntnis, der sich hier eine Lebensaufgabe 
stellte, könnte ein Kirgisistan mit Entwicklung der reichen, 
bisher so gut wie gar nicht verwerteten Naturkräfte schaffen. 
Die Zukunft eines gut verwalteten, aus dem ver- 
brecherischen Eifersuchtgetriebe der Weltmächte ausgeschal- 
teten selbständigen Staatswesens an der Grenze von Ost- 
eurasien und Westeurasien läßt sich nicht hoch genug ein- 
schätzen. Ist hier ein neutraler Punkt für das politische, 
ein sicherer Stapelplatz für das wirtschaftliche Leben gegeben, 
sp muß es sehr bald zu einer Wiederbelebung des großen 
Überlandweges kommen , den die Alten die Seidenstraße 
nannten, und der zur Zeit Dschingis Chans ungezählte 
Scharen kriegerischer und friedlicher Wanderer in beiden 
Richtungen fluten sah. Dieser hochwichtige Verkehrsweg 
war zeitweilig völlig außer Gebrauch. Nur das Gebiet, das 
uns hier besonders beschäftigt, Kaschgarien, hat ihn immer 
nach beiden Seiten übersehen. Aus Kaschgarien zogen be- 
ständig Wanderer über den hohen Bergwall des Alai-Gebirges 
nach Westen und durch den öden Landstrich östlich von 
Hami (Qumul) nach Osten, d. h. nach Transoxanien und 
nach China. Jede Seite der Geschichte Kaschgariens spricht 
von den Beziehungen zu dem blühenden Lande Fergana 
jenseits des Bergwalls. Kein Tag, außer in der schlimmsten 
Winterzeit, wo nicht Karawanen hinüber und herüber ziehen. 
Nach Osten sind die Beziehungen weniger rege. Aber un- 
gewöhnlich ist es nicht, daß Muslime Kaschgariens zu den 
Glaubensgenossen in Kansu kommen. Ich habe schon an 
anderem Orte auf die Bedeutung hingewiesen, welche die 
sicher beglaubigte Fahrt des kaschgarischen Heiligen-Fürsten 
Hazret Apaq nach Lhasa hat: er tiahm seinen Weg über 
Sining-Fu und hielt sich dort neun Monate auf. Tunganen- 
kolonien wird es in Turkestan gegeben haben, so lange 
diese Gruppe der chinesischen Muslime existiert. Seit der 
Islam in Transoxanien und In Kaschgarien herrscht, sind 
diese Gebiete der Schauplatz beständiger Wirren gewesen 
und führten ein Eigenleben. Transoxanien selbst stand mit 
dem Westen nur durch das sudliche Chorasan in Verbindung, 
und man weiß , wie dieser . von der Natur gesegnete Land- 
strich schon früh durch die. islamische Mißwirtschaft in Ver- 
fall gekommen ist. So wurden Kaschgarien und Transoxanien 
eher zu Trennungsstrichen denn zu Bindestrichen zwischen 
Osten und Westen. Jetzt führt ein ununterbrochener Schienen- 
weg vom Kap Finisterre bis Andidschan am Fuße des Grenz- 



'> 



Vorwort. 



Walles gegen Kaschgarlen, daneben ein zweiter, erheblich 
kürzerer, der durch die Dampferfahrt Baku-Krasnowodsk 
unterbrochen ist. Eine neue Verbindung des äußersten 
Westens mit der Grenze Kaschgariens steht von Norden her^ 
im Anschluß an die sibirische Bahn, in Aussicht. Ein nur 
nominell von China abhängiges, vom Wohlwollen der Kultur- 
staaten getragenes Kaschgarien würde den kurzen Anschluß 
an jene gewaltigen Weltstraßen leicht erreichen. Denn für 
die Technik, die den Qotthardtunnel schuf und jetzt einen 
zweiten Simpiontunnel zu schaffen im Begriff ist, bietet die 
Überwindung des Alai keine Schwierigkeiten, abgesehen da- 
von, daß es eine jetzt verlassene Straße über den ni'^drigsten 
Punkt der Wasserscheide gibt, die meist im Flußtal in 
das Beken des Amu Derja führt, wie S. 8 f. und Anm. 10 aus- 
einandergesetzt ist. Ein gesichertes Kirgisistan fände aber 
auch mit Leichtigkeit die Mittel, den Anschluß an die alte 
Hauptstadt Chinas, Singanfu, zu erreichen, die sehr bald mit 
dem ostchinesischen Bahnnetz verbunden sein wird. Man 
wird sagen: Das ist Zukunftsmusik. Nun, wer im Jahre 1880 
in Beirut sagte, man werde von diesem Punkte aus mit der 
Bahn Damaskus erreichen, der wurde ausgelacht. Und wer 
behauptet hätte, man werde von Beirut eine ununterbrochene 
Bahnverbindung nach Mcdina, Könstantinopel und Bagdad 
haben (diese Verbindungen, sind gesichert), der wäre für 
irrenhausreif erklärt worden. Die Tatsachen, daß man vom 
äußersten Westen Europas Wladiwostok und Peking auf dem 
Schienenwege erreichen kann, daß man, wie schon bemerkt, 
Andidschan mit der Bahn erreicht, läßt das billige Höhnen 
Ober Zukunftsträumereien als urteilslos und selbst des 
Höhnens wert erscheinen. Es handelt sich hier nicht um 
Liebhabereien oder um das Glänzen mit Voraussagungen, 
die sich auf ein Herumfahren auf der Landkarte stützen, 
sondern um höchst ernste Erwägungen, an denen der kul- 
turelle Fortschritt und das wirtschaftliche Gedeihen vieler 
Millionen hängt, und die Bedeutung haben für uns selbst. 

Ja, für uns Deutsche. Wir haben keine Zeit zu ver- 
lieren. Mag es zu einem selbständigen Staatswesen an der 
Grenze des Ostens und Westens kommen oder nicht, das 
Land, das da nach beiden Seiten sieht, ist sicher, ein wich- 
tiges Glied zu werden in der Kette, die sich einst durch den 
ganzen Kontinent ziehen soll. Wer am Platze ist, wenn 
einmal die Völkerstraße wieder geschaffen ist, wird einen 
Vorsprung haben. Je eher er sich seinen Platz sichert, 
desto besser. Die Konkurrenz ist nicht beträchtlich. Ruß- 



VI 



^^ 



Vorwort. 



land mit seiner vis inerttae und China sind mit sich selbst 
vollauf beschäftigt, die Briten haben in Indien und anderen 
Himmelstrichen ein Tätigkeitsgebiet das sie voll in Anspruch 
nimmt. Prankreich endlich steckt sein Kapital, soweit es 
nicht in dem eigenen Kolonialbesitz investiert ist, in fremde 
Unternehmungen, mit Voriiebe deutsche, wie neuerlich immer 
wieder beweglich von den Patrioten beklagt wird. Der 
einzige, aber desto schärfere Konkurrent ist der Japaner. 
Er ist tief nach China hineingedrungen und bei seiner rück- 
sichtslosen Energie wurde ihn auch der Widerstand Chinas 
nicht hindern, sich in Turkestan festzusetzen, wohin bereits 
mehrfach wissenschaftliche und wirtschaftliche Expeditionen 
aus Japan gegangen sind. Hier würde es sich nur um ein 
Zuvorkommen handein, bei welchem uns die Antipathien der 
Chinesen gegen ihre übermutigen Lehrmeister nützlich werden 
können. 

Das Kapital, das zur Anlage in fernen Gegenden mit 
unsicheren politischen Verhältnissen gelockt wird, verhält 
sich ablehnend, wenn es auf den reichen Gewinn einer nicht 
näher zu bestimmenden Zukunft hingewiesen wird. Mit 
vollem Recht Es hat sich aber bei dem grundsätzlichen 
Festhalten an dem gesunden Prinzip mehrfach der Praxis 
einer weiteren Auffassung zugeneigt, die in richtiger Erkenntnis 
des Wertes einer entschlossenen Initiative und in jugend- 
licher Kraft mit Wagemut auch an Aufgaben gegangen ist 
bei denen sich ein schneller Gewinn nicht voraussehen, und 
auch der spätere nicht ziffermäßig berechnen ließ. In dem 
Falle, der uns hier beschäftigt, wird zunächst von Unter- 
nehmungen größten Stils nicht die Rede sein. Es wird sich 
vielmehr um kleinere Anlagen handeln, durch die das Gebiet 
erprobt wird, und die eine Übersicht gewähren über das, 
was sich in größerem Maßstabe machen läßt. Gegenwärtig 
fehlt dem Geschäftsmann, soviel mir bekannt, jede Möglich- 
keit sich über die wirtschaftlichen Bedingungen des zukunlt- 
reichen Landes zu unterrichten. Mit Rücksicht hierauf ist 
dem Abschnitt über die wirtschaftlichen Verhältnisse be- 
sondere Sorgfalt gewidmet worden. Das, was mir während 
des Aufenthaltes und bei der Verarbeitung des gewonnenen 
Materials besonders scharf hervortrat, ist vorgelegt und bittet 
um Beachtung, sowie Ergänzung durch die, die selbst zo 
beobachten in die Lage kommen. Um Mißverständnisse aus- 
zuschließen, sei betont, daß hier in keiner Weise an eine 
abenteuernde Kolonialpolitik gedacht ist, sondern ledidich 
an eine Wirtschaftspolitik großen Stils, welche die Möpich- 






VII 



Vorwort. "_ 

Jceiten einer bedeutenden Entwicklung ins Auge fassend zu- 
greift, auch wenn für den Augenbiici( ein Gewinn nicht zu 
erwarten ist. 

Mit der wirtschaftlichen Erschließung Turkestans wird 
eine Bereicherung der wissenschaftlichen Forschung ver- 
bunden sein. Trotz der ungünstigen Verhältnisse, trotz der 
Schwierigkeit der Verbindungen, trotz der Unsicherheit der 
Zustände hat das letzte Jahrzehnt der wissenschaftlichen 
Arbeit in Turkestan Erfolge gebracht, die in ungeahnter Weise 
Probleme, die uns seit langem beschäftigen, lösen oder doch 
ihre Lösung ant)ahnen. Die Funde Aurel Steins, Qrün- 
wedeis, Lecoqs sind von weitreichender Bedeutung für die 
vorislamische Geschichte des Landes. Für die islamische 
Zeit trug vieles zusammen Crenard, der B^leiter des fn 
Tibet ermordeten Dutreuil de Rhins. Ich selbst habe im 
Lande auf sprachlichem und kultureliem Gebiete gesammelt. 

Diese Blätter wollen fiberzeugen, daß die Erschließung 
Turkestans nach allen Richtungen ernstlich in Angriff ge- 
nommen werden muß. Sie wollen zugleich beitragen zur 
Erleichterung der Anstrengungen, die dazu zu machen sind. 
In diesem Sinne fanden sie ihren Platz in der „Angewandten 
Geographie'*. 

Hermsdorf (Mark)« November 1907. 

Mirttfi Hirtnaoii. 




VIII 




Der Name Turkestan weckt zunächst die Erinnerung an die 
berühmten Städte des Landes zwischen Oxus und Jaxartes, Buchara 
und Samarqand und an das schon jenseits des Syr*Darja gelegene 
Taschkend. Doch das ist nicht Turkestan, das ist nichtTurkenland. 
Zwar ist die Sprache der Bewohner meist . — auch nur meist — 
ein Türkdiaiekt, der dem des wahren Turicestans nahe verwandt 
ist. Aber die, die ihn sprechen, zeigen im äußeren Habitus und im 
Charakter nicht das reine Törkentum, wehren sich auch auf das Be- 
stimmteste dagegen, Türken genannt zu werden, ausgenommen 
die Turkmenen und die özbeken, welch letzteren das in Buchara 
nominell herrschende Fürstengeschlecht angehört. Die Haupt- 
masse der Bewohner nennt sich Sarten. Sie sind die Nach- 
kommen der arischen Ureinwohner des Landes, die mit wunder- 
barer Zähigkeit viel von ihrer alten leiblichen und seelischen Be- 
schaffenheit bewahrt haben, }a sogar in einigen wenigen Städten 
und in abgelegenen Teilen des Landes die alte Sprache sich er- 
halten haben, ein Persisch, das von dem in Teheran gesprochenen 
abweicht, aber doch die es Sprechenden ebensoweit in das Ver- 
ständnis der Literarsprache einführt, wie die Perser Persiens 
ihre Dialekte. 

Den Russen beliebte, dieses Land, das im Munde des 
Volkes seit alten Zeiten Mäwara annahr (Mawarannahr), d. h. „das 
was hinter dem Flusse liegt", also Transoxanien heißt, soweit 
es nicht nach den einzelnen Gebieten benannt wird (Buchara, 
Samarqand, Taschkend, Fergana), mit dem westlich anstoßenden 
Gebiet zwischen dem Oxus und dem Kaspi, das einen Teil von 
Choräsän bildet, ja, die alte Hauptstadt Chorisuis Merw enthält» 
unter dem Namen Türke st anskii Krai, »Turkestanisches Ge- 
biet", zusammenzufassen ^). Jede Regierung hat das Recht, ein 
erobertes Gebiet zu nennen, wie sie Lust hat, und man wird zu- 
geben, daß eine Zusammenfassung unter einem Namen aus 
praktischen Gründen sich empfahl. Es ist aber festzustellen, daß 
die Wahl von .Turkestan* weder den tatsächlichen Verhältnissen 
Rechnung trägt, noch an das im Lande selbst übliche anknüpft. 
Im Veriauf dieser Mitteilungen wird Turkestan ausschließlich von 
dem sogenannten Chinesisctoi Turkestan oder Ost*Turkestan fe* 
braucht werden. 

Turkestans Stellung in Asien in erdgeschichtUdier Hinsicht 
liegt völlig klar, seit Ferdinand Freiherr von Richthof en 

Hartmann, Tnrkettan. 



I 



Geographische Stellung Turkestans. 



die Frage im ersten Bande seines »China" erschöpfend behandelt 
hat : es bildet den westlichen Teil des Han-Hai (Chan-Chat), des 
^trocknen Meeres", Zentralasiens, dieser Begriff gefaBt als das 
gröfite abflußlose Gebiet des Kontinents vom Westriegel des 
I ienschan bis zum Chingangebirge, und von den Gebirgen im 
Norden der mongolischen Wüste, der Gobi, bis zum Kwenlun, 
Zentralasien im Gegensatz zum peripherischen Gebiet. Ist diese 
Konstruktion erdgeschichtlich, geologisch von der höchsten 
Wichtigkeit, so hat die Scheidung in zentrales und peripherisches 
Gebiet keine Bedeutung für uns, die wir uns mit der gewordenen 
Erde beschäftigen, der Erde, seit sie in der Oberflächengestaltung 
im wesentlichen die Züge weist, die wir heute an ihr finden. 
Hier bildet der Gegensatz von zentral und peripherisch kein 
wesentliches Moment. Hier müssen wir uns nach andern Faktoren 
umsehen, an deren Hand wir zu einer Gruppierung gelangen. 
Nicht hilft uns hier freilich weiter das geometrische Verfahren, 
wie es noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts geübt wurde, 
das sich mit dem Lineal vor die Landkarte setzt und abzirkelt, 
was man wohl als West-, Mittel- und Ostasien gelten lassen 
könne. Für die historisch-geographische Betrachtungsweise kann 
es sich doch nur darum handein : Welches sind die geographisch 
bedingten Einflufikreise, in welche Asien zerfällt, Asien oder 
vielmehr Eurasien^), um diesen von Eduard Suefi mitVoriiebe 
verwandten Terminus zu gebrauchen, welcher darauf hinweist, 
daß Europa nur ein kleiner Vorsprung des ungeheuren Kontinents 
ist, den man doch nicht deshalb ernsthaft noch immer nach dem 
Uralgebirge in Europa und Asien teilen kann, weil es bisher so 
üblich war. 

Die geographisch bedingten Einflußkreise des eurasiatischen 
Kontinents zu bestimmen und diese Bestimmungen einigermaßen 
zu begründen, ist eine Aufgabe für sich. Hier handelt es sich 
nur um die Zugehörigkeit Turkestans. Deren Bestimmung ist 
nicht zweifelhaft. Turkestan gehörte allzeit und gehört heut den 
geographischen Bedingungen nach zu Ostasien, und die Herr- 
schaft, welche Nordchtna darüber stets sich anmaßte, wenn es sie auch 
wirksam 'zu üt>en nicht immer in der Lage war, ist in den Boden- 
verhältnissen tief beendet. Dasselbe Lößland begleitet den 
Wanderer, der von Peking ausziehend das alte China durch das 
Tor der westlichen großen Mauer verläßt, das Ende der Jümön- 
Passage bei Ansi, und nach etwa vierzehntägiger Wanderung 
durch die Wüste Hami,wie die Chinesen, Qumul, wie die Türken 
es nennen und über Turfan und Aqsu Kasdigar erreicht ; keine erheb* 
liehen Schranken, kdne nennenswerte BiKlenerhebung stellen auf 
seinem Zuge sich Ihm entgegen. Und wie das Land eintönig ist, so 



I 



Geographische Stellung Turkestans. 



sind es die Menschen. Doch begegniet er hier wenigstens 
einem und nicht unbeträchtlichen Wechsel: bis zur Wüste um* 
gibt ihn chinesisches Volk, von Hami an reist er unter 
Türken, denn Hami ist der östlichste Punkt des Türkenlandes» 
Turkestans. 

In zwei Richtungen bewegte sich stets das Leben der Be- 
völkerung dieses ausgedehnten Gebietet: erstens in der unge- 
zügelten Seh weif ens, zweitens in der staatenbiidenden oder doch 
städtebildenden Zusammenwohnens an festem Ort Wie für die 
Bewohner Mongolistans ^ , des Landes östlich vom Altai, nimmt 
man auch für die Türken Turkestans nicht mit Unrecht an, dall 
die erste Richtung, die des Wandems, in der älteren Zelt bei 
weitem die überwiegende gewesen sei. Noch heute führt ja ein 
nicht unbeträchtlicher Teil der Türkbevölkerung ein Wanderleben, 
oder hält, selbst wenn der Ortswechsel nach den Jahreszeiten 
sich nur auf bestimmte, nicht sehr weit voneinander entfernte 
Punkte beschränkt, ja selbst wenn gamidvt gewandert wird, an 
dem Wohnen in der Jurte oder wie man im Lande selbst. sagt« 
dem Aqoi fest. Früher dehnte sich d;ss Schweifen auf ungdieure 
Entfernungen aus, wenigstens dann, wenn besondere AnstöBe 
vorlagen, die große Verschiebungen herbeiführten. Und an solchen 
Anstößen konnte es nach dem Charakter der Türken nicht fehlen. 
Oft ist ihre Art, ihr Raubtreiben geschildert worden. Im kleinen 
Kreise ersteht ein besonders geschickter und energischer Mann, 
er weiß seinen Anhängern durch Beutezüge bessere Lebens- 
bedingungen und höheres Ansehen zu verschaffen. Die, auf 
deren Kosten es geschieht, denen bleibt nichts übrig, als sich 
anzuschließen, ja sie haben ein Interesse daran, es zu tun, um, 
statt weiter geschädigt zu werden, unter dem tapfem und klugen 
Räuber-Führer auch bessere Bedingungen zu erlangen. So schwillt 
dessen Anhängerschaft wie eine Lawine an: alle wollen unter 
diesen siegreichen Fahnen Beute und Ansehn. Dabei ist der 
Führer in der Annahme der Gefolgschaft nicht wählerisch; welcher 
Art Stämme sich ihm ansdiließen^, alle sind willkommen, be- 
sonders die, die durch Tapferkeit und älteren Ruhm seiner Sache 
gut dienen und ihr Glanz verleihen. Verliert der Usurpator, das 
Haupt solch schnell entstandenen Reiches, oder einer seiner Nadi- 
kommen die zentrale 'Gewalt, kann er die Massen nicht mehr 
zusammenhalten, dann fällt seine Schöpfung auseinander, und es 
beginnt wieder der Normalzustand wandernder Steppenvölker, 
das bellum omnium contra omnes, bis ein neuer Held ersteht 
von neuem zusammenfaßt und das Rauben in System bringt 
Das ist mit wenigen Worten die Plfissl|^eit der sozialen Ver- 
hältnisse der Türkvölker «). 

1* 



Ethnische und soziale Verhältnisse. 



Ein besonders wichtiger Paktor bei dem Sichscharen von 
Stämmen um eine starke Persönlichkeit ist die Gleichgiitigkeit 
des Führers gegen Herkunft und Sprache derer, die sich ihm an- 
schließen, die eben schon erwähnt wurde. Diese Qleichgiltigkett, 
diese Nichtachtung des Nationalen seitens des Führers ericiärt es» 
daß sich in Turkestan und Mongolistan eine strenge Scheidung 
zwischen mongolischen und türkischen Stämmen zur Zeit der 
großen Bewegungen kaum durchführen läßt. Oschingis Chan, der 
Mongole, hatte eine Menge Türkstämme in seinem Heer ; Timur, 
der Türke, führte eine große Menge von Mongolen. So zeigen 
auch die Sprachen wechselseitige Entlehnung, freilich das Mon- 
golische viel mehr Entlehnungen aus dem Türkischen als um- 
gekehrt. 

Neben dem Schweifen, dem Vordringen beutemachender 
Horden mit der Aufsaugung derer, die sich fügen, Verdrängung 
derer, die sich nicht fügen wollen, geht seit den ältesten Zeiten 
ein Zweites her: die feste SIedelung. Ihre Bedingung ist Wasser. 
An Wasser fehlt es in Turkestan nicht, wenn man die Takla- 
Makan ausschaltet, die das Innere des Striches südlich vom 
Tienschan ausfüllt. An den Rändern dieser Wüste ist fast allent- 
halben Wasser, zum Teil sogar in großen Mengen, denn diese 
Ränder liegen ja im Schöße von hohen Gebirgen. Von Norden, 
von Westen, von Süden senden die Berge zahlreiche Bäche herab, die 
sich zu Flüssen einen und In der Ebene zu Kulturzwecken verbraucht 
werden, nur selten in dem Maße, wie es bei rationeller Wirt- 
schaft möglich wäre. Einige Ströme, wie der Jarkend-Darja und 
der Chotan-Darja sind so mächtig, daß sie trotz der Wüste 
mitten durch sie hindurch in das Flußgebiet gelangen, das 
Turkestan westöstlich durchschneidet: das Tarimbecken. 

Es ist ein Zeichen des Übergewichtes der Richtung aufs 
Nomadentum, daß diese Mengen von Wasser nicht zu mehr 
und bedeutenderen Ansiedlungen geführt haben, als es der Fall 
ist. Wir sind erträglich gut unterrichtet über das, was es an 
ständig bewohnten Plätzen in Turkestan etwa seit den Kaisem 
der T'ang-Dynastie (618 — 907) gegeben hat, und aus der früheren 
Zeit haben wir vereinzelte Nachrichten. Wir wissen bestimmt» 
daß größere feste Ansiedlungen in Turkestan nur getrennt durch 
große Zwischenräume vorkamen, daß diese Punkte als Oasen zu 
betrachten sind und so auch von den Bewohnern wie von den Chinesen 
empfunden wurden. Man wende nicht ein, daß die Entdeckungen Sven 
Hed ins, welche zu den schönen, wunderbare Reste des Altertums 
zu Tage fördernden Arbeiten Aurel Steins und weiter zu den 
Forschungen Qrünwedels und Albertus von Lecoq führten» 
Existenz einer Anzahl buddhistischer Heiligtümer ziemlich 



Ethnische und soziale Verhältnisse. 



weit vom Sudrand in die Takla-Makan -Wüste vorgeschoben nach- 
wiesen. Die Existenz dieser buddhistischen Kultstätten, in deren 
Nähe gewiB auch kleinere Ortschaften lagen» ändert nichts an 
der B^bachtung, dafi bedeutendere Verkehrszentreil und Mittel- 
punkte wirtschaftlichen Lebens gering an Zahl waren. Das ist 
eine höchst merkwürdige Tatsache, deren Ursache zu erkennen 
aber nicht schwer ist. Eine rationeile Verwaltung des Landes 
wurde mit Leichtigkeit noch heute nach jahrtausendelanger Ver- 
nachlässigung Landstreifen mit blühenden Kulturen nördlich und 
südlich der Takla-Makan und ebenso nördlich vom Tienschan 
schaffen können: es handelt sich nur darum, einen intelligenten 
und fleißigen Bevölkerungskem zur SteHe zu bringen. Dieser 
Kern fehlt eben und fehlte allezeit, ausgenommen kurze Perioden. 
Der Haupttett der Bevölkerung waren Türken. Die gingen von 
dem schweifenden Räuberleben nur ab, wenn sich ihnen besonders 
günstige Gelegenheit zur Niederiassung bot. Es mag dahinge- 
stellt bleiben, ob sie je imstande gewesen sind, selbst ein einiger- 
maßen blühendes festes Gemeinwesen herzustellen, oder ob sie 
nicht auch hier, wie sonst überall, zum seßhaften Leben sich 
nur herbeiließen, wo sie schon feste Gemeinwesen vorfanden, 
und sich nur mit Vertreibung oder Unterdrückung der fleißigen 
Begründer und Inhaber in das warme Nest zu setzen brauchten. 
Unwahrscheinlich ist es nicht, daß die ältesten Siedelungen in 
Turkestan von Nichttürken herrühren. Woher diese Siedler 
kamen, wird sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen lassen» 
aber Anhaltspunkte haben wir. Manche haben daran gedacht, 
daß in den südlichen Oas^ eine Bevölkerung saß, die der 
Chinas stammverwandt war, ja, daß die national-chinesischen Be- 
wohner Ostasiens aus den südlichen Oasen, wie Chotan, ge- 
kommen sind. Doch das ist unsicher. Dagegen wissen wir 
genau, daß seit den ältesten Zeiten liebhafte ^Ziehungen, wirt- 
schaftliche und kulturelle, zwischen Turkestan und Indien be» 
standen. Mögen die festen Siedlungspunkte nun von Türken 
oder Nichttürken gewählt seih, in jedem Falle sind sie verhältnis- 
mäßig wenig zahlreich. Die Erklärung ist einfach: sie wurden 
nur angelegt, wo die wirtschaftlichen Bedingungen besonders 
günstige waren, oder wo größere Straßen sich trafen, oder wo 
beides zusammenwirkte. Ein solcher Fall lag in Chotan, dem 
Jütien der chinesischen Quellen, Vor. Chotan Ist von alten und 
neuen Reisenden oft beschrieben^. Hier nufi daß dort Gold- 
wäscherei und Nefritbearbeitung betrieben wunde, wahrscheinitdi 
auch schon in sehr früher Zeit Seklen- und Baumwollkultur 
und Teppichweberei. Ist auch an anderen Punkten nicht OoM 
und Nefrit zu finden, so hätte doch an vielen eine energischere 



Siedelungen und Straften. 



wirtschaftliche Tätigkeit geübt werden können, wenn eben nicht 
der Türkbevölkerung Kopffaulheit und Handfaulheit, mehr noch 
die erste als die letzte, zu eigen wäre. Jeden, der mit echten 
Türken Turkestans — nicht mit eingewanderten Sarten aus 
Russisch Turkestan, die sind Halbarier — zu tun hat, mu6 die 
Unintelligenz dieser Bevölkerung berühren, die natürlich auch mit 
efner geringen physischen Beweglichkeit verbunden ist, aus- 
genommen für Bummeln und Reiten. 

Die festen Siedlungen in Turkestan liegen sämtlich an den 
groBen Strafien, die den Westen mit dem C^ten verbinden. Im 
Süden des T'ienschan haben zwei StraBenzüge den gemeinsamen 
Westpunkt Kaschgar. Von Kaschgar aus wendet sich der eine 
südöstlich, um dann mit scharfem Winkel nach Nordosten auf- 
zusteigen : über Jarkend, Chotan, Keria, Tschertschen, Tscharchlik, 
das neuerdings Gegenstand einer äuBeriich von der chinesischen 
Regierung, indirekt wahrscheinlich von den Russen geförderten 
Si^lungsbemühung ist, Lobnor, Bulungir-göl und Tal des Bulungir- 
flusses nach Ansi,. dem westlichsten Punkte der sogenannten 
Jümön-Passage, einem Punkte, dem wir sogleich wieder begegnen 
werden. Diese SüdstraBe ist heute nicht in Gebrauch, für den 
Handel Kaschgariens mit China kommt sie nicht in betracht^. Die 
nördliche StraBe veriäuft so: Kaschgar, Maralbaschi, Aqsu, Kotschn, 
Kuria, Qaraschar, Turfan, Qumul, Ansi. Nördlich vom T'ienschan 
nehmen wir den Weg in umgekehrter Richtung. Von Ansi muB 
unter allen Umständen zunächst Qumul erreicht werden. Von 
dort geht es weiter nach Barqul und Gutschen. Da teilt sich 
der Weg : zur Öffnung der Dzungarischen Mulde führt die StraBe von 
Gutschen nordnordwestlich zum schwarzen Irtisch und dem Saissan 
Nor, am Ostende des Tarbagatai, „Springmausgebirges", vorbei, 
während eine andere wichtige Straße über Manas nach Tschugu- 
Ischaq am Südabhang des mittleren Tarbagatai und ein Zweig 
von ihr in mehr westlicher Richtung nach lli (Kuldscha) führt, 
das in jeder Beziehung schon zum Oblast Semirjetschije gehört, 
und dessen erneute Annexion an RuBland eine Frage der 
Zeit ist^. 

Es wurde hier nicht Urumtschi (Unimtsi) genannt, das Hung* 
Miao-tzu oder Ti-Hoa der Chinesen ^. Die Anlage dieser Stadt ab- 
seits vom groBen StraBenzüge ist zu erklären 1. durch die be- 
sonders günstigen Bodenbedingungen der Umgebung, 2. durch 
die strategisch wichtige Lage: an den Berg gelehnt überschaut 
Urumtschi die Dzungarische Mulde, dieses Völkertor, dessen Be- 
obachtung für den Herrn des Landes besonders wichtig ist» 
während nach Süden eine nicht schwierige Verbindung besteht 
mit einem andern grofien Zentrum, Turfan. Es ist aber zu be- 



Siedelungen und Straften. 



merken, daß Urumtschi, wahrscheinlich dasBischbaliq(Pentapolis)^9 
dem wir in den Quellen so oft begegnen, kulturell nicht beträcht- 
lich gewesen zu sein scheint. 

Welche Bedeutung hatten und haben die eben genannten 
Straßen? Dienten sie dem interlokalen Verkehr, oder schlössen 
sie sich an andere Straßen an, in deren Streifen sie nur ein 
Glied bilden? Das letzte ist der Fall.' Sie sind, wenigstens anim 
Teil, Glieder des ungeheuren Straßenzuges, der Asien von Westen 
nach Osten durchquerte, und der, einst von größter kultureller 
Wichtigkeit, versumpft war, bis. ein Organisator ersten Ranges» 
der Mongole Dschingis-Chan, Ihm neues Leben lieh, um dann 
schnell, vor etwa 6(K) Jahren, wieder zu verfallen und nun in 
unseren Tagen einem neuen Aufleben entgegen zu gehen. Diese 
Hauptstraße durch Asien ist der vielb^prochene Weg zu den 
Serern, die Via Mercatorum ad Seres Proficiscentium, die Straße 
des Seidenhandels. Über den östlichen Teil dieser Straße ist 
nicht viel zu sagen. Von Ansi bis zum westlichen Tor der 
großen Mauer gibt es nur einen Weg, den schmalen Durchgang 
zwischen den östlichen Ausläufern- 4^ Kwenlun im Süden und 
dem Peschan im Norden. Von der großen Mauer führen dann 
im eigentlichen China eine Anzahl Straßen zu den Hauptplätzen» 
vor allem zu der alten Hauptstadt Sfnganfu und der neuen Haupt- 
stadt Peking, das die Türken Bödschin (Badschin) nennen. Im 
Westen ist nur von Norden her ein leichter Zugang bezw. Aus- 
gang, durch die sogenannte Dzungarische Mulde; nicht allzu 
schwer ist auch der Weg zum Balchasch-See, das llital hinab» in 
das aus der Mulde leicht zu gelangen ist. Aber wohin führten 
diese Wege den aus Turkestan Kommenden? In Wüsten» wo 
nichts zu holen, wohl aber unter den Unbilden des Wetters und 
durch eine räuberische Bevölkerung alles zu verlieren war, in das 
Land der Skythen und Sarmaten. Anders direkt im Westen» In 
der Breite von Jümön; da türmte sich ein ungeheurer Wall, dort 
wo der Tienschan nach Süden sich umwendet, um in den Pamirs 
auf den Ostzipfel des Hindukusch und den Westzipfel des Kwenlun 
zu stoßen, ein Stück Bergland, das die. Chinesen das Zwiebel- 
gebirge nannten. Hohe, schwierige Pässe nur führten und führen 
über diesen Wall» der Turkestan von der arischen Kulturwelt 
scheidet, der die Grenze bildet zwischen Ostasien und West- 
asien. Aber für die wirtschaftlidien und kulturellen Bedürfnisse 
und Bewegungen gibt es keine noch so hohen, noch so unüber- 
windlich scheinenden Naturschranken: seit alten Zeiten führen 
regelmäßig begangene Wege über das Hochgebirge. Die dhrekte 
Verbindung zwisdien den gesegneten Fluren Ferganas und dem 
westlichsten Zentrum Südturkestans, Kaschgar» bieten derTerek- 



Verkehr Turkestans mit der Umwelt. 



dawan-Weg utid der Taldiq-Weg. Sie sind oft beschrieben. In 
den meisten Darstellungen ist aber das Verhältnis dieser beiden 
Straßen zueinander nidit klar zum Ausdruck gebracht. Nicht 
beliebig wird der eine oder der andere gewählt, sondern sie er« 
ganzen einander: etwa vier Monate ist der eine nicht gangbar, 
etwa sieben Monate der andere. Von Mai bis August trifft der 
Reisende auf dem Terekdawah-Wege unüberwindliche Wasser* 
fluten; der trockene Taldiq-Weg dagegen ist von Oktober bis 
April nicht zu nehmen, weil am Sudabhang des Alaigebirges und 
im Alaital keine Menschen sind, die Unterkunft gewähren. Gegen- 
wärtig sind diese beiden Straßen die einzigen, die für den Verkehr 
zwtsdien Westchina und Russisch-Turkestan in betracht kommen, 
abgesehen von einem neuen Paßweg, der von den Russen in 
Aussicht genommen sein soll, und der die Schwierigkeiten des 
Terekdawan -Weges vermeidet, über den ich aber noch nichts 
Näheres in Eriahrung bringen konnte. Nur nebenher sei er- 
wähnt , dafi seit kurzem , seit Herbst 1 903 , eine nördliche Ver- 
bindung besteht. Damals wurde eine Fahrstraße fertig, welche 
in etwa fünf Tagen mit Tarantas von Andidschan In östlicher 
Richtung über das bei arabischen Geographen und Historikern oft 
genannte özgend nach dem am obersten Lauf des Naryn, d. h. des 
SyrDarja, gelegenen Narynskoje führt, von welchem Ort man in 
etwa sieben Tagen zu Pferd Kaschgar erreicht, während man 
über den Terekdawan und Taldiq von Andidschan bis Kaschgar 
zwölf bis fünfzehn Tage Reitens hat. Völlig veriassen ist heute, 
und wohl schon seit langem, eine andere wichtige Straße, die 
freilich nicht so direkt wie die eben genannten von Kaschgarien 
zu den großen Handelsplätzen Transoxaniens führt, dafür aber 
eine direkte Verbindung mit dem Mittellauf des Oxus (Amu-Darja) 
herstellt. Wir kennen diesen Weg aus der Geschichte : ihn nahm ein 
Teil der Gesandtschaft des Timuriden Schahroch an den Beherrscher 
Chinas ^^, und er ist in neuerer Zeit von den Russen genau be- 
schrieben. So lange freilich die gegenwärtige Spannung im oberen 
Oxustal besteht, d. h. so lange es noch ein Buchara mit einem 
Schein von Selbständigkeit gibt und der Landstrich südlich vom 
Oxus mit den Städten Andchui, Mazarischerff unweit von Balch 
Baktra der AHen, und Kunduz,. dem Mittelpunkt des alten To- 
chftristan, afghanisches Gebiet ist, wird diese Straße nicht praktisch 
werden"), obwohl sie nach allen Nachrichten weit leichter ist als 
die oben genannten Paßwege. Das ist die Straße im oberen 
Oxustal selbst, und von Tirmiz den Fluß hinab nach Tsdiftrdschai, 
dsr durch ihre Melonen berühmten Station der Transkaspibahn, 
oder auch bei Tirmiz den IHuß verlassend zu Lande über Balch 
nach Meschhed, dem künftigen wichtigen Zentrum Nordostpersiens 



8 



Verkehr Turkestans mit der Umwelt. 



(ChoräSiins), das in nicht femer Zeit an das indische Bahnnets 
angeschlossen sein wird. Natüriich ist hier mit dem Oberlauf 
des Oxtis nicht das gemeint« was man heute gewöhnlich darunter 
versteht: das Wasser, das in groftem Bogen nach Norden Ba- 
dachschan einschließt und dann den Westrand der Pamirs entlang 
sich ziehend als Pendsch-ib im Süden der Pamirs in dem russisch- 
indischen Grenzgebiet, dem afghanischen Wachan, fließt, herkommend 
vom WachdschIrpaB, dessen Gletscher Lord Curzon untersuchte^^. 
Ich meine den Flußtauf, der heute nur als Zufluß des Oxus an- 
gesehen wird , dessen aus den ältesten Zeiten wohlkonservierter 
Name uns aber zeigt, daß die Alten ihn als den Oberlauf des 
Oxus betrachteten: das Wachsch-ib, das Wachsch- Wasser, das in 
der Nähe der Rutnenstätte Kargusch-Chtn, etwas oberhalb Tirmis 
in den Hauptstrom geht. Der Quellarm dieses Zuflusses oder 
vielmehr des eigentlichen Oxus ist der westliche Qyzylsu, der 
ebenso unweit Irkeschtam entspringt, wie sein östlicher Namens- 
vetter, der als Tumen-Darja oder Kaschgar-Darja sich mit dem 
Jarkend-Darja zum Tarimf luß vereinigt. Jener westliche Qyzylsu 
ist allen Reisenden bekannt, die von Kaschgarien kommend den 
Weg über den Taldiq nehmen, denn ihm folgen sie zunächst, 
nachdem sie den Taun-Murun-Paß, die Wasserscheide zwischen 
den beiden Qyzylsu, überschritten hab^n, im Alaital; doch der 
Reisende, der nach Fergana will, biegt bald nach Norden aus 
dem Tal ab, während der Fluß weiter seinen Weg durch das 
Alaital nimmt, zunächst westlich , dann sich mählich westsud- 
westlich wendend, um schließlich eine ganz sudliche Richtung zu 
nehmen. Der Weg ist auf der sogenannten 10 Werst-Karte des 
Generalstabs von Taschkend (1 : 420 000) eingetragen. Er hat 
eine große Zukunft, sobald die vollkommene Recht- und Schutz- 
losigkeit, die jetzt in Afghanisch Turk^tan herrscht, ein Ende 
nimmt. Cr verbindet einen Punkt des T'ienschan^ der für einen 
guten Reiter von Kaschgar nur vier Tagereisen entfernt und von 
dort ohne die geringsten Schwierigkeiten zu erreichen ist , das 
schon genannte Irk^chtam, mit tinem Punkte des Oxus, vor 
welchem die ganze herrliche Ebene am Södrand des Flusses 
ausgebreitet liegt, von wel^m aus aiich Tschardschfli stromab 
in zweimal 24 Stunden mit einem Dampfer der russischen Amii- 
Darja-fnottille zu erreichen Ist (in umgekehrter Richtung werden 
fünfmal 24 Stunden gebraucht). Wie eifersuchtig die Russen 
darüber wachen, daß über diese ganze Verbindung von Un- 
berufenen nicht zu viel hl Erfahrung gebracht wird, geht daraus 
hervor, daß der Besuch von Tlrtniz, bezw. PattihisiU' (so heiSt 
die letzte Dampferstation unweit der Ruinen von Tirmiz» wo die 
Russen eine bedeutoide Befestigung angelegt haben), ebenso w- 



Geschichte Turkestans. 



boten ist, wie der von Kerki am Oxus, etwa halbwegs zwischen 
TschiirdschQi und Pattthisär, und von Kuschk, richtiger Kuschkil 
Post, der bekannten Grenzfestung und Terminus der Zweigbahn 
Merw-Kuschk nicht weit nördlich von Herat. 

Im Augenblick ist es, das ist unbedingt zuzugeben, nicht 
erheblich, ob den in Übung befindlichen VerkehrsstraBen noch 
diese neue hinzugefügt wird. Einen Nutzen wurde davon aus* 
schließlich der westliche Nachbar Chinas haben, und auch dieser 
Nutzen wurde deshalb nicht bedeutend sein, weil die gegen- 
wärtigen Verhältnisse Turkestans in der Gärung sind. Die 
kulturelle Entwicklung des Landes ist, wie noch weiter dar- 
gelegt werden wird, eine mininie. Es war nicht immer so, 
oder vielmehr die Geschichte zeigt uns in diesem heut trostlosen 
Lande Staatenbildungen mit einer Kultur, die uns neben der 
heutigen Armseligkeit seltsam anmutet, uns freilich zugleich mit 
der freudigen Hoffnung erfüllt, es könnten ähnliche Zeiten wieder- 
kehren. Nicht kann hier die Rede sein von den älteren Reichen. 
Wir wissen von ihnen zu wenig. Namen und einzelne Notizen 
haben wir über das Reich der Hiung^nu, die wir mit Sicherhett 
mit den Hunnen identifizieren können, und die von ca. 240 v. Chr. 
bis etwa 220 n. Chr. die Herrschaft in der Mongolei und Tur- 
kestan ausübten. Aber die Kulturverhältnisse des Htung*nu- 
Jteiches sind dunkel. Ebenso haben die Kao-kü kein Interesse 
für uns, wenn sie auch meist für die Vorfahren der uns gleich 
beschäftigenden Uiguren gehalten werden. Ein Kulturbild tritt uns 
erst entgegen, als die Uiguren mit aller Kraft sich zur Geltung 
bringen, und zwar in Turkestan um das Jahr 850. Vorher hatten 
sie bereits seit ca. 600 ein Reich mit wechselnden Geschicken 
im Osten mit der Hauptstadt Qaraqorum, wSchwarzenfels", dem- 
selben Qaraqorum, das später Residenz Dschingis-Chans wurde. 
Ein Sprößling der Fürstenfamilie der Uiguren gründete nun ein 
Zweigreich im Westen, das Reich Kaoschang oder Kaotschang 
mit der Hauptstadt Qarachodscha, etwa dreißig Kilometer öst- 
lich von Turfan, um 850, also zu einer Zeit, wo die Auflösung 
der T'ang-Dynastie in China sich nahte. Dieses Reich entwickelte 
sich ganz ausnehmend gut. Noch bis vor kurzem war unsere 
Hauptquelle für seine ältere Zeit ein Bericht des Chinesen Wang- 
}en-te aus dem Jahre 981. Wang-jen-te war von einem Kaiser 
der Sung-Dyiiastie zu dem Idiqut — so hießen die Fürsten der 
Uiguren •— als Gesandter geschickt worden. Er suchte sich bei 
seinem Aufenthalt In der fremden Hauptstadt gut zu unterrichten, 
und so enthält sein Bericht eine Menge merkwürdiger Einzel- 
heiten. Die Chinesen sind in der Beurteilung alles Fremden ein- 
seitig und neigen dazu, was sie bei Fremden finden, als minder* 



10 



Geschichte Turkestans. 




wertig aniusehen, da ja die Barbaren nicht das Gluck haben, die 
Gewohnheiten und Ansichten des Reiches der Mitte zu teilen. 
Um so tieferen Eindruck macht der Ton, in welchem Wang- 
]en*te über das im Lande der Chui-chu (Uiguren) Gesehene be* 
richtet, denn dieser Bericht weist darauf hin, daB dieses Land 
sich einer nicht unbedeutenden kulturellen Bltite erfreute. Ein 
Punkt dieses'Berichtes hat ganz kurzlich eine, wenn an sich nicht 
unerwartete, doch nach den Umständen, unter denen sie zutage 
gekommen, höchst merkwürdige Bestätigung erfahren. Wang« 
jen-te sagt, nachdem er ausfuhrlich von dem buddhistischen Kult 
und seinen Vertretern in der Hauptstadt (es ist Qarachodscha, 
das Ha-La-Ho-Cho der Chinesen gemeint) ^') gesprochen: »Es ist 
hier auch ein Tempel des Mani, der von persischen Priestern be- 
dient ist. Diese bewahren treu ihre Religionssatzungen und be- 
zeichnen die buddhistischen Bucher als häretisch". DaB der 
Buddhismus in Uiguristan eine Stätte hatte, Wußte man längst; 
ebenso wußte man längst, daß nestorianische Priester in diesem 
Lande wirkten (haben wir doch das merkwürdige Denkmal In 
Stein von ihrer Tätigkeit in China in der berühmten erst im 
Jahre 1 625 von Arbeitern bei Herstellung eines Grabes gefundenen 
Stele von Singanfu mit syrischer und chinesischer Inschrift vom 
Jahre 781)^^). Seit Stanislas Julien den Bericht des Wang- 
jen-te im Jahre 1 848 im Journal Asiatique übersetzt hat, wurde diese 
seltsame Erwähi|;iung des Mani erörtert. Im Jahre 1897 stellte 
der französische Sinologe Dev^ria aus chinesischen Autoren fest, 
daß Angehörige der Mani-Religion das Vertrauen des Chaqans 
der Uiguren besaßen, und zwar in dem Grade, daß sie ihm regel- 
mäßig als Ratgeber dienten. Damit war schon etwas gewonnen, 
wir wollten aber die Manichäer durch, eine Urkunde ihrer selt>st 
gesichert haben, wir suchten nach einem noch so kleinen Rest 
ihrer Literatur, über die wir manche merkwürdige Nachrichten 
besitzen. Das Gesuchte ist gefunden, erkannt durch eine Ent- 
deckung allerersten Ranges. F. W.K. Müller-Berlin gelang es» 
einige der Handschriftenreste in Ea^rangeloschrift zu lesen^^, die 
wir nebst einer großen Menge anderer schwerwiegender, auf die 
Geschichte und Kultur Uiguristans ganz neues Geht werfender 
Funde der Turfan-ExpMition unter Leitung Grün wedeis 1902/03 
verdanken. In diesen Fragmenten haben wir nun Reste der ver- 
loren geglaubten manichäischen Literatur vor uns. Diese Fest- 
stellung ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, sie beweist doku- 
mentarisch, daß in dem Uigurenrdche vollkommene religiöse To- 
leranz herrschte: Buddhismus, Mafnichäismus, Christentum werden 
nebenehiander geübt, und es ist kaum ein Zweifel, daß auch 
Muslime dort ihre Religion frei üben konnten« Bisher scheinen 



11 ) 



Ge^yhichtc Turkcstant 



allerdings filtere Denkmfiler des Islams aus Turfan nicht vorzu- 
liegen, und das ist nicht wunderbar, denn wir werden annehmen 
dürfen, daB der Islam schon damals in Jenen Qegenden }eder 
Kunstubung grundsfitzlich feindlich war. Die Erwfihnung des 
Islams hier föhrt uns zu dem zweiten großen Staatswesen in 
Turkestan. 

Die Anffinge des Uigurenreiches lassen sich, wie wir sahen, 
um 850 ansetzen**). Etwa ein Jahrhundert später findet in dem 
westlich angrenzenden Lande, in Kaschgarien, die erste Bekehrung 
zum Islam statt: der zwölQährige Sohn oder Stiefsohn eines 
Fürsten Harfln Boghrä, namens Satoq Boghra, trifft auf der Jagd 
einen frommen Mann namens AbD Na^r SämAni (ob und wie 
dieser Fromme mit dem Fürstengeschlecht der Samaniden, die in 
Buchara und Samarqand herrschten, zusammenhängt, ist nicht 
klar). Satoq Boghra nimmt den Ruf zur Bekennung des einigen 
Gottes an, wird Muslim und gründet eine kräftige Dynastie, die 
ihre Waffen über den hohen westlichen Bergwall trägt und das 
Land, aus dem der Qlaubensbote das Heil gebracht, Samarqand 
und Buchara, erobert. Die neue Dynastie teilt sich bald it? 
einen westlichen und einen östlichen Zweig, wie es nicht anders 
zu erwarten ist, und wie es regelmäßig eintritt, wenn einmal 
Transoxanien und Turkestan in einer Hand vereinigt sind. Aus 
Münzlegenden können wir schließen, daß dies nicht die einzige 
Teilung war, sondern daß innerhalb dieser großen Teile Unter- 
teile bestanden (wir wissen z. B. von einer Sonderdynastie in 
Chotan)*^. Woher stammten diese Herren des islamischen West- 
reiches, die man meist llekiden oder Qarachaniden nennt? Nach 
Einigen sind sie nichts als ein Zweig der Uiguren-Dynastie. Für 
diese Annahme liegt kein zwingender Grund vor. Es ist vor 
allem in betracht zu ziehen, daß die im Westen Turkestans 
wohnenden Türken zu jener 2^it Charluchtürken waren; auch 
diese Herrscher waren vermutlich Charluchtürken. Über einen 
Zusammenhang der Charluche oder spseziell ihres Fürstengeschlechtes 
mit den Uiguren wird aber nirgends etwas berichtet. Die An- 
nahme des Islams durch ein herrschendes Geschlecht und das 
Verharren dabei, sowie die Gewinnung des ganzen Landes für 
die neue Religion hat natüriich nur zum geringsten Teil ihre Ur- 
sache in Ideellen Vorgängen, etwa in einer Begeisterung für die 
neue Lehre. Es sind auch hier wie überall, wo wir scheinbar 
religiöse Bewegungen sehen, im tiefsten Grunde große wirtschaft- 
liche und soziale Verschiebungen, welche das Bewegende sind, 
und deren Regelung von denen, die schieben, den Geschobenen 
so gern In Form einer religiösen Lehre mundgerecht gemacht 
wird. ' Welche Innern Verhältnisse nun auch immer zu der 



i 



12 



Geschichte Turkestans. 



Gründung des islamischen Reiches gefuhrt haben, das ist sicher» 
daß es sich alsbald gleichmflchtig neben den nichttslamischen 
Nachbar, das Uigurenreich, stellte. Das Zentrum der islamischen 
Macht wurde bald von Balasagun im Tale dies Tschu-Russes» 
wo die ersten Herrscher der Dynastie residierten, nach Kaschgair 
verlegt. Wir können hier wenigstens eine Kunstiibung kon- 
statieren, während andere Ktinste, wie schon oben bemerkt, nach 
dem Wesen des Islams ausgeschtossen sind : die Dichtkunst 
Etwa ein Jahrhundert nach der Entstehung des llekidenrelches, im 
Jahre 1070, beendigte in Kaschgar ein Mann namens jQsuf, 
später zur Belohnung für seine Leistung zum Geheimkämmerer 
ernannt und daher bekannt unter dem Namen Jfisuf Chiss 
Hädschib, ein großes Lehrgedicht, das Kudatku (Qutadghu) Billk« 
in welchem er in Form von Gesprächen zwischen vier Personen» 
welche die Rechtschaffenheit, das Qlfick, den Verstand und die 
Zufriedenheit personifizieren und als ein Fürst, dessen Wezir» 
und Sohn und Bruder des Wezirs dargestellt sind, eme Art 
Fürstenspiegel schuf. Dieses Literaturwerk, das gewöhnlich 
uigurisch genannt wird, lehnt sich in der Form an das l>eriihmte 
Schähnime, das Königsbuch Ftrdausis an, und persischer Einfluft 
ist unverkennbar. Sein poetischer Wert ist nicht zu beträchtlich, 
es ist aber ein Zeichen, daß zu jener Zeit die Sprache Turkestans 
genügende Schmiegsamkett besaß, um zu einem Literaturwerk 
großen Stils verwandt ^u werden. Daß diese Probe uns er* 
halten ist, verdanken wir freilich nur merkwürdigen Umständen, 
der Liebhaberei von Literaturfreunden in Herat und in Kairo ^^. 
Wäre es auf die Turkestaner selbst angekommen, so wüßten wir 
kaum etwas von diesem in jedem Falle hochinteressanten Erzeug- 
nis ihres Landes im elften Jahrhundert. Heut kennt kein Mensdi 
in Turkestan das Kudatku Bilik, und schon vor vierhundert Jahren 
war es wohl im Lande selbst völlig vergessen. Es ist schwer 
glaublich, daß dieses Literaturdenkmal seinerzeit völlig allein 
stand, aber verschollen ist die - poetische Kunstübung bis auf 
diesen Rest. Von Werken der bildenden oder zeichnenden Kunst 
war aus diesem Krebe nichts zu erwarten. Berührt wurde schon, 
daß das Lehrgedicht des Jilsuf , persischen Einfluß zeigt Also 
auch hier ist die Quelle der kulturellen Tätigkeit der arische 
Nachbar im Westen, wie ja auch das Ulgurtnreidi den Mani- 
chäismus und die nestorianischen Priester aus diesem Westlanda 
bezogen hat 

Höchst lehrreich ist die vergleichende Betrachtung der Ent- 
wicklung der beiden Reiche, von deren Beziehungen zu ehiander 
in den bisher bekannten Quellen nirgends die Rede zu sefai 
scheint. Das spätere sinkt in Trümmer, als das frühere nodi 



IS 



Geschichte Turkestans. 



14 



eine ruhmreiche Zeit weiteriebt. Das östliche Reich, das frühere, 
wurde von den von China her eindringenden Qara Chitai ver- 
schont, das westliche von den Eindringlingen vernichtet. Suchen 
wir nach den Ursachen dieser auffälligen Erscheinung, so finden 
wir drei Faktoren wirkend: 1. die größere Schlauheit, Schmieg- 
samkeit der uigurischen Regierung und Bevölkerung, 2. die Starr- 
heit des Islams, 3. die geographische Lage. Um mit dieser zu 
beginnen, so konnten die Qara Chitai auf ihrem Zuge nach 
Westen ein halbwegs unabhängiges Staatswesen im Rücken be- 
halten , wenn sie das offene üind vor sich hatten und sie sich 
jeden Augenblick auf jenes zurückwerfen konnten; nicht aber 
konnten sie ein selbständiges kaschgarisches Reich belassen, wenn 
sie über das Hochgebirge nach Westen vordrangen, wie sie es 
wirklich taten, zumal ein islamisches, das von bitterstem Ha& 
gegen diese Götzenanbeter beseelt war. Dem islamischen Reich 
mußten die Qara Chitai ein Ende bereiten, wollten sie Sicherheit 
haben; sie führten das übrigens nach allen Berichten in möglichst 
milder Form aus, und die arabischen Historiker sind voll des 
Lobes über die freundlichen, gerechten Beamten, welche die 
Qara Chitai über das unterworfene Land setzten. Von den 
Uiguren hatten die Qara Chitai irgend einen Widerstand aus 
religiösen Grundsätzen nicht zu erwarten. Diese Manichäer, 
Buddhisten und Christen lebten ihrer Religion und der künst- 
lerischen Gestaltung des Kultes, die auch profane Kunstübung 
förderte. Es war ganz im Geiste dieses Gemeinwesens, daß der 
Idiqut, der Fürst, vor den fremden Eindringlingen sich beugte 
und sich im guten mit ihnen abfand. Es gelang ihm, die uner- 
wünschten Gäste ohne zuviel Schädigung loszuwerden. Wir 
kennen die Bedingungen nicht genauer, aber sicher bestand das 
Uigurenreidi auch nach 1120, nach dem Durchzug der Qara 
Chitai, weiter, wahrscheinlich als Vasallenstaat des Gorchän, wie 
sich der Fürst der Qara Chitai nannte. Das Unglück brach erst 
hundM Jahre später herein. Um 1200 erhob sich der gewaltige 
Sturm im Osten, der eine völlige Umwälzung der staatlichen 
Verhältnisse in ganz Asien brachte, der sich an den Namen der 
Mongolen knüpft. Wieder erwies sich der Herrscher des Uiguren- 
reiches, der Idiqut Bardschuq^^, als der geschickte Politiker. 
Auch diesmal hatte er einen Erfolg: mit ^ner Macht war es 
aus, aber er behielt den Titd Idiqut, und dieser ward 
auch seinen Kindern und Kindeskhidem. Das verdankte 
er einem Verrat an Stammesgenossen, den Naiman-Uigur, bei 
deren Unterwerhing er Dschingis Chan unterstützte. Eine be- 
sondere Ehrung ward dem Idiqut durch den Mongolenkaiser zu 
teil: er erhielt eine von dessen Töchtern, Jeliandun, zur Gemahlin *^. 



Geschichte Turkestans. 



Er nahm nun eifrig an den. Kimpfen seines Schwiegervaters teil 
und zeichnete sich in ihnen aus. Wie lange der Titel Idiqut von 
seinen Nachkommen geführt worden ist, wird nicht berichtet 
Jedenfalls werden Dschingis Chans Sohn, Dschaghatai, dem Tur« 
kestan zufiel» und seine Nachkommen mit dem Idiqut und seinen 
Leuten nicht viel Umstände gemacht haben. 

Ein Wort über das Problem: wie konnte sich in diesem 
Teile Ostasiens, in einem Lande mit türkisch-mongolischer, d. h. 
an primitiven sozialen Verhältnissen hangender und geistig nicht 
hervorragender, auch nicht durdh Pleiß und Beständigkeit aus- 
gezeichneter Bevölkerung ein Kulturstaat bilden, und nicht bloB 
bilden, sondern vier Jabrtiunderte sich halten? Die Lösung durfte 
in zwei Tatsachen liegen, die sich bei näherer Betrachtung auf 
«ine reduzieren: 1. die herrschenden, maßgebenden Faktoren dieses 
Kulturstaates waren nicht die Uiguren, nicht die Türken, sondern 
Fremde; 2. Die geographische Lage sicherte diesen Staat vor 
plötzlichen Überfällen von irgend einer Seite: im Norden Oebirge, im 
Süden und Osten Wüste, im Westen ein reines Türkenvolk und 
Jenseits desselben ein hoher Bergwall. Doch ist die zweite Er- 
wägung nicht von gleicher Bedeutung wie die erste. So sehr 
man auch den Geist und den Scharfsinn verbunden mit Gelehr- 
samkeit bewundern muß, die sich in Ratzeis politischer Geo- 
graphie zeigen ^1), so kann man doch dem Eindruck sich nicht ver- 
schließen, daß der EinfhiB, den die Oberflächengestaltung der 
Erde auf Staatenbildung und Staatenerhaltung übt, von ihm zu 
hoch eingeschätzt wird: er ist minim im Verhältnis zu dem» 
welchen die moralischen und geistigen Qualitäten der Bewohner 
üben. Man sagt: Flüsse verbinden. Berge trennen. Aber ein 
gewaltiger Fluß wird zur dauernden Grenzscluside zwischen Völkern» 
von denen keins Imstande ist, diese Scheidegrenze zu einer Ver- 
bindungslinie zu machen, und die höchsten Bergwälle hindern 
nicht das Überfluten von energischen Nehmem und Gebern, von 
Räubern und Kulturbringem '^. Auch bei dem Idiqutreiche 
machte die geographische Lage an sich nicht viel aus. . Dieser 
Punkt ist vielmehr zu formulieren: die geschickte Ausnutzung der 
geographischen Lage durch die intelligenten und gut berechnenden 
Herren des Landes brachten das Uigurenreich in die Höhe und 
fliehen es auf ihr. 

Als -die Macht der Idiquts durch die Mongolen gebrochen 
-ist, ist es mit dem Uigurenreiche aus, wir hören nicht mehr 
von einem selbständigen Uiguristan. Nur selten hören wir von 
den islamischen Fürsten, die In Turf an herrschen, als dleDsdia-' 
l^ataiden im westlich anstoßenden Kaschgarien das Szepter 
führten. Das wissen wir allerdings, daß die Angehörigen des 



IS 



Qeschtchte Turkestans. 



Uigurenreiches ihrem alten Ruhm als Träger einer feinen Kultur 
auch weiter Ehre machten. Wir wissen, daB sie lur Zeit der 
Mongolenherrschaft* historische Werke verfaßten, die unter anderm 
dem großen Historiker Raschiduddm als Quelle dienten. Gern 
verwandt wurden sie im mongolischen Staatsdienst als geschickte 
Administratoren, Organisatoren und Schreiber. Wurde doch die 
Schrift, deren sie sich bedienten, und die sie selbst von den 
nestorianischen Christen erhalten hatten , nun wieder von den 
Mongolen ihnen entlehnt, und ebenso auch, freilich in einer etwas 
erwetterten Form, für das Mandschurische verwandt. In ihrem 
Lande blieb zunächst, scheint es, Christentum und Buddhismus 
herrschend, vielleicht auch Manichäismus. Piano di Carpine im Jahre 
1246 und acht Jahre nach ihmRuysbroek treffen Christen und Götzen- 
diener im Gebiet des alten Uigurenreiches an. Doch das Land 
versinkt im Islam. Unerfreulich und unnütz ist es, von den 
wenigen Nachrichten zu sprechen, die uns aus der Zeit erhalten 
sind, wo im westlich anstoßenden Kaschgarien die Nachkommen 
Dschaghatais mit Mühe die Einheit des Staatswesens aufrecht 
erhielten. Es ist ein Gewirr von immerwährenden inneren 
Kämpfen, die kein Moment des Interesses bieten. Nur ganz am 
Ende dieser öden Zeit finden wir eine Periode, die unsere Auf- 
merksamkeit fesselt. Es ist die Zeit, welche zwischen dem letzten 
nennenswerten Vertreter des Hauses Dschaghatai, Abdurreschid 
Chan, und dem Beginn des gegenwärtigen Zustandes, der chine- 
sischen Herrschaft, liegt, zwischen ca. 1600 und 1758^^. In 
dieser Zeit besteht im Westen Turkestans ein islamischer Kirchen- 
staat unter dem Schutze einer weltlichen Ungläubigenmacht, ein 
kurioses Gebilde, über das wir ziemlich gute Nachrichten besitzen. 
Der Begründer, dieser Macht nutzt die geistige Minderwertigkeit 
des vorhin genannten letzten Dschaghataiden, um eine geistliche 
Dynastie zu begründen, die zunächst noch den Herrschern aus 
dem Hause Dschaghatai den Schein der Macht läßt, in Wirklich- 
keit aber das Land völlig in der Hand hat. Dieser Prozeß ging 
nicht plötzlich vor sich, sondern war lange vorbereitet durch die 
Verblödung des Volkes, hoteigeführt durch eine zahlreiche, selbst 
ganz in einem fast bis zum Wahnsinn gesteigerten religiösen 
Sdiwarmleben befangene Priesterschaft. Bei einigen dieser Leute 
geht neben dem religiösen Schwärmen eine unersättliche Gier 
nach Macht und Herrsdiaft her. An der Spitze stehen die 
Saijids, die angeblichen Nachkommen des Propheten, der 
Nationalität nach durchaus Perser oder Türken. Unter ihnen 
ragt hervor MachdamI A^zem, ein tiegabter und schlauer 
Politiker, der vorsichtig und doch zielbewußt darauf hinstrebt 
seinen Nachkommen eine Sonderstellung zu schaffen. Die Schein- 



i 



16 



Geschichte Turkestans. 



auf welche $ich die Macht dieser Saijids gründet, ist 
jott hatte das Licht, d. h. sein göttliches Wort — und 
der, wie der Logos im Anfang des Johannisevangeliums, 
- auf seinen Propheten Mohammed hemiedergesenkt 
nmed ging das Licht durch geistliche Erbschaft auf 
sr, Eunächst Stammesgenossen, wie Abu Bekr, dann 
Nachkommen. Jeder „legt das Ucht" dem folgenden 
vst*. Das Ist der Terminus für diese geistliche Erb- 
I 1520 hat nun von allen Saijids der Welt zuf&lllg 
:hdrim, der am Hofe des Dschaghataiden Abdurre- 

lebt, dieses Licht in Besitz, und er versteht es, seine 
m an diesen kolossalen Schwindel glauben zu machen, 
den Fürsten selbst, der dem frommen Manne einen 
n Einfluß einräumt. Mit zwingender Logik wird von 
[ommen des Heiligen, die wie Ihr Ahn den Titel 
Uhren, der Gedanke dahin ausgeführt, daß der, d^r 

leibliche und geistliche Erbnachfolger des Propheten 
Ks Ucht verliehen ist, der eigentliche Herrscher der 
Sit sei, und daß natürlich gestrebt werden müsse, ■ 
Schaft auch zu einer tatsächlichen zu machen, zunächst 
mischen Kreise, und von da aus sich ausdehnend. Wie 
ilich bei den lachenden Auguren geht, die auf die 

der Masse spekulieren, so gerieten sich auch hier 
die schlauen Spekulanten in die Haare; schon unter 
n Machdflms entsteht Streit, wer der wahre Besitzer 

ist. Das Land gruppiert sich: Kaschgar hält es mit 
en Sohn Machdams und seinen Nachkommen, Jarkend 
jüngsten und seinen Sprossen. Ein Jahrhundert nach 

Machdfims ist es glücklich so weit, daß einer dieser 

Herren des Landes in der Wut über seine Ver- 
aus der Macht zum Dalai Lama in Uiassa eilt und 
dem Oberhaupt des Buddhismus einen Befehl an den 
en (kalmückischen) Fürsten von Kuldscha geben läßt, 
stehen. Wir wissen aus den Berichten zahlreicher 

noch leixthin Sven von Hedins, welche Schwierigkeiten 
der Wanderung nach Lhässa von Norden her bietet, 
rscheint uns zunächst kaum glaublich, daß der ehr- 
odscha (Chodscha Xpüq ist sein Name) diese besdiwer- 
efährliche Reise unternommen habe^). Es ist aber hier 
[es Motiv zu beachten, das für ganz 2^entraiasien und 
|ilt: Entfernungen und Wegschwierigkeiten spielen für 
T keine Rolle. Es ist erstaunlich, wie oft wir in den * 
chen Berichten den E^ipeditionen Einzelner und größerer 
lassen begegnen auf ungeheure Entfernungen und airf 

nn, TurkMUm. 2 17 






Geschichte Turkestans. 



18 



schwer zu begehenden Pfaden, ohne daß ein Wort über diese 
Leistungen verloren wird. Sie sind selbstverständlich. Es liegt 
eben auch den angesessenen Türken der alte Wandertrieb uml 
die Wanderkraft im Blute. Dazu kommt, daß die Zeit im Orient 
nichts ist : der Aufwand an Zeit ist in den Augen des Zentralasiaten 
ein Gleichgiltiges. Endlich ist in betracht zu ziehen, daB das 
Wandern in Zentralasien, selbst unter den schwierigen Verhält- 
nissen — fast immer ungenügende Wohnung und Ernährung — 
eine so belebende, stärkende Wirkung auf den Organismus übt, 
daß selbst große Strapazen mit Leichtigkeit ertragen werden. 
"^Chodscha Apäq nun erhielt vom Dalai Lama das Gewünschte. 
Der Qalmaqenfürst gab ihm Truppen und der Chodscha konnte 
seine Machtstellung wiedergewinnen, freilich nicht die Gegenpartei 
des geistlichen Fürstenhauses völlig verdrängen, obwohl ihm alles 
dazu recht war, auch Gift und Meuchelmord, und obwohl er an 
seiner dritten Frau , einer Dschaghataidin , die ebenso schlau als 
skrupellos und gewalttätig war, eine ausgezeichnete Helferin hatte. 
Die Qalmaqen hatten das größte Interesse, den Parteizwist zu 
konservieren. Von den Chodschas selbst herbeigerufen, lassen 
sie diese nun nicht mehr los. Die Chodschas treiben zwar in 
den Städten ungehindert ihr Unwesen, aber die Qalmaqenfürsten 
haben beständig ein Auge auf das Land und haben immer 
Chodschas an ihrem Hofe, welche sie ausspielen, wenn ihnen 
eine Änderung der Verhältnisse erwünscht ist. Das geht so fort, 
bis der Qalmaqenherrschaft selbst ein Ende gemacht wird von 
den Chinesen. Wie es den islamischen Chodschas mit den Qal- 
maqen ging, so ergeht es diesen nun vonseiten der östlichen 
Nachbarn, durch deren Herbeirufung der Qalmaqenrebell Amur- 
sana eine verhängnisvolle Einmischung herbeiführt. Im einzelnen 
sind freilich Unterschiede. Denn für den Muslim ist es das 
größte denkbare Verbrechen, Ungläubige gegen die Glaubens- 
genossen herbeizuziehen. Der Qalmaq Amursana stand religiös 
nicht im Gegensatze zum Kaiser von China. Femer: die Herr- 
schaft der Qalmaqen ließ die alte böse Wirtschaft der Chodschas 
weiter bestdien; die im Jahre 17S8 beginnende Herrschaft der 
Chinesen schafft in ganz Turkestan verhältnismäßig Ordnung. 
Daß die Chinesen ihre Herrschaft auch über das islamische 
Kaschgarien ausdehnten, versteht sich von selbst; sie betrachteten 
sich nicht mit Unrecht als Rechtsnachfolger der Qalmaqen in den 
diesen unter w orfen en Gebieten. Seit 1758 hat die chinesische 
HerrsdiafI in Turkestan mit kurzen Unterbrechungen bestanden; 
von diesen nenne ich den Putsch, den der aus der Chodscha- 
Pamilie stammende Dschihingir Im Jahre 1826 zustande brachte, 
femer die Erhebung einer Anzahl Chodschas hi den fünfziger 



Geschichte Turkestans. 



l 



Jahren des vorigen Jahrhunderts. Wir wurden durch diese Er- 
hebung insofern berührt, als ihr ein deutscher Forscher zum 
Opfer fiel. Adolf von Schlagint weit wurde im Jahre 1857 
in der Nahe von Kaschgar durch den wahnsinnigen Wall Chan 
Tore ermordet ^\ Diese Tat und die sie begleitenden Umstände 
zeigten schon damals» daß die Chodschas nicht berufen seien, 
von neuem ein Reich in Turkestan zu gründen. Es kam auch 
nicht dazu, denn ein nichts weniger als heiliger Mann, ein Muslim, 
der sein Ld>en in Taschkend unter unerfreulichen Verhältnissen be- 
gonnen, sich aber zu einem tüchtigen Heerführec und Staatsmann 
ausgewachsen hatte, schob die frechen Usurpatoren beiseite, um 
seltet den Herrn zu spielen. Es gelang ihm glänzend: von^ 
1864—1877 führte Ja'qob Bek, im Volke noch heute bekannt 
unter dem Namen Badaulet, eine starke und im ganzen für das 
Land nicht ungünstige Regierung. Der alte Fluch der islamischen 
Länder, der Brudenwtst, gab sofort nach seinem Tode den 
Chinesen, die schon vorher den Angriff vorbereitet hatten, das 
Reich preis, und 1878 ward ihre Hernchaft in Kasdigarien wieder 
hergestellt. Wie das gewirkt hat, ergibt sich aus den folgenden 
Abschnitten. Es wird zunächst die ZI vfl -Verwaltung des Landes 
dargestellt, sodann ein Bild der kulturellen Verhältnisse g»* 
zeichnet und endlich die wirtschafdiche Lage betracMel wardeii» 
Ehi Ausblick hi die Zukunft schlieBt ab. 




19 




n 



□ DD I 



Die gegenwärtige Verwaltung Turkestans durch die Chinesen 
gestaltet sich so'^: 

Das ganze Gebiet, das westlich vom Jtimön-Tore liegt, bis 
zur russischen Grenze, bildet die »Neue Linie (Grenze)" Hsin-Qiiang, 
die neben den achtzehn alten Provinzen als neunzdinte t>ezeichnet 
werden kann. Doch ist diese Provinz nicht völlig selbständig. Sie 
gehört mit Kansu und Schensi zusammen zu der Generalstatt- . 

halterschaft des Tsung-Tu in Lan-Chou Fu (Kansu), der die all- I 

gemeine Aufsicht über die Zivil- und Militär-Regierungen der drei 
Provinzen hat und zugleich Zivil-Gouverneur für Kansu ist'^. 

An der Spitze der Provinz Hsin-Chiang fteht ein Zivil- 
Gouverneur (Hsün-Pu, nach Kornil öw auch Fu-Yüan oder 
Fu-T^ai genannt) mit dem Sitze in Urumtschi (Urumtsi, chinesisch 
Hung-Miao-TzQ). Nach dem Gesetze ist der Statthalter ver- 
antwortlich für die Ordnung in der Provinz und hat alle Zweige 
der Zivilverwaltung unter sich. Gegenüber den Trappen, die in 
der Provinz liegen, ist seine Machtstellung nicht scharf t>egrenzt. 
Da er für die äußere und innere Sicherheit des ihm anvertrauten 
Gebietes verantwortlich ist, so hat er Einflufi auf die Dislokation 
und hat das Recht, sich in die Anordnungen der höchsten 
militirischen Behörden, des Ti-Tu von Kaschgar, des Chiang-Chün 
von ni und des Hebei-Amban von Tarbagatai einzumischen und 
ihre Tätigkeit zu kontrollieren. Für den Frontdienst und das 
Exerzieren dagegen dependieren die Militärbehörden unmittelbar 
von dem Tsung-Tu, der einen besonderen Stab hat (Ying-Wu- 
Cha«^, 

Die nächsten Gehilfen des Gouverneurs bei der ZivlI- 
vcrwaltung sind: 

1 • der Fan-Ssfl (Korn. : Fan-T'aO oder Pu-Chßng-Ssü (Korn. : Pu- 
Tscheng-Sche-Sy), der Vizegouvemeur und Finanzkommissar 
der Provinz; er hat die Errtennungen zu allen Zivilämtem 
und die Finanzen unter sich; 

2. der Nieh-T'ai (Korn.: Ni-T*ai) oder An-O/a-Ss« (Korn.: 
An-Tscha-Sche-Sy), der Provfaizialoberrichter, der die höchste 
richterliche Instanz für die Entscheidung von Prozessen 
und die Aburteilung wichtiger Kriminalfälle (Mord und 
politische Verbrechen) darstellt; 

20 



I 



Verwaltung Turkcstaws. 



3. vier Tao-T'ais : von Kuldscha, von Urumtschi, von Aqsu und 
von Kaschgar. 

Das Tao-T'ai-Amt von Kuldscha*^ ist 1885 gegründet und 
offifafit die Regierungs-Bezirke lli und Tarbagatai; der Tao-Tai 
residiert in Kuldscha. Ihm unterstehen ^^i 

1. in Kuldscha das Haupt des Regierungs-Bezirkes (Pu) IH 
und der beiden ihm untergebenen Kreise (Hsien); 

2. in Oiin-O/a-Ho-Chi (?) der Tung-P^an, der den Unter- 
distrikt am Chorgos regiert'^); 

3. in Tschugutschak der Tung-chih oder Ting-Kuan, der die 
chinesische Bevölkerung des Regierungs-Bezirkes Tarbagatai \ 
regiert «2), 

Unter der Leitung des Tao-T'ai von Urumtschi be- 
finden sich'"): 

. 1. der RegierungS'Bezirk Urumtschi (Ti-Hoa-Fu), gebildet im 
Jahre 1899 aus den am Nordabhang des Bogdo-Qebirges ge- 
legenen Kreisen Urumtschi (Ti-Hoa-Hsien), Pou-Kang, Ch'ang- 
Chih, Sui-Lai (Manas), Ku-Cheng (Qutschen) und Ofi-Tai; 
an der Spitze steht der Chih-Fu mit einem Gehilfen, beide 
in Urumtschi Stadt. Den Häuptern der Kreise Urumtschi 
und Ch'ang-Chih ist je ein Gehilfe beigegeben; der des 
Chih-Hsien von Ch'ang-Chih regiert die Ortschaft Hu-Tubi ^); 

2. der Unterdistrikt (Ttng) Ching-Ho (Ching-He-T'ing), dessen 
Haupt, der 1*'ung-Chih oder Ting-Kuan, in der Festung 
Ching-Ho (Ching-He) iebt>»); 

3. der Unterdistrikt (T'jng) Kur-Karausu, dessen Tung-Chih 
in Shi-Ho lebt»«); 

4. der Unterdistrikt (Ting) Barkul; der T'ing-Kuan wohnt hi 
Baricul (chin. Ch^n-Hsi*)*^; 

5. das T'ing Ha-Mi oder Qomul; das Haupt Ist ein Tung- 
P'an, der die Rechte eines Gehilfen des T'ing-Kuan ge- 
nießt (soll wohl heißen: di^es Ting hat keinen Ting- 
Kuan, sondern nur einen Tung-P'an an der Spitze)**); 

6. das TingTurfan, von den Chinesen Kuan-Ang-Ch*6ng, von 
den Muslimen Köhne (Kone) -Turfan genannt, zum Unter- 

. schiede von Utsch-Turfan, das in Kaschgarien liegt; der 
Gehilfe des Ting-Kuan regiert die Ortschaft P^i-Clfan*^; 

7. der Distrikt An-Hsi, bestehend aus den Kreisen An-Hsi, Yu- 
M6n undTungHuang(Sa-chou); der Chih-U Chou residiert 
in An-Hsi*^. 

Kaschgarien ist in zwei Tao-Tai-Amter geteilt, Aqsu und 
Kaschgar. Der Tao-Tai von Aqsu hat alle nördlichen Oasen 
unter sich von Utsch-Turfan bis Qaraschar und das Lobnor- 



21 



Verwaltung TurkesUns. 



Becken. Dem Tao-Tal von Kaschgar untersteht das ganze 
westliche und südliche Kaschgarien bis zur Oase Tschertechen 
einschließlich. 

Unter dem Namen Tao-Tai-Amt darf man nicht eine be- 
stimmte territoriale Unterabteilung verstehen, die einer Person 
untergeben ist^^). Der Tao-T*ai kann zwei bis drei und mehr Be- 
zirke verwalten oder auch nur einen einzigen von den Zweigen 
der Regierung der ganzen Provinz. Der Tao-Tai ist nicht 
Administrator; er ist vielmehr für die ihm anvertrauten Bezirke 
ein Kontrolleur, Htiter und Dolmetsch des Gesetzes. Seine 
Stellung erinnert in vielen Beziehungen an die der Prokureure 
der russischen Provinzen zur Zeit Katharinas II. Ohne sich in 
die Anordnungen der lokalen Verwaltungsbehörden einzumischen, 
verfolgt der Tao-f ai nur den richtigen Gang der seiner Auf- 
sicht unterstellten Zweige der Regierung und berichtet darnach 
dem Gouverneur. So sind z. B. den Tao-Tais von Kasch- 
garien die Aufsicht über die Bewässerung, die Einziehung der 
Steuern und die Post übertragen; im Gerichtswesen be- 
schränken sich die Rechte und Pflichten der Tao-Tais darauf, 
daß alle Angelegenheiten, die zur Kompetenz der Bezirks- und 
anderer Behörden gehören, den Tao-Tais vorgelegt werden, und 
diese sie mit ihrer Meinungsäußerung an die höchste richteriiche 
Instanz der Provinz, die Regierung des Nieh-Tai weitergeben. 
Die richterliche und exekutive Gewalt ist den Tao-Tais von 
Kaschgarien nur veriiehen in bezug auf die nomadische Be- 
völkerung des Landes, die Mongolen des Qaraschargebietes und 
die Kirgisen. Der Tao-Tai von Kaschgar leitet außerdem die 
« Beziehungen zu den Fremden und den Auslandshandel. Offiziell 
führt er den Titel „Der Erhabnen Ta-Tsing-Dynastie Leiter der 
Zivilen und Handeteangelegenheiten und Trup|>enbefehlshaber in 
Kaschgar". Seine Militärvollmachten sind durchaus beschränkt; 
sie erstrecken sich nur auf die allgemeine Aufeicht über die Be- 
stellung von Posten im Grenzdienst. Alle Anordnungen über die 
Grenzposten erläßt der Tüp-Tai nur mit Wissen und Zu- 
stimmung des Ti-Tu, des Kommandierenden der Truppen; 
an den Letztgenannten gehen auch alle Berichte von der 
Grenze. 

Die Einrichtung der Tao-Tai*Amter in Kaschgarien wurde 
durch die Entfernung von. dem Verwaltungszentrum der Provinz 
Hsin-Chiang herbeigeführt. Man mußte eine nähere Aufeicht über 
die Tätigkeit der lokalen Verwaltung haben. Andererseits dienten 
dieselben Ursachen dazu, den lokalen Verwaltungsorganen eine 
große Selbständigkeit zu geben, weil der größere Teil der Ver- 
waltungsgebiete Kaschgariens Leitern mit dem Titel Chfh-Li unter- 



22 



Verwaltung Turkestans. 



steht, welcher Titel „unabhängig", »selbständig" bedeutet. Es 
sind Behörden, die das Recht haben, unmittelbar mit der Zentral- 
regierung der Provinz zu verkehren. Die geringe Bevöikerung 
der Oasen Kaschgariens verhinderte hier die Bildung von Chil^ 
Fu-Qebieten, die nach der Größe des Territoriums und der 
Menge der Bewohner die zweite Stelle nach der Provinz ein- 
nehmen. Die Bildung von Chih-Pus in Kaschgarien wie auch im 
übrigen Hsin-Chiang begann erst 1 899. Das erste Chih-Fu wurde 
im Frühjahr 1899 in Qaraschar eingerichtet anstelle des damaligen 
ring. 

Gegenwärtig stellt sich die Verwaltung Kaschgariens folgen- 
dermaßen dar. 

Dem Tao-Tai von Aqsu unterstehen^^: 

Der Distrikt (Chih-Fu) Qaraschar, umfassend das Becken 
des Bagratsch-Kul, . die Oase Kurla, die Niederlassungen am 
Kontsche-Darja, den Unterlauf des Jarkend-Darja von seiner 
Wendung nach Südosten ab und das Lobnor-Becken ; der Chih- 
Fu und sein Gehilfe wohnen in der Stadt Qaraschar ^^. 

Dem Chih-Fu Qaraschar untersteht das Haupt des Kreises 
Sin-Pin-Hsien, der 1 899, eingerichtet ist. Der neue Kreis umfaßt 
das Tal des Jarkend-DieujA zwischen den Mündungen des Ugen- 
Darja und Kontsche-Darja "(Situs des Kara-Kul) und dieLobnor- 
Pfanne. Das Haupt des Kreises und sein Gehilfe leben in der 
Stadt Sin-Q/6ng, auch Dural genannt, die 1891 am rechten 
Ufer des Kontsche-Darja, gegenüber Tykkelik, gegründet wurde ^^). 

Die Stadt Kuria wird von einem eingeborenen Bek ver- 
waltet*»). 

Der Sonderkreis (Ting) Ketschs, der hn Osten von dem 
Dorf Bugur, im Norden von dem Wasserscheidekamm des 
T'ien-Schan, im Westen von den Flüssen Qyzyl-Darja und 
Muzart-Darja und im Süden vom Jarkend-Darja begrenzt wird. 
Der ring-Kuan von Kötschft und sefai Gehilfe wohnen in der 
Stadt Kotschi. Der Flecken Schahjftr wird von einem ein- 
heimischen Bek regiert*^. 

Der Bezirk Aqsu (chinesisch Wien-Su-Chou), der fan Osten 
vom Ting Kötschä, im Norden von der Wasserscheide des 
T*ien-Schan, im Westen vom Aqsu-Darja, im Süden vom Tarim 
begrenzt ist; die Residenz des Besirkshauptes und sehies Ge- 
hilfen ist die Stadt Aqsu^^. 

Aus einem Teile des Bezirksgebietes ist der besondere 
Kreis Pai-Ch*6ng-Hsien gebildet mit dem Zentrum in Pai. Der 
Kreis * untersteht dem Chih-Li-Chou von Aqsu. Das Haupt des 
Krehes und sein Gehilfe leben in Bai (chinesisch Pal-Ofto^^. 



23 



Verwaltung Turkestans. 



Der Sonderkreis (T'in^ Utsch-Turfan, der von einem 
Ting-Kuan und seinem Qehilfen verwaltet wird. Die Grenze 
gegen das Gebiet des Tao-Tai von Kaschgar beginnt am Bot- 
manak-PaB auf dem Tschil-Tag-Gebirge und läuft zwischen den 
beiden Dörfern Dschady-Ürteng und Jakka-Kuduk zum Jarkend 
Darja**). 

Dem Tao-Tai von Kaschgar -unterstehen ^: 

Der Sonderkreis (T'iniO Maralbaschi, der an der Ver- 
einigung des Jarkend-Darja und Qyzyl*Su gelegen ist. Die west- 
liche und südwestliche Grenze des Kreises ist bestimmt durch 
die Linie der Dörfer Urdaklik, Tarim und Langar-Awat. An der 
Spitze des Kreises steht der Tung-P^an, Gehilfe des Ting- 
Kuan"). 

Der Bezirk Jangi-Schahr (Hang-Ch'6ng Chih-Li Chou) be- 
grenzt im Nordosten von den Tings Utsch-Turfan und Maral- 
baschi, im Süden und Sudwesten durch die Linie der Dörfer 
Builyk, Japtschan, Tschar-Mahale und der Pässe Kuruk-Art, 
Turbulfing und Ulufi-Rabat, weiche Linie ihn von dem Bezirk 
Jarkend und dem Ting Jangihisar scheidet, weiterhin durch die 
russisch-chinesische Grenze. Das Haupt des Bezirks und sein 
Gehilfe wohnen in der Festung Jangi-Schahr^*). 

Der größte Teil des Bttirks liegt nördlich vom Flusse 
<}yzyl-Su und westlich von einer Linie Kaschgar-Taschmalyq und 
ist mit der Stadt Kaschgar und dem nördlichen Teile von Sa- 
rykoi (den Tälern Klein Karakula, Budunkula, Mushi und Kijak 
Baschi) in einen besonderen Kreis Su-Fu-Hsien gebracht (das 
Su in dem Namen soll von Sule, dem alten chinesischen Namen 
Kasch;2ars kommen). Das Haupt des Kreises, der dem Chih-Li 
* Chou von Jangi-Schahr untersteht, und sein Gehilfe leben in der 
Stadt Kaschgar <^>). 

Der Sonderkreis (Tin^ Jangihisur, umfassend die Oase 
Jangihisir von dem Dorfe Japtschan im Norden bis zum Langar 
Majak im Süden, und im gebirgigen Teil Westkaschgariens die 
Becken der Flüsse Karatasch, Kenkol, Tschimgan, Urteng-Tuz 
und Tschaarlun. Der Thig-Kuan und sein Gehilfe wohnen in 
der Neustadt (Jangi-Schahr, Festung) von Jangihisar^. 

Der Bezirk Jarkend ^(chinesisch So-Chu Chih-U-Chou) um« 
faßt die ganze Oase von Jarkend, die sich im Norden bis Lailyq 
und Buil^ erstreckt, die Oasen Qargalyq, Guma, Sandschu, 
Pialma und den ganzen südwestlichen gebirgigen Teil Kasch- 
gariens bis zu den Grenzen von RuBland, Kandschut, Kaschmir 
und Tibet. Dem Chih-U-Chou, der in der Neustadt von Jarkend 
wohnt, unterstehen ^: 

24 



Verwaltung Turkcstani. 



DerHsun-Chiefi(H<Mmg:Siunkien, surveillant de police) 
der mit den Rechten eines Qehilfen des Kreishauptes die Be- 
völicening der Stadt Jaricend regiert. 

Der Chih-Hsien von Qargalyq; sein Kreis, chinesisch Ye- 
Ch'6ng-Hsien , umfaßt den südöstlichen Teil des Bezirkes» die 
Oasen Qargalyq, Ouma und Sandschu, das Becken des oberen 
Tiznab und das Raskem-Tal ^^. 

Das Haupt des Rayon Saiyqol; in ihn fallen außer dem 
sudlichen Teile von Saryqol (die Täler Qara-Tschuqur, Tagdym- 
basch, Taschqurgan und Tagarma) alle benachbarten Ortschaften, 
die über die Täler des Raskem-Darja und Taschqurgan-Darja 
oberhalb Kosarab und ihrer Zuflüsse Watschi, Tschupa und 
Marion zerstreut sind*^. 

Zjüm Haupt des Rayons wird gewöhnlich der Komman- 
dierende der Eskadron (berittene Langza) ernannt, die in der 
Festung Taschqurgan gamisoniert ist. Nach Ernennung und 
Vollmachten entspricht er dem Viertels-Pristaw in den russischen 
Kreisen. Er hat die allgemeine Aufsicht über die schweifende 
und ansässige Bevölkerung des Saryqol und bringt die Anord- 
nungen des Jarkender Bezirfcshauptes zur Ausführung, stellt auch 
auf dessen Befehl Ermittelungen an, hat aber kein Redit, Streit- 
sachen zu entscheiden. Für die Bevölkerung des Saryqol ist der 
Chih-Li Chou der Oerichtsherr. 

Der Bezirk Chotan ^*) umfaßt den sudlichen Teil Kasdi- 
gariens nach Osten vom Meridian von Piahna bis Tschertschen 
einschließlich. Das Bezirkshaupt von Oiotan und sein Gehilfe 
wohnen in der Neustadt (Jangi-Schahr) von Chotan. Der Hsun- 
Chien, der Gehilfe des Kreishauptes, regiert die Bevölkerung der 
Eingeborenenstadt. / . 

Tschira und die Oasen östlich davon: Keria, Polu, Nija, 
Tschertschen, Atschang und Sourgak bilden den Kreis Keria. 
(diinesisch Yu-T ien-Hsien). Das Kreishaupt, das dem Chih*U- 
Chou von Chotan unterstdit, und sein Gehilfe wohn^ in der 
Stadt Keria (Yü-Tien)W). 

Die aufgezählten Verwaltungsbehörden haben nach dem 
Gesetze nur die ansässige Bevölkerung unter sich. Die Pflichten 
dieser Beamten sind verschiedenartig: der Chi-Hsien z. B. hat fai 
seinem Kreise die Einziehung der Steuern und Auflagen, die Re* 
partierung der Frondienste, die PöstexpeditkHi, die ^Wässerung» 
den Polizeidienst, die Proviantmagazine, die Schulen unter sich; 
er ist auch die erste richterliche Instanz in Zhfflstreitsachen und 
Verfolger bei Kriminalverbrechen. Die Gerichte der Kazis, die 
der einheimischen Bevölkerung Kaschgariens vorbehalten sind» 
verhandeln nur Ehesachen, Erbschaftssachen und Beglaubignng« 



Verwaltung Turkestans. 



von Urkunden. Die Ting-Kuans und die Chou-Kuans (die 
letzteren in den Teilen des Bezirkes, die sich unter ihrer un- 
mittelbaren Leitung befinden) haben ungefähr die gleichen Ver- 
pflichtungen, nur daB sie größere Machtvollkommenheiten haben. 
Diese sind ziemlich ausgedehnt. Dem Kreishaupt ist das Recht 
bewilligt, Vermögen zu konfiszieren, Gefängnisstrafe bis zu einem 
Jahr zu verhängen, in den Block zu legen, an den eisernen Pfahl 
zu schmieden und körperlichen Züchtigungen zu unterwerfen, deren 
Maß von seinem persönlichen Gutachten abhängt. Todesurteile 
müssen vom Gouverneur bestätigt werden. 

Bei jedem von den Häuptern besteht eine Regierung mit 
einem ziemlich zahlreichen Status von Beamten, Schreibern 
(Hsieh), Dolmetschern (Tungtschi*^), Polizisten, Boten (Durga)*^ 
und anderen. Zur Erhaltung der Regierung wird jedem der 
Häupter jährlich eine bestimmte Summe ausgeworfen, die nach 
seinem Amte bemessen ist und unter die Regierungsbeamten nach 
seinem Gutdünken verteilt wird. Die Quoten dieser Summe sind 
im allgemeinen ziemlich bescheiden. Jedes der Häupter wünscht 
einen möglichst großen Teil zum eigenen Nutzen zu verwenden, 
beschneidet den Unterhalt seiner Untergebenen und verwendet 
jedes Gesindel in seinem Amt. Die Unterbeamten sind nun ge- 
nötigt, um sich zu erhalten, zu Bestechungen und jeder Art von 
Ungesetzlichkeiten ihre Zuflucht zu nehmen. Verhängnisvoll ist 
auch das System, die Häupter der Bezirke und Kreise auf eine 
bestimmte Zeit, meistens auf drei Jahre zu ernennen. Eine 
längere Belassung in demselben Amte geschieht nur in außer- 
gewöhnlichen Fällen. Jeder Ambal betrachtet nun den ihm 
anvertrauten Bezirk als sein ^Futter", und seine ganze Sorge 
' geht darauf, möglichst viel aus Ihm herauszupressen. 

Als unterste Verwaltungsorgane werden die Vertreter der 
Eingeborenen- Verwaltung betrachtet: die Bi^ks (Schanglias), 
Jüzbaschis, Onbaschis und Kukbaschis**). DieBeks entsprechen 
den Wolostvorstehem in Russisch-Turkestan. Jeder Bek regiert 
einen Teil der Oebbgsbevölkerung oder ein großes Dorf oder 
mehrere kleinere Dörfer. Die Zahl der Höfe in jedem B^k-Amt 
hängt durchaus von den lokalen Bedingungen ab: es gibt Bek- 
Amter mit nicht mehr als hundert Höfen, aber auch solche mit 
zehn- bis tfinfzehntausend. Der Schanglia regiert ein Quartier 
oder mehrere in den Städten. Der Jüzbaschi regiert Dörfer von 
hundert bis zweihtftidert Höfen, der Onbaschl zehn bis zwanzig 
Höfe. Der Kukbaschi hat die Aufsicht Ober die Instandhaltung 
der Kanäle (Aryq) und Deiche und die Verteilung des Wassers 
euf ^ Felder. 

26 



Verwaltung Turkestans. 



Die Pflichten der B^ks und der Juzbaschis beschränken 
sich hauptsächlich auf die Führung der Abgabenregister, auf die 
Einziehung der Steuern und Auflagen, die Verteilung der Natural- 
abgaben unter die Besitzer und die Aitfrechterhaltung der Ordnung 
in den ihnen unterstellten Amtsbezirken. 

Nur die Kukbaschis werden von den Oründbesitzem gewählt, 
deren Felder an einem Aryq liegen; sie erhalten von jedem Be> 
sitzer für ihre Bemühungen zwei Tscharik (ungefähr ein Pud oder 
16 kg) Weizen im Jahr. Alle anderen einheimischen Beamtet 
werden von der chinesischen Regierung ernannt. 

Für die Beks ist das Tragen der chinesischen Kleidung 
obligatorisch, die Kenntnis der chinesischen Sprache ist so gut 
wie obligatorisch. 

Ein bestimmtes Gehalt erhalten die eingeborenen Beamten 
nicht ; sie leben ausschlieBlich von Erpressungen. Die Ernennung 
zu den Ämtern, besonders zum B€k-Amt, bildet einen Hauptein- 
kommenposten der Kreis-, T'ing- und Distriktshäupter. Es be- 
steht eine besondere Taxe für die Bestechungen der Kandidaten 
nach GröBe, Bevölkerungsart und Ergiebigkeit der B^k-Amter. 

Außer diesen durch den Gebrauch geheiligten Einnahmen 
bieten noch die verschiedenen Feiertage, die Feststage in der 
Familie des Ambans und alle möglichen Vorfälle in der Beksdiaft 
Anlafi zu außerordentlichen Erpressungen von den Beks. Natür- 
lich muß schließlich alles das Volk bezahlen. 

So lastet denn diese Eingeborenen-Verwaltung schwer auf 
der Bevölkerung, die noch außerdem durch die unmäßig hohen 
Steuern und Frondienste gedrückt ist. 

Nach dem Gesetz zahlt die ansässige Bevölkerung Steuern 
vom Boden und leistet Frondienste. Die Bodensteuer wird hi 
natura erhoben von Getreide, Stroh und Brennholz, wobei nidit 
nach der Quantität der jährlichen Ernte, sondern nach der 
Größe des Grundstücks gerechnet wird, ohne Rücksicht darauf, 
ob es bearbeitet wird oder nicht. Bei der Einrichtung der 
chinesischen Regierung nach dem Falle. Ja'qäb Bsks wurde alles 
Land fai Privatbesitz vermessen und nach seiner Fähigkeit zur 
Bearbeitung in drei Stufen geteilt mit entsprechender Ber 
lastung : 

Es werden erhoben im Jahre von 1 Mou**): 

Getreide Stroh * 

Erste Stufe 5 Sheng*") 5 Chin«^ 

Zweite Stufe 3 « 3 » 

( Dritte Stufe \\l% w 3 * . 

Bei Brennholz werden 5 Chin von jedem Mou genommen. 



>, 



27 



Verwaltung Turkestans. 



28 



Von Kronländereien, die sich in Privatbesitz befinden, wird 
die Steuer doppelt erhoben. 

Der Frondienst beschränkt sich auf die Stellung von Ar- 
beitern und Materialien bei der Ausfuhrung der veiichiedenen 
Regierungsbauten, femer auf die Stellung von Fuhren zum 
Truppentransport und für Regierungslasten. Als Grundlage für 
die Verteilung der Frondienste dient die Tschoka, die Zählein- 
hait, die im Mittel aus 15 Höfen besteht*^. Jede Tschoka stellt 
nach Erfordernis einen Arbeiter, eine Fuhre und ein bestimmtes 
Quantum Baumaterial gegen Zahlung aus der Regierungskasse, 
die übrigens ein Zehntel *des Wertes des gelieferten Materials 
nicht überschreitet. 

Indirekte Steuern sind die beim Verkauf von Vieh er- 
hobenen und zwar in |[leicher Weise vom Verkäufer und vom 
Käufer in Höhe von 4% der Kaufsumme, und die Steuer auf 
Mühlen von 6 Rubel jährlich für jeden Mühlengang. 

Die Handwerker in den Städten, die zu Zünften unter der 
Leitung des Altmeisters (Tschong-Usta) vereinigt sind, sind ver- 
pflichtet, auf Verlangen der Regierung für die Krone fünf Tage 
im Monat zu arbeiten für die Zahlung von 80 Pul (ungefähr 
40 Pfennig) für jeden Arbeitstag. Arbeit längerer Zeit wird nach 
Vereinbarung gezahlt 

Alle Personen, die keiiijen Qrundbesttz und kein unbeweg- 
liches Eigentum haben, sind von allen Eintreibungen zugunsten 
der Regierungskasse frei. Die ganze Steuerlast ruht also auf der 
latidbauenden Klasse der ansässigen Bevölkerung. Setzt man 
alle Arten Steuern und Abgaben in Geld um, so übersteigt die 
jähriiche Belastung dieser Klasse nicht 2 Rubel pro Kopf. Man 
kann sie also nicht hoch nennen. In Wirklichkeit ist aber die 
Belastung infolge der Willkür der Lokalverwaltung und des gänz- 
lichen Mangeis an Kontrolle seitens der Zentralregierung unver- 
gleichlich höher. 

In der Regel wird die Bodensteuer im Monat August ge- 
zahlt, wobei jeder Zahler verpflichtet ist, das in den Listen der 
Höfe genau bezeichnete Quantum von Komfnicht (in gleicher 
Weise Weizen und Mals), Stroh und Brennholz in die Bezirks- 
oder Kreisstadt zu bringen und sie gegen Quittung in die Re- 
gieningsmagazine einzulidem. Aus diesen Magazmen gehen dann 
die Erzeugnisse zur Verpflegung der Truppen aus. In den Be- 
zirken und Kreisen mit einer groBen Menge Truppen wird 
die Oetreidesteuer in natura angenommen, wobei durch Er- 
gänzungsbestimmungen und die gewissenloseste Obervorteihmg 
des Zahlers bei Übernahme der von Ihm übergebenen Boden- 
eneugnisse diese fast um das Doppelte zu hoch erhoben werden. 



i/ 



Verwaltung Turkestans. 



In den Bezirken mit wenig Truppen wird die Naturalsteuer in 
Geld umgesetzt nach einem willkürlich hohen Preise, der den 
wirklichen Bazarpreisen durchaus nicht entspricht. Dabei wird 
die Vorweisung eines gewissen Quantums in natura verlangt, 
und dieses zu Preisen übernommen, die nur die Hälfte oder ein 
Drittel der Marktpreise sind. 

Noch größere ^Mißbrauche werden bei der Ableistung der 
Frondienste begangen. Arbeiter und Fuhren werden immer in 
einer Menge verlangt, die bedeutend über.' das Bedürfnis hinaus- 
geht, und es wird dabei weder auf die Entfernung von dem Orte 
der Arbeit noch auf die Jahreszeit Rücksicht genommen; Arbeiter 
wie Fuhren werden nicht selten ohne Not zurückgehalten und 
empfangen für diese Zeit nicht die geringste Entschädigung. Der 
Mangel der Kontrole und die Käuflichkeit der niederen Angestellten 
geben den besser situierten Personen die Möglichkeit, sich von 
dieser Leistung loszukaufen, die dann mit ihrer ganzen Schwere 
auf den Armeren lastet. 

Bei der Willkür der lokalen Behörden werden femer Geld- 
erhebungen eingeführt, die vom Gesetz nicht vorgesehen sind. 
So wurde im Jahre 1900 In Jarkend und Jangihis&r die Steuer 
beim Verkauf von Vieh auf Anordnung der Ortsambale in eine 
Auflage auf das gesamte der Bevölkerung gehörige Vieh ver- 
wandelt unter dem Vorwande, daft dieses Vieh irgend einmal 
gekauft sei oder von gekauftem Vieh stamme. Diese Auflage 
wurde nach den Unruhen, die im September 1900 in Jarkend 
stattfanden, abgeschafft. 

In demselben Jahre wurde von dem "Ting-Kuan von Jangi- 
hisftr das Tschitschek-Puly, d. h. Geld für die Pockenimpfung, 
eingeführt. In anderen Bezirken erfand man Kopfsteuern uml 
Rauchfangsteuem, von denen nichts im Gesetz steht. 

Im allgemeinen sind die sämtlichen Steuern und Leistungen, 
gesetzliche und ungesetzliche, die die landbauende Bevölkerung 
zahlen muß, so h<Kh, daß sie nach einer ungefähren Berechnung 
sich auf 30 bis 40 % des jährlichen Bodenertrages belaufen. Dazu 
kommt, daß die Bevölkerung, besonders die der ärmsten Klasse, 
sich keines Rechtsschutzes erfreut: die Bestechlichkeit, die bei 
hohen und niedem Beamten verbreitet ist, wendet alles immer 
tum Nutzen des Reicheren und Stärkeren. Dieser Zustand er- 
schüttert die ökonomischen Bedingungen und erregt den Unwillen 
der Bevölkerung, aber die chmesisdien Herrscher kümmern sich 
ausschließlich um den persönlichen Nutzen und schenken den 
Nöten der Bevölkerung keine Beachtung, ja, bemerken sie nicht 
einmal. Sie kennen die Sprache der Eingeborenen nidit, die ^ 
mH der höchsten Verachtung behandeln, und verkehren, mit Ihnen 



29 



Verwaltung Turkestans. 



nur durch die Beks und Dolmetscher, die als Hauptausbeuter 
natürlich nicht bemüht sind, die Klagen des Volkes zu Gehör zu 
bringen. 

In besserer Lage befindet sich die nomadische Bevölkerung 
Kaschgariens, die Mongolen des Distriktes Qaraschar und die 
Kirgisen. In Kaschgarien unterstehen die Nomaden, den Tao* 
Tais von Aqsu und Kaschgar direkt Behufs bequemerer Ver- 
waltung sind die Nomaden, die im Gebiete eines bestimmten 
Kreises oder Bezirkes weiden, dessen Haupt oder einem be- 
sonderen Beamten unterstellt. So gehören die Mongolen von 
Qaraschar zum Amt des Chih-Fu von Qaraschar, die Kirgisen 
des Tao-T'ai-Amtes von Aasu unt^tehen den Häuptern der 
entsprechenden Kreise und T tngs, die Kirgisen, die im Gebiet 
des Kreises Kaschgar weiden, dem Beamten für die Angelegen- 
heiten der auswärtigen Beziehungen bei der Regierung des Tao- 
Tai von Kaschgar®^, die Kirgisen von Saryqol dem Haupte des 
Saryqol-Rayons , die Kirgisen von Raskem dem Haupte des 
Kreises Qargalyq. 

Die Mongolen des Bezirkes Qaraschar zerfallen in sieben 
Choschun*^, d.h. Fahnen, die von eingeborenen Fürsten , genannt 
Tsasak. regiert werden, jedem Tsasak sind zwei Gehilfen, Tu- 
sanaktschi, beigegeben. Die Choschune zerfallen in Sumune, die 
den kirgisischen Aul entsprechen; die Sumune regieren gewählte 
Tsiang oder Tsiangin. Die Tsiange führen die Anordnungen des 
Tsasak aus, sprechen Recht und ziehen für den Tsasak die Ab- 
gaben ein, von denen ein bestimmter Prozentsatz für die chine- 
sische Lokalverwaltung abgezogen wird. Die Macht des Chih-Fu 
von Qaraschahr gegenüber den Mongolen ist durchaus begrenzt : 
ihm liegt nur die allgemeine Aufsicht über die Tätigkeit der 
Eingeborenen -Verwaltung und die Entscheidung von Prozessen 
ob, in weichen die andere Partei einer anderen Nationalität an- 
gehört, also Prozessen zwischen Mongolen emerseits und Chinesen, 
Dunganen oder Tschantu^^ andrerseits. 

Die Kirgisenbevölkerung Ka^gariens wird von B€ks ^^)regiert, 
die den russischen Wolostregenten entsprechen ; jedem B€k unter- 
stehen 100 bis 250 Kibitken; als ihre Gehilfen fungieren der 
Juzbaschi »Hunderthaupt" und der lllikbaschi Mpünfzighaupt". 
Die Beks, Jüzbaschls und IHIkbaschis werden vom Kreishaupt 
oder dem Haupte des Kirgisenrayons ernannt und vom Tao-T'al 
bestätigt. Der Polizetdtenst wird von einigen überzähligen Beamten 
aus den Kirgisen geübt. Die richterliche Gewalt ist bei dem 
chmesischen Beamten, in dessen Gebiet die Sache gehört ; zweite 
Instanz ist der Tao-T'ai. 



30 



Verwaltung TurkestansT 



Qehalt aus der Regierungskasse erhalten die einheimischen 
Beamten nicht. Für die Beks bezahlt die Bevölkerung Charadsdi 
und Zaket ^^. Das Charadsch bezahlen nur die Landbau treibenden 
Kirgisen und zwar ein Punfzehntei der jährlichen Ernte; das 
Zaket wird vom Vieh erhoben und zwar von hundert Schafen 
ein Schaf, von zehn Pferden ein Schaf oder zwanzig Tenge, von 
fünf Kamelen ein Schaf oder zwanzig Tenge. Hornvieh zahlt 
nichts. Von Abgaben an die Regierungskasse ist die kirgisische 
Bevölkerung durchaus befreit. Doch ist sie verpflichtet, gegen 
bestimmte Bezahlung Heizung für die Befestigungen an den 
Straßen von Irkeschtam und Naryn zu liefern, ebenfalls gegen 
Bezahlung an einigen Stationen, dieser Straßen eine bestimmte 
Zahl von Postdschigiten zu halten, und Qara'ule zum Schutz der 
Grenzen zu stellen. 

So erfreut sich denn die nomadische Bevölkerung Kasch- 
gariens, besonders die Kirgisen, bedeutender Privilegien, und die 
ansässige Bevölkerung hat die ganze Last der willkürlichen chine- 
sischen Verwaltung zu tragen. Mit der Befreiung der Kirgisen 
von Steuern und mit der Verieihung von allerlei Privilegien und 
Belohnungen, wie z. B. des Titels Sau-Kuan ^') (Korporal in einer 
Kavallerie-Langza und von Rangklassen, verfolgte die chinesische 
Regierung einen ganz bestimmten Zweck : sie wollte dadurch die 
Grenzb^ölkening an sich ziehen und in ihr bei inneren Schwierig- 
keiten und gegen äußere Feinde ein^ Stutze haben. Die Rechnung 
stimmte aber nicht. Die Kirgisen betrachteten diese Freundlich- 
keiten nicht als eine Großmut, sondern als eine Schwäche der 
Regierung und als ihr gutes Recht; statt Unterwürfigkeit und 
Dankbarkeit zeigen sie den Chinesen eine vollkommene, unver- 
hullte Verachtung und würden sich gamicht bedenken, wie in 
früheren Jahren an jedem Aufstande teilzunehmen, der etwa im 
Lande aufloderte. 

Hat so die chinesische Regierung nur das Gegenteil ihrer 
Absichten erreicht, so gab ihre kurzsichtige Politik zugleich An- 
laß zu Mißverständnissen an der russischen Grenze. Die Pri- 
vilegien der chmesi&chen Kirgisen wurden für ihre Stammes- 
genossen in Fergana.. und Semtrjetschie eine Verführung, auf 
kaschgarisches Gebiet überzutreten. 

Meine persönlichen Beziehungen zu den chinesischen Beamten 
waren durchaus angenehme. Die Herreh sind mir stets, freund- 
lich entgegengekommen« Von den Beobachtungen, die idi im 
einzelnen madhte, erwähne ich hier das, was die obi^ syste-^ 
matlsche Darstellung aus dem Leben ergänzt. 

In Kaschgar machte Ich am vierten Tage nach der Ankunft 
die durch Karten-Obersendung eingeleiteten Elesuche bei den vier 



31 



Verwaltung Turkestans. 



32 



Hauptbeamten. Im Palais des Tao-Tai wurde ich zunächst von 
dem politischen Beamten, dem Tung-Schang^^) in Empfang ge- 
nommen, einem dürftigen Herrchen. Der Mann sprach etwas 
russisch, das er, versicherte Herr Petrowski, in Unimtschi ge- 
lernt; dort sitze ein alter Chinese, der einmal nach Petersburg 
geschickt wurde und ganz gut russisch spricht; der drille privatim 
seine jüngeren Landsleute (hat. die russische Regierung ihre Hand 
im Spiel?) in der Sprache der westlichen Nachbarn, übrigens 
vervollkommene sich der Tung-Tschang täglich in der fremden 
Sprache — kein Wunder, denn man wußte in ganz Kaschgar, daß 
er immer im russischen Konsulate stecke und völlig in der Hand 
Herrn Petrowskis sei. Der Tung-Schang nahm von meinem Paß 
Kenntnis und bat mich, ihn der Regierung noch besonders vor- 
zulegen. Diese Bitte erscheint seltsam, da er mir in Mingjol, 
der letzten Station vor Kaschgar, von einem chinesischen Be- 
amten abgenommen worden war. Es war (und ist?) aber der 
Brauch, daß der in Mingiol abgenommene Paß von dem Fremden 
auf dem russischen Generalkonsulat abgeholt wird. Es ist kaum 
glaublich, daß das mächtige chinesische Reich einen solchen Zu- 
stand duldet, der höchst ehrenrührig ist. Ich hatte nicht übel 
Lust, mich um diesen gewalttätigen Übergriff nicht zu kümmern 
und meinen Paß von den Chinesen zu verlangen. Das hätte 
aber sofort einen Konflikt gegeben, der zu vermeiden war. Man 
sieht eben daraus, mit welchen Unglaublichkeiten man rechnen 
muß, wo kussisches hineinspielt. Natüritch hatte die Regierung 
in Kaschgar längst Kenntnis von meinem Paß. Daß sie ihn jetzt 
zu studieren wünschte, sollte markieren, daß sie von seiner Ober- 
gabe an das russische Konsulat dljurch ihre Vermittlung amtlich 
nicht Kenntnis habe. Endlich wurde ich zu dem Tao-lTai ge- 
führt, einem würdigen alten Herrn — alle älteren chinesischen 
Beamten sind würdig — , mit dem nur die banalen Phrasen ge- 
macht wurden. Von ihm gings zum Ti-T'ai^^), der mir 
als Haupt des Kreises Kaschgar bezeichnet wurde; ich fand einen 
schmächtigen, jungen Mann von 20 — 25 Jahren (man erklärte 
mir später die Karriere dadurch, daß der junge Herr Sohn des 
Generals sei, der den Chinesen Kaschgarien wiedenroberte und 
der unweit der großen Straße zwischen Alt-Kaschgar und der 
Chinesen-Stadt (Jangischahr) ein Mausoleum hat), der mit seinem 
einen Gesicht und (kn klugen Augen den Eindruck machte, der in- 
teDigenteste von der Gesellschaft zu sein; er hat etwas englisch 
gelernt und stand in freundlichen Beziehungen zu der Britischen 
Agentur; er klagte, daß es schwer. sei, sich in der heimischen 
gristigen Bewegung auf dem Laufenden zu erhalten : Bucher seien 
hl AH-Kaschgar gar nicht, in Jangischahr nur beschränkt zu be- 



Verwaltung Turkestans. 



r« 



kommen; von Zeitungen könne er nur die Staatszeitung mit den 
Edikten lesen. Der letzte Besuch wurde beim nGeneral" gemadit« 
der als Hsie-Tai die Stadt-Oamison unter sich hat^^. 

In Jarkend gestaltete sich der Verkehr mit dem Ambal^ 
(Chou-Kuan) recht freundlich. Im Anfang schien es eine Ver- 
stimmung geben zu sollen. Herr P^in konnte sich gar nicht be- 
ruhigen, dafi ich mich nicht sofort bei ihm sehen ließ. Am 
13. Dezember nachmittags kamen wir in Jarkend an. Es stellte 
sich alsbald ein Mehemed Onus (J^fnis) Bek im Auftrage des 
Ambais zur Verfügung, ein Mann, der mir als Aqsaqal der hl 
Jarkend lebenden Badachschan -Leute und Vertrauensmann des 
Ambais für den Verkehr mit den Fremden bezeichnet wurde; ' 
namentlich habe er bei Eintreffen solcher für ihre Unterkunft und 
Bequemlichkeit zu sorgen. Am 14. und 15. Dezember ließ nun 
der Ambal mehrfach nach mir fragen; aber erst am 15. sandte 
ich ihm meinen Paß mit Ansage des Besuches für den nächsten 
Tag. Das uns zur Verfügung gestellte Haus der Schwedischen 
Mission war ja ein Palast gegen die andern Häuser des 
Städtchens, war aber, da lange Von Europäern unbewohnt, recht 
verwahrlost, und so gab es die ersten zwei Tage alle Hände voll 
zu tun, um mit Hilfe der ganz außergewöhnlidi unfähigen Hand- 
werker das Nest einigermaßen wohnlich zu machen und den . 
gleich nach meinem Besuch zu erwartenden Besuch des Amtwls 
empfangen zu können. ' 

Die Berührung bei meinem Besuche war eine durchaus 
freundliche. Obwohl der Tungtschi (Dolmetscher) seine Sache 
sehr schlecht machte und die Unterhaltung mehr durch die Mit- 
wirkung des intelligenten Mehemed Onus geführt wurde, gelang 
es mir doch, sie nicht in dem üblichen banalen Phrasengewäsch 
untergehen zu lassen. Der Ambal gab willig Auskunft: »Hier . 
ist nichts Chinesisches. gedruckt, außer dem Wenigen, was die 
Regierung drucken läßt, z. B. Maueranschläge, die durch Block- 
druck vervielfältigt werden;- chinesische Buchläden gibt es nicht; 
ich persönlich habe eine ganz gute Sammlung von Büchern*. 
Als ich von den großen Kaisem Kang-Hst und Tsten-Long sprach^ 
ließ der Ambal eine; hübsche Shanghai-Ausgabe des bekannten 
Wörterbuches Kang-Hsis kommen und wir besahen deren erstes 
P6n. Das Oesicht des Ambal leuchtete^ als er von setner 
nationalen Literatur sprechen konnte, und er war sichtlich erfreut, . 
bei dem Fremden Interesse für. sie zu finden. Von Deutschland 
wußte er freilich garnichts, auch nichts von Polin (Berlin). Als 
Ich mein Befremden ausdrückte, daß an* den Mauern und Toren 
sich so viele Anschläge in chinesischer Sprache finden, die doch 
die Bevölkerung nicht lesen könne i gab er zu, daß es mit dem 

Hartmann, Turkestan. 3 33 



Verwaltung Turkestans. 



34 



Unterrichtswesen schlimm stehe; doch sei es in den letzten 20 
Jahren besser geworden. Leider hat man nichts davon verspürt. 
Am Abend selbigen Tages kam der tibiiche Dästfirchnn ^') mit 
18 Schüsseln und einer Kann^ Schnaps, in einem zweistöckigen 
Gestell von zwei Mann geschleppt. Die Sachen waren für einen 
nicht-chinesischen Magen fast alle ungenießbar, mußten aber mit 
einem Geschenk von zwei Rubel an den die Überbringung leitenden 
Beamten honoriert werden. 

Bei dem Gegenbesuche am 20. Dezember, dessen Ver- 
spätung er mit vielen Worten zu entschuldigen bat, war der 
Ambal recht gesprächig. Ich knüpfte daran an, daß er vor seiner 
vor zwei Jahren erfolgten Versetzung nach Jarkend in Kr^tschä 
gewesen sei, und fragte, welcher Platz ihm besser gefalle. „ Jarkend 
ist größer als Kr>tschä, aber hier ist kein Leben, die Leute sind 
arm und verstehen nichts als etwas Landwirtschaft; Jarkend ist 
eine Stadt von Bauern ; Kötschi ist reich an .rührigen und ge- 
schickten Handwerkern.* Daß man einmal in Jarkend etwas 
leistete, zeigte ich ihm an einem schönen in Jarkend geprägten 
Kupferstück aus der Zeit des Kaisers Hsiang-Fun '^. Er betrachtete 
es aufmerksam und klapperte dann an den Fingern die Ta-Ts'ing- 
Kaiser herunter, um zu konstatieren, daß ich den Kaiser Hsiang- 
Fun richtig den siebenten der Dynastie genannt hatte. Meine 
Bitte, mir Exemplare von allen Maueranschlägen zu senden, ver- 
sprach er zu erfüllen, tat es aber nicht. Ich vermute, ich habe 
dadurch sein Mißtrauen geweckt, ebenso wie durch die Bemerkung, 
daß sich der Bau eines Schienenweges zwischen Kaschgar und 
Jarkend empfehlen würde. Zweimal war ich von Herrn Fin zum 
Diner geladen, das beide Male sich etwa drei Stunden ausdehnte. 
Doch diese Mahlzeiten sind so oft beschrieben, daß ich von dem 
Bericht über die genossenen Haifisch-Fk>ssen und die drei Monate 
in Fett konservierten Eier Abstand nehme. 

Gelegentlich kam ich auch in Berührung mit den islami- 
schen Türken, die als Bsks in Diensten der Regierung stehen. 
Doch machte ich hier besondere Erfahrungen nicht ^. Zu er- 
gänzen ist jdas oben über die von den Chinesen anerkannten Ein- 
geborenen Gesagte durch eine Bemerkung über die Wangs, die 
Vertreter der alten Adelsgeschlechter, vor allem des der Chodschas, 
die ab halb unabhängige Feudalherren in einer Oase gebieten, 
von der Regierung anerkannt sind und nominell ganz untertänige 
Diener des Chans in Betschin (Peking sind. Die Chinesen 
sahen in diesen Wangs, von denen es früher eine ganze Anzahl 
gab, wohl Immer eine Gefahr und suchten sie abzuschaffen. Es 
gelang Ihnen auch zum Teil. Heute gibt es nur noch Wangs 
in Aqsu, Turfan, Luktschun und Qomul. In Aqsu gab es 



Verwaltung Turkestans. 



lange Zeit keine Wangs, bis vor einiger Zeit ein junger SproS 
des alten Wang-Qeschledites seine Rechte energisch geltend . 

machte und an der Hand von Urkunden (wohl mehr noch durch - l 

klingende Argumente) seinen Anspruch auf die Wang-Wurde 
durchdruckte. In Jarkend war im Jahre 1222 d. H. (1807/08) 
Jünus Wang Herrscher, denn da baute er die Chineqft-Medrese 
genannte Schule, und im Jahre 1238 (1822/3) war BaiM Bek 
Wang von Jarkend, der sich das hübsche Mausoleum bauen 
ließ, das eine Merkwürdigkeit der Stadt bildet Ober die Wang- 
Verhältnisse von Kaschgar habe ich keine Notizen. Der Wang 
von Turf an (oder sein Sohn), der sich Ende 1902 in Kaschgar 
aufhielt, stand in dem Rufe, Mandschurisch lesen zu können. In 
Kaschgar sagt man, der Chtn Chinas habe 44.Wangs unter sich, 
davon seien 40 Qalmaqenfursten, 4 Türken; verlangt wird von 
ihnen, daß sie des Chinesischen und des Mandschurischen in 
Sprache und Schrift mächtig seien. Pater Hendricks berichtete mir 
über eine im Volke umgehende Meinung, der Chan von China 
habe 99 Wangs unter sich, davon seien 50 Tibeter, 49 andere; 
er selbst sei der hundertste Purst (man erkennt leidit die Parallele 
zu Allah und seinen 99 schönen Namen). Anders ist die offizielle 
Version unter den diinesischen Beamten. Beim Diner des Ambal 
am 27. Dezember brachte ich das Qespräch auf die Wang- 
frage; Herr P'in erklärte eifrig, .es gebe nur drei von der Re- 
gierung anerkannte Wangs, die von Qomul, Turf an und Kötschft; 
der von Aqsu werde vom Volke zu Unrecht för einen solchen 
angesehen, er werde von der Regierung nicht anerkannt (Es 
scheint mir, daß die Sache schwebt, daß aber die l^t>vinz* 
Beamten sie durch einseitiges Negieren aus der Welt schaffen 
wollen.) In Chotan sei -ein Türke von. der Regierung anerkannt 
als Kunje, das sei weniger als Wang.. Was ich sonst über Wangs 
notierte, ist folgendes: Der Ahn der Wangs in Turfan ist Emin . 
Challyq (für Chanlyq « Chan); der hatte neun Söhne« Der 
Hauptsohn, der ihm in Turfan folgte, war Peridmi Wang, 
dem in direkter Deszendenz folgten : Mehemed Sa*id, 
Apridon («: Peridon) Wang, Sultan Mahmttd Wang und 
Emin Wang, der 1902 Wang von Turfan war iind es nodi jetzt 
sein soll. Da von Emin Challyq bis 1902 fünf Generationen 
sind, wird man ihn um 1780 ansetzen dürfen. Das stimmt da- 
mit, daß weiter berichtet wurde : Emin Challyq hatte außer Peri- 
don noch einen Sohn, Iskander, der Wang von Kaschgar wurdt 
und mehrere Söhne hatte, lonus Wang, nach ihm Wang von 
Kaschgar, und lsma*il Tadschi"), Hakim von Jarkend und Erbaner 
der Aq Medrese dort (vgl. S. SO). Ein anderer Nachkomme des 
Emin Challyq soll Wang von Kotschi gewesen sefai. Es wnrde 

3» 3$ 



Verwaltung Turkestans. 



mir versichert, dafi die Geschichte dieser Wang-Pamilie sich nur 
in der Hand des Wangs in Turffan befinde"^. Aus allem geht 
hervor, daß der Ur-Wang von Turfan, Emin Challyq» und seine 
Nachkommen eine kluge Hauspolitik triet>en. 

Das ist anzuerkennen, daß die chinesische Regierungs- 
maschine mit einer gewissen Regelmäßigkeit arbeitet und daß bei 
den Bewohnern der Städte, die nicht die Steuerbedröckungen der 
Bauern zu leiden haben, und den Kirigisen diese Regierung sich 
der Beliebtheit erfreut, weil sie jedes Sicheinmischen in die Ver- 
hältnisse der Bevölkerung möglichst vermeidet. Ein Vergleich 
mit der russischen Regiererei, die in alles ihre Nase steckt, und 
deren Verwaltungsbeamte zum größeren Teil unerträgliche Intri- 
ganten sind, ffällt nicht zugunsten der Russen aus. Die Kehr- 
seite des Chinesentums wird dabei wenig beachtet: die Gleich- 
giltigjceit gegen das Wohl des Landes als Gesamtheit und die 
Ungeneigtheit, den wenigen Elementen zu helfen, die einen Fort- 
schritt herbeiführen wollen. 

Nach sicheren Nachrichten macht das Erwachen Chinas 
rapide Fortschritte. Bis die »Neue Grenze **, Turkestan, von 
dieser Bewegung berührt werden wird, wird noch eine Zeit vergehen. 
Aber kommen wird die Zeit, wo das neue China auch Turkestan 
sich genauer ansehen und hier ein ausgezeichnetes Feld für die 
wirtschaftliche Betätigung seiner Söhne finden wird. Eine plan- 
mäßige Besiedelung mit den zu Vielen der übervölkerten Pro- 
vinzen muß jedem iiitelltgenten Chinesen oder jedem ihrer noch 
intelligenteren Berater, die bereits jetzt Kaschgarien mit offenem 
Auge bereisen, als ein wünschenswertes, ohne Mühe zu erreichen- 
des Ziel in den Sinn kommen. Die Türk-Bevölkerung und ihr 
Islam werden dann einen schweren Stand haben. Die Franken- 
weit darf sich in die Bewegung, die vorauszusehen ist, nicht direkt 
mischen. Die Überschwemmung des Landes mit Ostasiaten 
würde eine nicht unbeträchtliche Gefahr für Russisch-Turkestan 
bilden, dessen Bedrohung eine Bedrohung ganz West-Eurasiens 
bedeutet. Ein starkes felamisches Reich, zu dessen Bildung gar 
keine Aussicht ist, wäre nur zu dulden als ein Qegengewidit. 
in jedem Falle ist alles zu tun, um die Chinesenflut möglichst 
lange hinauszuschieben, in der Zwischenzeit sind europäische 
Interessen von großer Ausdehnung und Bedeutung zu schaffen, um 
eine Handhabe zum WMerstande zu besitzen. Wie sind sie zu 
schaffen? Dazu müssen die kulturellen und die wirtschaftlichen 
Zustände untersucht werden. 



36 






III 






Wie in allen islamischen Ländern so ist auch in Kasdi- 
garien die Religion das Gesellungsband, das am stärksten wirkt. 
Die erste Frage jedes Muslims, der mit einem Fremden in Be- 
rührung kommt, ist die nach der Zugehörigkeit lu dem großen 
Bunde, der die Muslime der ganzen Welt zusammenschlleSt, so- 
weit sie noch nicht von der zersetzenden Kultur angefressen sind. 
Die Leiter des Islams haben es meisterlich verstanden, den 
Völkern die Religion zu erhalten, d. h. sie in die Fesseln eng- 
herziger Abschliefiung zu schmieden. Ganz konnten sie freilidi 
das nationale Empfinden nicht auslöschen. Auch hi den Kasch- 
garern lebt neben dem an. erster Stelle wirkenden Islamtum das 
Türktum. Nennen die Bewohner ikh auch nicht „Turk*, sondern 
nach den Sondergebieten, denen sie entstammen, so ist ihnen 
wenigstens Ihre Sprache nTurki"^'). So liefert die Sprachgesellung 
ein instinktiv empfundenes Band: daB in ihm ein Völkisches zum 
Ausdruck kommt, dessen ist man sich kaum t>ewuBt. Aber man 
Ist zurückhaltend gegen den Fremden, der das Turki nicht 
spricht, ausgenommen eine Art von Fremdsprachigen : die Araber. 
Sie erfreuen sich eines hohen Ansehens, wenn sie nur einiger- 
maßen sich den Verhältnissen anzupassen verstehen^). Bei 
meiner Anwesenheit In Kaschgar 1902 fand ich dort einen Syrer 
(aus Tripolis), der kurze Zeit vorher sich niedergelassen hatte. 
Sa'id Ibn Muhammad EfAsel, der wegen setner selbständigen Ge- 
sinnung aus der Türkei verbannt worden war und eine Reihe 
von Jahren in Diensteh des Nizams von Haidarabtid im Dekkan 
gestanden hatte, hat, wie ich fünf Jahre später durch ein wunder- 
bares Zusammentreffen mit einem indisdien Muslim hörte, eine 
Türkin geheiratet und sich ein behagliches Heim gesdiaffen*^. 
Es ist allerdings dazu zu bemerken, daß die Bewohner Kasdi- 
gariens eine große Assimilienmgskraft besitzen und die Fremden, 
die sich unter ihnen niederiassen, schnell zu sich herabziehen. Der 
Respekt vor den Arabern hindert sie nicht, das auch mit diesen 
zu tun. 

Eine andere Nation, die unter ihnen wohl gelitten ist, ist 
die persische"^. Es ist hierbei freilich m'chtan die schiitisdie Be- 
völkerung des iranischen Reiches zu denken. Untertanen des 
Schahs kommen nur sehr selten nach Kaschgarien. Efai solcher war 
wohl der Baumeister, der das Mausoleum des Baisl Bck in Jarkcnd 
vor etwa 90 Jahren erbaute (siehe S. 35). Bei „Perser* ist hier 



3T 



puf — »^■^r^^— 



Die Sprache Kaschgartens. 



vielmehr an die sunnitischen Bewohner des Badachschün -Gebietes 
zu denken, die man in den Qesamtnamen Tadschik mit ein- 
beziehen darf "^. Man sieht sofort den Unterschied im Typus, so« 
weit die Leute eingewandert sind. Da sie vielfach Türkinnen 
heiraten, so sind ihre Sprößlinge fast durchgehend turkisiert» 
auch im AuBem. Die Leichtigkeit, mit der sie sich anpassen» 
gibt zu Reibungen keinen Anlaß. 

Schwieriger sind die Afganen, die nicht unbeträchtliche 
Kolonien in Kaschgar, Jarkend und Chotan bilden. Das ist ein 
tapferes und energisches Volk, das der Vertürkung größeren 
Widerstand leistet, freilich im fremden Lande ihr nicht entgehen 
kann. Die Reibungen sind hier häufiger, aber die Afganen sind 
nicht zahlreich genug und haben auch politisch keine Deckung 
(offiziös werden sie vom britischen Agenten geschützt), so daß 
ihre Neigung zu Gewalttätigkeiten und Störungen im Zaume ge- 
halten wird**^. 

Ausgesprochene Feindschaft herrscht trotz der Gemeinsam- 
keit der Religion zwischen Kaschgarem und Tunganen^^. Tun- 
gane wird m Kaschgarien meist gleichbedeutend mit chinesischer 
Muslim überhaupt gebraucht. In Wirklichkeit kommen hier nur 
die chinesisch sprechenden Muslime in betracht, die in Turkestan 
wohnen und neben dem Chinesischen meist ein sehr verderbtes 
Turki sprechen, das eine Untersuchung wohl lohnen wurde. Ab- 
leger dieser Turkestan-Tunganen sind die Tunganen-Kolonien in 
mehreren Ortschaften des russischen Oblast Semerjetschie west- 
lich vom Yssyk Kuh Hier ist die ethnische Verschiedenheit so 
wirksam, daß mehrfach Zusammenstöße stattgefunden haben, ob- 
wohl das Gegebene war, daß Kaschgarer und Tunganen gegen 
den gemeinsamen Feind, den Chinesen, zusammenhielten. 

Nun sollte man glauben, daß das Turkentum der Kasch- 
garer einen äußern Ausdruck in ähnlicher Weise finde, wie 
sonst ausgesprochene Individuen von Völkern sich betätigen: in 
sprachlichen Denkmälern, sei . es nun, daß diese im Munde des 
Volkes leben, sei es, daß sie durch die Schrift fixierte Arbeiten 
einzelner, nach Herkunft und Zelt bekannter hervorragender 
Volksglieder sind, hi der Tat hat es, seit das Turkentum in 
Kaschgarien durch die Nachkommen Satoq Bogras eine feste 
staatliche Form empfing, eine literarische Tätigkeit gegeben. 
Ihr bedeutendstes Denkmal ist zugleidi das älteste: das Ku- 
datku (Qutadghu)-Bilik des Jasuf Chass Hidschib, das schon oben 
charakterisiert wurde (S. 13). Dieses Kunstwerk, so dürfen 
wir es wohl bezeichnen, ist heute Im Lande vollkommen un- 
bekannt, kein Mensch kennt audi nur seinen Namen. Dat>ei ist 
idne Sprache von der, die heut als literarisch korrekt gilt, weit 



38 



Die Sprache Kaschg»ricns. 



weniger verschieden, als das Mittelhochdeutsch etwa des Nibe- 
lungenliedes von den klassischen Werken des Neuhochdeutschen. 
Auch hier hat eben der Islam xerstdrend und begrabend gewirkt 
Die kläglichen Reimereien, die ein Jahrhundert nadi dem Kudatku- 
Bilik Ahmed Jasawi*<^) verübte, stehen zwar tief unter jenem 
großzügigen Werke, aber sie zeigen immerhin noch einige Kraft 
in der Handhabung der S|>rache und gelten noch heute ab 
Muster der Diktion für Poeten, wie sie als Muster schon dem 
bekanntesten der Turkidichter galten, dem höfischen Mir *Ail 
Scher Nawa'i (gestorben 906/1501)'^). Sie sind eben noch 
Immer der Exponent eines literarischen Schaffens, und wir 
dürfen annehmen, dafi noch bis zur Zeit Nawa'is eine literarische 
Tätigkeit von einigem Umfange geübt wurde. Seit etwa drei 
Jahrhunderten ist es damit so gut wie aus. Auch das Interesse 
für sprachliche Betätigung und QenuB literarischer Speise scheint 
so gut wie ausgestorben. Die wenigen Stücke, die (gekannt 
sind, sind höchst dürftig in jeder Bezidiung*^. 

Etwas höher steht die volkstümliche Dichtung. Ihre Träger 
sind die Ghazeitschis, ^Lie^rsänger", in den Städten. Im Qe- 
birge schmettern die Naturburschen ihre Weisen in die Luft ohne 
die Begleitung der Laute (sitar), ohne die der Qhazeltschi der 
Städte und Dörfer nicht zu denken ist Die kirgisische Oebirgi- 
poesie lasse ich hier auBer Spiel. Auch von ihr besitze ich einige 
Proben. Mit Liedersängerei machte ich zuerst Bekanntschaft, als 
im November 1902 zwei Burschen, von etwa 25 und IS Jahren» 
sich vor der Tür unseres Hauses einfanden. Ich zog sie heran», 
und sie mußten mir nun ihr kleines Repertoire vortragen. Das 
Hauptstück davon war ein sehr rührendes Ued auf Hüseln, den 
Märtyrer von Kerbela, der in Kaschgarien die Gedanken stark 
beherrscht, obwohl die Bewohner Sunniten, nicht Schiiten sind. 
Die Leute sangen sehr schneit und waren nicht zu bewegen» 
etwas ohne Singen und ohne Läutenbegleitung herzusagen. Mehr 
noch als die Ungewohntheit des unmodulierten Sprechens und 
die Seltsamkeit meines Verlangens dürfte gewirkt haben die Furcht» 
ich könnte ihnen ihren Schatz stehlen wid eine Konkurrenz bt- 
wirken. Denn so gering ist die Habe dieser Leute, dafi sie übe^ 
jedes Kleinste, das sie besitzen, eifersüditig wichen. Bei dem 
Hüsein-Liede übrigens geberdeten sie sich sdir erregt, sprangen 
auf und trugen die traurigsten Stellen in schnellcrem Tempo 
und mit stark gesteigerter Süämme vor. Jene Purdit wird auch 
bewirkt haben, dafi die Leute, obwohl ich sie gut belohnt entücB» 
meiner Aufforderung wiederzukommen, nicht folgten. El ist über- 
haupt schwer, diese Ghazeitschis, die in Lumpen gehen» und von 
denen man annehmen sollte, sie kämen gern zu dem gut zahlendca 



3» 



Votkssängcr und VolKsliteraturT 



Fremden, heranzubekotnmen mm ruhigen Studium. Nur sweimal 
konnte ich gutes Material bekommen, und da erzwang ich mir 
CS geradezu. 

Es war in Jarkend am 4. Februar 1903, vier Tage vor 
unserer Abreise, als vor dem Hause Qesang ertönte. Sofort ließ 
ich den Sänger durch meinen vortrefflichen Kommissionär Igem- 
berdi'*) hereinführen und er muBte zum Rewap (arab. rebiib) vor- 
tragen, was er wußte. Im ersten Liede erkannte ich unschwer 
das drei Monate vorher in Kaschgar gehörte Hüsein-Ued. Bald 
sah ich freilich, daß meine Niederschrift des Gesungenen (auch ' 
dieser Mann wollte sich nicht bequemen, langsam zu diktieren) 
nur ein unvollkommenes Bild bieten würde, und so schickte ich 
nach einem schreibkundigen Molla. Zwei Burschen traten an 
und wurden mit dem Ghazeltschi in ein leeres Zimmer gesetzt: 
da haben sie denn mit großem Eifer die beiden Lieder des 
Sängers festgelegt, waren auch geduldig genug, die Niederschrift 
nachher mit mir durchzugehen. Der Sänger, der unveriälschten 
Jarkend-Dialekt ungeniert sprach, sagte über sich aus: «Ich bin 
hier in dem Viertel Andidschan Kölbaschi get>oren und heiße 
Säwut (arab. Tabit?); ich habe die Lieder von meinem Vater." 
Ober das Hüsein-Lied ertiielt ich am Tage darauf von meinem 
Lehrer, dem alten Molla Arabschäh (im Jahre 1905 oder 1906 ge- 
storben) folgende Auskunft, in die ich freilich nicht allzuviel 
Vertrauen setze: »In Chotan oder vielmehr in Kerja beim Maz&r 
des Imiun Dschafari Sädiq lebte vor hundert und mehr Jahren 
ein Molla, namens Molla Kitschik, der verfaßte ein kleines Buch 
über die Hasan- und Hüsein-Qeschichte. Ich sah es in meiner 
Jugend". Als wir bei Durchnehmen des Hüsein-Liedes an die 
Verse mit ja hüsein kamen, rief 'Arabschfth sofort: »Das ist 
aus dem Büchlein des Molla Kitschik, diese Verse sind mir wohl- i 
bekannt ; der Rewaptschi hat aber hier zwei verschiedene Lieder 
mit einander vermengt"*^). 

Die zweite Qhazeltschi-Begegnung war in Jangihisär, der 
dritten Station auf der Fahrt nach Kaschgar (in umgekehrter 
Richtung ist es die zweite). Dort fand ich in der Altstadt in 
einem Hofe einen Ghazeltschi singend zum Rewap, meist be- 
gleitet von einem andern Burschen. In einer Pause lud ich ihn 
ein, in. das Da'ut Achon Serai zu kommen, wo wir abgestiegen 
waren, und nahm ihn, da auf Versprechen kein Verlaß ist, sofort 
mit. Er mußte zunächst alles heruntersingen, was er wußte; 
darunter war natöriich auch das Hüseinlied und das vonAbdur* 
rahman Pascha, von ihm gesprochen Abdiram (In Jarkend Ab- 
dijaman*^. Unter den andern sieben Liedern war auch das 
Mädchenlied, das schon von Shaw in seiner Grammatik an- 



40 



Volkssänger und VoikslitcraturT 



geführt ist. Der Junge leistete Außergewöhnliches. Er hatte 
musikalisches Gehör, Taktgefühl» reine Stimmung auf sehiem 
primitiven Instrument und deutliche Aussprache. Sofort t>ei An- 
kunft im Serai mit dem Jungen hatte ich Auftrag gegeben, einen 
Schreibkundigen zu suchen. Mit vieler Mühe wird endlich dn 
Molla gefunden. Er wird mit dem Burschen in ein Zimmer ge- 
setzt, und bis tief in die Nacht hinein werden von dem Molla 
sechs von den sieben Liedern festgelegt. Eine fonetische Nieder- 
schrift in Jangihisftr selbst anzufertigen, war unmöglich, doch 
stellte ich eine Umschrift her, sobald es mir möglich war. Von fünf 
der in Jangihisär aufgeschriebenen Lieder lieB ich von At)dulqadir 
nach dem Diktat eines Qhazeltschis von Kaschgar nach der 
Rückkehr dorthin eine Niederschrift machen. 

Lebhaft bedauere ich, daß ich in Jarkend eines Mannes 
nicht habhaft werden konnte, von dem mir mein Kommissionir 
Igemberdi sagte, daß er viele Gedichte mit Berichten über die 
Kämpfe zwischen Tunganen und Chinesen und zwischen Tunganen 
und Türken auswendig wisse; einige seien halb chinesich, halb 
türkisch*^. Trotz der Bemühungen des Kommissionars, der ja das 
größte Interesse dar^n hatte, mir alles Gewünschte hert>eizu- 
schaffen, weit ich ihn für Brauchbares gut lohnte, gelang es 
nicht, auch nur einen einzigen Tunganen In das Haus der 
schwedischen Mission zu bringen oder sonst irgendwie mit einem 
solchen eine Zusammenkunft herbeizuführen. Diese Leute haben 
in Jarkend das größte Mißtrauen gegen den Fremden. 

Zur Volksliteratur dürften noch zu rechnen sein die kleinen 
Heftchen (Risäle), welche in durchaus naiver Sprache allgemeine 
Regeln über die Ausübung der Handwerke geben, namentlich 
aber abergläubische Gebräuche bei der Ausübung und das An- 
denken des Schutzheiligen zu bewahren (gestimmt sbid. Man 
findet sie in großen Mengen: die, die ich davon erwerben konnte, 
sind: die Risnle-der Schuster, der Haarschneider, der Kaufleute, 
der Krämer, der Gewfirzkrämer, der Weber, der Sattler, der 
Färber, der Schmiede, der Bauern, der Hirten (sic^e darüber, 
sowie über die sonst bekannten Muster dieser Art Literatur 
mein Die osttürkischen Handschriften der Sammlung 
Hartmann in: Mitteilungen des Seminars für Orienta- 
lische Sprachen zu Berlin VI! (1904) Abteilung 2 S. 201.) 

Man könnte denken, daß sich ein Surrogat für faidividuelics 
literarisches Schaffen in jenem Schrifttum finde, das dem Wider- 
käuen des scholastischen Futters gewidmet ist, wie es bei den 
meisten islamischen Völkern so intensiv geübt whrd. MKt nWkt 
einmal das gibt es hier. Soweit Werke der arabischen Schul- 
gelehrsamkeit ins Turki übersetzt sind, waren die Verfert^ 



41 



Der Islam in Kaschgarten. 



dieser Arbeiten Sarten Russisch-Turkestans. Selbst das, was davon 
in Taschkend gedruckt ist, kommt nur in geringen Mengen nach 
Kaschgarien '^. 

Der Islam der Bewohner Kaschgariens sitzt nicht allzu tief, 
im Gebirge, bei den Kirgisen, ist er nur eine ganz dünne 
Schicht. Was darunter steckt, ist nicht sicher zu bestimmen. Um 
1550 zog Ishäq Chodscha, der Sohn des Stifters der Chodscha- 
dynastie Machdfimi A*zem, weil er sich mit dem Dschaghataiden- 
Chan in Kaschgar nicht vertragen konnte, zu den Kirgisen: ^Dort 
geschahen Wunder, in den Steppen flössen Quellen, aus den 
Götzen erklang das Glaubensbekenntnis, und andere wunderbare 
Sachen mehr; achtzehn Götzentempel zerstörte er, hundertachtzig Un- 
gläubige fanden durch ihn den Heilsweg" (s. mein «Ein Heiligen- 
staat im Islam" in: Der Islamische Orient I, 201 f.). 
Aber auch in der Ebene und selbst in ihren Städten stand es 
damals um den Islam schwach: fiel doch sogar der Dschaghataide 
Mohammed Chan vom Islam ab und verehrte den ^ Sultan Alp 
Ata", bis der Chodscha den 2^uber unter wunderbaren Er- 
scheinungen brach (s. ebenda S. 203 f. und 320). Seitdem hat 
der Islam in den Städten festen Fuß «gefaßt Aber das Volk 
mit seinem gesunden Sinn hat sich nicht ohne Erfolg gegen die 
geistige Verkrüpplung gesträubt, die ihm die Orthodoxie mit 
ihren widersinnigen Dogmen und ihrer nichtsnutzigen, sich immer 
nur am eignen 2U>pf im Kreise drehenden sogenannten Wissen- 
schaft zumutete. Das Gegengift gegen das trockne, das sacri- 
ficium intellectus ohne irgend eine Gegengabe heischende Treiben, 
das das Werk gewissenloser pfäffischer Ausbeuter ist, ist die 
Mystik. Das tmahlt sich. Qenn wer hier da^ selbständige 
Denken opfert, der hat wenigstens etwas davon: er hat das 
Schauen mit seinen unendlichen Wonnen und die selige Gewiß- 
heit , die »Andern", die am Staube kleben, weit zu überragen: 
er hat die Gottähnlichkeit. Natürlich gibt es da nur wenige 
echte. Der große Haufe möchte gern, er muß sich aber mit 
den dünngesäeten Momenten der Eriiebung inmitten der Arbeits«* 
wüste beugen. Ein höchst fruchtbarer Acker ist die Mystik 
für die Betrüger. Es gibt kaum ein Land im Islam, aus- 
genommen etwa Indien, wo der Unfug der Sufis (Sopis) und der 
Kalender solchen Umfang und so wüste Formen angenommen hat, 
wie Kaschgarien. Die Chodschadynastie züchtete die Bande, 
weil sie in der Verblödung des Volkes die sicherste Basis ihrer 
vollkommen irreligiösen Gewaltherrschaft sah. So kam es, wie 
es kommen mußte: die Sopis wuchsen den Chodschas geiegent- 
lidi über den Kopf und führten gegen sie in den Städten ein 
Schreckensregiment. Welcher Sorte der Islam der Chodschas 



42 



Der Islam in Kaschgarien. 



selbst war, ersieht man aus der unglaublich scheinenden Tatsache» 
daB ihr Größter, Chodscha Xpaq, zum Dalallama in Lhassa ritt 
und sich von ihm Hilfe gegen den ihm feindlichen Zweig der Familie 
durch einen Befehl an die Qalmaqenfursten von lli erbat (S. 7 f.). 
Diese Niedertracht, dieser Verrat am Islam, hat der Heiligkeit 
der Sippe nicht geschadet. Sie waren allzeit die Vertreter der 
Lichtreligion mit ihrer freien, schauenden Qottesliebe gegenul>er 
dem Stumpfsinn des pfäffischen Zwanges mit seinen gelehrt- 
stupiden Abstraktionen und der Hineinzwängung einer ganz anders 
gearteten Wirklichkeit in sie. Wie der gesunde Volkisinn neben 
den mystischen Zerrbildern den Pfaffentrug mit saftigem Humor 
verhöhnte, das lese man im Meschreb-Buch (s. mein „Mesch* 
reb der weise Narr und fromme Ketzer" in: Der Islam 
Orient I). 

Unter chinesischer Herrschaft, seit 1758, wurde die Herr- 
schaft der freien Richtung etwas beschrankt, und als 1864 Ja^qflb 
Bek ein islamisches Reidi aufrichtete, das mit dem Beherrscher 
de* Gläubigen in Stambul in Fühlung trat, Muhte der Weizen 
der orthodoxen Kirche. Denn jeder weitorblickende Fürst er- 
kennt die Gefahren freier religiöser Begeisterung und unterstutzt 
weise die Strebsamen, die in einer .strengen Reglementierung der 
Religion das Heil des Volkes und vor allem den Nutzen des 
eignen Geldbeutels sehen. Als es 1877 mit dem Traum des 
großen zentralasiatischen islamischen Reiches zu Ende war, und 
die chinesische Herrschaft wiederkam, fiel der Schutz eines 
mächtigen Fürsten für die Geistlichkeit fort. Aber die Wfaren 
sind nicht spurlos vorübergegangen. Die Chodschas haben kaum 
noch irgendwo in der Etevölkerun(( ein Ansehen '^. Die Ver- 
bindungen mit Fergana und dem Taschkend-Gebiet, von denen 
aus Kaschgarien zur Zeit Ja*qtkb Bc*ks überflutet wurde, sind 
außerordentlich rege geblieben. In Russtsch-Turkestan Aar ent- 
wickelt sich der Islam, wie es dessen Geistlichkeit sich nur 
wünschen kann. So muß auch in Kaschgarien mit einer Stärioing 
der orthodoxen Kirche gerechnet, werden. 

In den Händen der Kirche, d. h. d^ an den Stätten 
scholastischer Weisheft und pfäffischen Dünkels und Hochmuts 
gebildeten Geistiichkeit liegt im Islam der Unterricht Eine Aus- 
nahme macht nur Egypten. In der Türkei ist einiges für die Pro- 
fanisierung des Schulwesens getan.. Aber die Bewegung hi dieser 
Richtung ist eine mehr äußerliche, und sowie man die Haupt- 
stadt und die größeren Wirtschaftszentren vertäßt, findet man 
den Unterricht genau so in den Händen unwissender Mollas, wie 
er es vor Jahrhunderten war, ja man wfrd sagen dürfen, daß im 
"Wem des Reiches zur 2^it der Blüte der osmanischen Herr- 



43 



Der Wtssenschaftsbetrieb. 



Schaft mehr geleistet wurde als heute. Unzweifelhaft ist, daß in 
Hinsicht des Schulwesens die islamischen Länder unter Un- 
gläubigen weit besser daran sind, als die mit islamischer Re- 
gierung. Voran geht hier Großbritannien, das mit einer Liberalität 
ohne Gleichen für die Volksbildung in Indien gesorgt hat. 
Weniger Lob verdient Prankreich, das, früher wenigstens, offen 
aussprach, seinen Arabern dürfe nicht zu viel Wissen zugänglich 
gemacht werden. Gegen das Treiben der Russen, die im eignen 
Lande ihre Unzulänglichkeit beweisen, hat man mit Recht Miß- 
trauen. Doch kann ich aus eigner Anschauung berichten, daß 
das Lehrerseminar in Taschkend Tüchtiges leistet, und daß dort 
aus den einheimischen Elementen ' ein Stamm von Lehrern ge- 
schaffen wird, der fruchtbare Keime durch das ganze Land aus- 
streut. 

Kaschgarien ist in Dingen des Schulwesens völlig auf sich 
angewiesen. Denn die chinesische Regierung tut nichts, absolut 
nidits, abgesehen von einigen angeblichen Dolmetscherschulen '^, 
die auch im Berichte Peiliots spuken, die aber in Wirklichkeit 
kaum existieren — glücklicherweise, denn ihr Ziel wäre nur die 
Herüberzieliung von emigen Türken zum Chinesentum und ganz 
äußerliche Drillung zum mechanischen Dienst in einem kleinen 
Kreise, wie sie übrigens von einigen Strebsamen auch ohne be- 
sondere Schule gelegentlich erreicht wird. Von der Tätigkeit 
der Missionare wird weiterhin gesprochen werden. Sie hat auf 
die geistige Hebung der Türkenbevölkerung keinen Einfluß, und 
man muß leider sagen, sie sucht ihn nicht einmal. 

In Kaschgar und Jarkend sind Spuren vorhanden, daß es 
um das Unterrichtswesen nicht immer so schlimm stand. Wenn 
auch der Wissenschaftsbetrieb, wie er schon seit Jahrhunderten 
allenthalben im Islam an den Medresen ^ Hochschulen" üblich ist, 
nur einen außerordentlich tiefen Stand geistigen Lebens darstellt, 
so ist doch in diesem beschränkten Kreise hin und wieder eine 
gewisse Vollkommenheit erreicht, d. h. es ist eine Beherrschung 
des Lehrstoffes, wie er in den anerkannten orthodoxen Hand- 
büchern der arabischen Wissenschaften festgelegt ist, erzielt 
worden. Daß derjenige» der diese unterste Stufe wissenschaft- 
lichen Arbeitens erreicht hat, durch das ausgezeichnete Hand- 
werkszeug, das die wissenschaftliche Sprache der arabischen 
Literatur bietet, in den Stand gesetzt ist, weiter zu kommen 
und da^ige, was von echter Wissenschaft durdi Obersetzung 
und Bearbeitung in dieser Sprache zugänglich gemacht ist, üA 
anzueignen, soll nicht geleugnet werden. Aber leider wird das 
Erreichen dieser untersten Stufe als ein Vorzug betrachtet, der 
jedes Weiterschreiten unnötig macht. 



44 



Der Wissenschaftsbetrieb. 



'S 



Heut ist in Kaschgarien selbst das Erringen dieser media- 
nisch-scholastischen Bildung eine Seltenheit. Die Anstalten, die 
immerhin in einiger Zahl vorhanden sind, liegen in Trümmern; 
wo sie stehen, sind sie die Stätte von Indolenz, Unwissenheit, 
Unsauberkeit ich beschränke mich hier darauf, das mitzuteilen, 
was mir selbst ilber den Wissenschatebetrieb in Kaschgar und 
und Jarkend zu Ohren gekomnien ist. Noch In einer dritten 
Stadt sind Medresen vorhanden. Das ist Aqsu. Ich kann aber 
ober das Treiben dort nur verweisen auf das, was ich In 
»Der Islamische Orient '^ 1, 116 (vergl. auch S. 106 f.) mit- 
geteilt habe. 

In Kaschgar gibt es nach meinen Gewährsmännern acht- 
zehn Medresen, von denen mir die folgenden elf mit Namen ge-' 
nannt wurden: 1. Challyq Medrese, 2. Qazantschi Medrese, 
3. Wanglyq Medrese, 4. Kärem (für Kenm) Achon Baiwetschih 
Medrese, 5. Toquwek Medrese, .6. Abduwaintng Medressi (für 
MedresesO, 7. QäziY Kalan Medresesi, 8. Hekim Schlschtdsdie- 
ning Medressi, 9. Oda Aldi (auch klingend wie Ddaldi) Medressi, 
10. Sögellik Mazrmyng Jasyghan Medrese, 11. Jusup Qinning 
Medressi. Gelegentlich wurde auch gesprochen von der Ken- 
zindschani Medressi und der Tochta Achon Kendschazinä Medressi: 
es ist klar, daB es sich um ein und dieselbe Schule handelt, und 
daß diese wahrscheinlich identisch ist mit Nr. 2 Qazantschi 
Medrese, die auch Qazan JMedr^ssi genannt wurde. Ober die 
Medrese, die zum Hazret Äpsq gehört, folgen unten (S. 46) 
einige Worte. 

Unter den Professoren Kaschgars steht an erster Stelle 
Bohft*eddin MachdQm. Schon 1901 hatte ich in Stambul diesen 
Namen von 'Xrif aus Aqsu nennen hören, der t>emerkte, daB 
dieser Mann den gröBten Gelehrtenruhm.in Kaschgarien genieBe» 
und den Namen behä'edimmäthzufn mtsspmät, iwAi machdttm 
als die riditige Schreibung und mach s um als Volksaussprache 
bezeichnete. In der Tat hörte ich in Kaschgar selbst Machsom 
als das Übliche. Das Bohä*eddin wird vom Volk regelmäßig zu 
Bowaddin zusamraenge^ogen, daiiebien Bftwoddin. Böwaddin soll 
die meisten Schüler haben, er liest bisweilen fOr 500 Mann im 
Winter, im Sommer sind es 100 bis 150. Nach anderen sind 
seine Voriesungen nicht mehr besucht. Der Gelehrte, der offen- 
bar hoch begabt ist, hat sich, wie von verschiedenen Seiten be- 
richtet wurde, durch das entsetzliche Laster des Nische-Rauchens 
völlig ruiniert: „Das fing der jetzt (1902) etwa 50jährige Mann 
vor ungefähr zehn Jahren an ; die Räusche werden immer häufigar, 
letzt schon bis vier an einem Tage; mit dem Nisdie-Raudien 
hängen Wutanfäile zusammen, so daB sich alle vor ihm furchten*. 



45 



Der Wissenschaftsbetrieb. 



Leider mufi ich annehmen, daB das nicht gehässiger Klatsch ist 
Das Nische-Rauchen ist in allen Kreisen Kascl^ars verbreitet 
und richtet traurige Verwüstungen an. Schon Bowaddins Vater 
Qädir Achon, war ein berühmter Gelehrter und Lehrer des Abdei- 
qiidir, der 1902 Oberrichter (Qazii Katan) von Kaschgar war. 
Bowaddin ist viel gewandert. Der russische Oeneralkonsul 
Petrowski, der ihn früher oft in schwierigen Fällen seiner 
islamischen Schützlinge, der russischen Untertanen aus Russisch 
Turkestan, um Rat gefragt haben soll, bezeichnete selbst ihn mir als 
einen fanatischen islamischen Schulgelehrten gewöhnlichen Schlages 
und prahlte, ihn einmal gründlich ad absurdum geführt zu haben. 
Als besonders stark gilt Bowaddin im Tefsfr (Koranexegese), und 
er interpretiert noch vor einem kleinen Kreise im eignen 
Hause, nicht in der Medrese, den Kommentar des QäziV Baizäwf 
(Baidäwi). Er soll eine Professur an der Challyq Medrese und 
auch eine an der Qazandschi Medrese haben. 

Der Nächste an Qelehrtenruhm ist R&metulla Achon, 
der erster Professor an dtr Wangiyq oder an der Qazandschi 
Medrese und stark in der Rechtswissenschaft ("ilmi fiqh) sein 
soll. Der recht unwissende Molla Ibrahim, der mir eine kurze 
Zeit sprachliche Belehrung angedethen ließ (s. unten), rühmte 
sich, ihn zum Lehrer gehabt zu haben. An der Challyq Me« 
drese soll die Hauptperson Molla Achon '7(1 em sein. An 
der Kärem Achon Baiwetschih Medrese soll Eschref Achon, 
an der Toquwek Medrese soll Reschid (klingt fast wie Rischt) 
Achon, an der Abduwaining Medressi soll Qadir Achon, an 
der Qizii Kalan Medressi, die nach dem GroBkadi zur Zeit 
Ja*qub Beks genannt ist, soll Reschid Achon Oghü Jüsüp 
Achon an der Spitze stehen. Als andere Stützen der Gelehr- 
samkeit wurden noch genannt: Selfm Achon und Turda 
Achon. 

Nicht versäumen darf ich, einen Türken zu nennen, der 
offenbar durdi Begabung ausgezeichnet und lernbegierig war. 
Ab wir am 4. November 1902 zum ersten Mal in Hazret Äpftq 
waren, stellte sich von den Mollas, die mit uns im Haupt- 
Mausoleum standen, der eine der beiden arabisch sprechenden 
vor als »Mudarris Abdurrahim" von der Medrese, die in der 
Nähe des Maqftms liegt und zu dem Gesamt-Komplex gehört, 
Es wollte ihm gamicht in den Sinn, daB ich Arabisch spreche 
und nicht Muslim sei; er fragte naiv: „Haben Sie die Wallfahrt 
gemacht?" Das Arabische müsse Ich dann wohl in Hindostan 
gelernt haben. Er selbst sprach das Arabische vollkommen 
fließend, wenn auch nicht korrekt, und behauptete, er sei nie hi 
arabischem Lande gewesen. Bei dem zweiten Besuche wurde 



46 



Der Wissensdiaftsbetrieb. 



sein arabisches Deklamieren (er leierte eine angeblich von ihm 
verfaßte arabische Qaside in verdichtigem Tawil herunter) un- 
angenehm; er stJVrte unser photographi^es Arbeiten. 

Was über den Wissensdiaftsbetrieb im allgemeinen mir 
berichtet wurde , war nicht erfreulich. Die Angabe, daß in 
Kaschgar im Winter etwa iweitausend, im Sommer etwa sieben* 
hundert Studenten sich aufhalten, ist wohl übertrieben, wenn auch 
richtig sein mAg, daß die Wissenschaft-Suchenden aus allen Teilen 
des Landes, selbst bis aus Köne Topan (Köhne Turfan) und lli 
hierherströmen, weil eben sonst nirgends Gelegenheit ist, auch 
nur das Wenige zu lernen. Im diesen Ziffern ist auch zu be> 
achten, daß durchaus nicht alle Medresenbesucher ernsthaft zu 
nehmende Studenten sind , sondern daß gewiß fünfzig Prozent 
sich einfinden, um Istimä* zu machen, d. h. zu hospitieren, in 
Wirklichkeit sub titulo studii zu bummeln. Mein schon ge- 
nannter Lehrer Molla Ibrahim, unwissend und unintelligent, mir 
aber gerade deshalb nutzlich, weil er natürlich und spontan 
schwätzte und keine gelehrten Posen annahm, erzählte, er sei 
vor sieben Jahren fünf Monate bi Jarkend gewesen, um bei den 
dortigen Professoren lstim&' zu machen: er habe damals eine 
Rijäzat- und Maschaqqat-Obung gemacht, eine Art geistlichen 
Exerzitiums, von dem diese Jarkend-Reise einen Teil bildete. Wir 
kennen dies Vagantentum aus unserem Mittelalter, nur leider hat 
es hier in Turkestan, soweit mir bekannt, nichts von jener ur- 
wüchsigen, heiteren Poesie gezeitigt, die sich für uns an den 
Namen der fahrenden Scholaren knüpft. Im Oegensatz zu diesen 
Wanderstudenten stehen die Dauerstudenten, die eigentlichen 
Talibs. Es wurde mir mehrfach versichert, daß es Tilibs bb zu 
40, ja bis zu 60 Semestern gebe, die, wenn sie einmal eine 
Stelle an der Medrese haben, d. h. ein dumpfes Loch zum 
Wohnen und eine kärgliche Kost, nicht wegzubringen shkL 
Notorisch ist in Kaschgar, daß ein Siridscheddm Achon 17 Jahre 
dort in einer Medrese gesessen hat und nichts, gamichts gelenit 
hat. Man erklärte mir auf mein Erstaunen, daß man ihn nicht 
heraustue: „Man hofft, daß einem Menschen, der ein halbes 
Leben in der Medrese schläft, von Qott das 'ilmighaib, die 
»Wissenschaft des Verborgenen' geschenkt wird*. Molla whrd, 
bestätigte mir der schwedische Missionar Magnus Back! u nd ^*^» 
in Kaschgar jeder genaiint, der ein wenig lesen kann; wer eine 
dreistellige ZM lesen kann, Irird schon als großer Gelehrter an- 
gestaunt. Mir selbst wurde ein Molla. herangesdileppt, der be> 
hauptete, in der Kenzhidschani Medressl zwei Jahre studiert und 
das Buch sarp (arabische Plexionslehre) und den QhodKtapis» 
d. h. den Chodscha Hftflz, durchgenommen zu haben: ds idi ihm 

41 



Der Wissenschaftsbetrteb. 



48 



ein Blatt und einen Bleistift hinlegte, erklärte er, nicht schreiben 
zu können, und von dem kitftbi sarp konnte er gerade fünf 
Worte mühsam stammeln. Besser stand es um Abdulqüdir Achon» 
der als Munschi im Dienste der schwedischen Mission war, und 
mit dem der verstorbene Bäcklund arbeitete. Er wurde mir in 
Kaschgar als Lehrer überlassen, und ich war recht mit ihm zu- 
frieden. Bereitwillig ging er auf meine Anregungen ein. Etwa 
drei Jahre, nachdem ich ihn in Kaschgar verlassen, erhielt ich 
von ihm einen Brief aus einer Ortschaft in Russisch Turkestan 
(im Obtast Semirjetschije), wo er als Geistlicher einer kleinen 
islamischen Gemeinde wirkt, und in dem er mitteilte, er habe über 
die Sprache Kaschgars fleißig gearbeitet. Die Probe, die er mir 
einsandte, ist durchaus brauchbar, und es ist weiter gutes Material 
von ihm zu erwarten. Nun ist zuzugeben, daß die in islamischem 
Sinne gebildeten Elemente sich von den Fremden meist fem 
halten, teils aus wirklicher Abneigung, teils aus Furcht vor dem 
Odium, das dem Ungläubigen »Verkehr anhaftet. Aber der Lehr- 
plan und die Schulbücher zeigen, daß bei dieser Art Universitäts- 
studium nicht viel herauskommen kann. Als Regel gilt, daß im 
Bummelsemester, d. h. im Sommer, wo es zu heiß ist, um sich 
anzustrengen (in Buchara wird, so versicherte man mir in der 
Mir Arab, im Sommer überhaupt nicht gelesen), nur die leichteren 
Sachen getrieben werden, die Humaniora: da wird das Mesnewii 
Scherip.(das Mesnewi Maultina Rnmfs), das Napahnti Schenp 
von Maulänä Dschämi, die Raschahät, das Mektfibati Schenp des 
Muhammad Masnm (gest. 1687) und auch die Traditionssamm- 
hing Mischknti Schenp gelesen. Im Winter kommen die schweren 
Sachen heran, Recht und Grammatik. Im Recht wird natürlich 
zugrunde gelegt die Hidaje in ihren verschiedenen Bearbeitungen, 
und zwar sind besonders t>eliebt Muchta^ar Alwiqäja und Scharh 
alwiqä{a, genannt scherilwiqaje; als schwierig gilt und daher 
nur von den größten Mollas doziert wird die Methodologie des 
Rechts (uffil alfiqh); so liest Rametuilah das tau^ihmitdem 
talwfl}. Das Tadschwid wird nach dem Depteri sftm* gepaukt, 
und es ist kennzeichnend, daß die Kunst, den Koran richtig zu 
rezitieren, und ein hüpiz zu sein, ganz besonders respektiert 
wird. Für das Studium der Grammatik werden zugrunde gelegt 

1. der Kommentar des Maulana Dschami zur Kafije, genannt 
scher! molla und 2. die FawAldi Hefte, nämlich 1. sarp, 

2. möz, 3. zindschanT, 4. *aw&mil, 5. tasarrupat, 6* (la« 
rakat uri'rab, 7. ? Diese Sammlung wird am meisten 'ge- 
lesen, und sie ist auch in Kaschgar von Nuri Hadschim in ent- 
setzlicher Weise lithographiert (s.- darüber mein „Buch- 
wesen* in Mitt. Sem. Or. Spr. Vit [1904] S. 75.) 



Der Wissenschaftsbetrieb. 



Diese grammatischen Elementartraktate einmal durchge- 
nommen zu haben» ist die Grundbedingung, wenn man etwas 
werden will. Die Rechtstraktate werden nur von denen studiert» 
die längere Zeit in der Medrese bleiben können, d. h. die, soweit 
sie nicht Freistelle haben, von Verwandten unterhalten werden. 
Der Unterricht soll meist nur von ca. 10 Uhr vormittagjs bis . . 
zum Mittaggebet erteilt werden. Außer der schon erwähnten 
Lithographie der Fawu'idi- Hefte von Kaschgar hat man diese 
Elementarbticher auch in einem Druck von Labore. Vom 
Kommentar des Molla Dschami sah ich einen Stambuler Druck 
von 1316 und einen Druck von Nawalkischwer in Bombay. Von 
dogmatischen Traktaten fand ic|i die Hischl}e des Qara Chald 
zur Risale des Muhammad Emiii von Stambul 1288. Nicht in 
den Schulen studiert, aber bei den trockenen Abendzusammen- 
känften, die man Meschreb heifit, vorgelesen zur Erbauung wird 
das berühmte Heiligengeschichtenbuch Rauzat uschschuhadi' im 
Taschkender Druck. Von der Schul- und Erbauungsliteratur, die 
in Kaschgar und Jarkend beliebt ist, gibt die von mir erworbene 
Handschriftensammlung ein gutes Bild (siehe darüber mein »Buch* 
wesen in Turkestan" a. a. O.). 

Jarkend, das bis zur Eroberung Kaschgariens durch die 
Chinesen die Hauptstadt und zugleich Hauptsitz der Qelehrsam* 
keit und Heiligkeit war, ist heute hinter Kaschgar zurückstehend. 
Sein Ruhm ist dahin. Es hat zwar viele Medresen und einige 
Professoren, aber die Scholen stehen leer, oder vielmehr sie sind 
von Armen bewohnt, nicht von Tallbs. Die Zahl der Studenten 
war 1 895 zweihundert. Als Oelehrter gilt nur S e f er A c h on , wäh* 
rend die andern beiden grofien Mollas, die dozieren (oder wenig^ens 
zu dozieren die Aufgabe haben), Mensebdare, d. h. Männer von 
Amt und Würden sind, aber als unbedeutend gelten, das ist der 
Oberrichter (Qizii Kalin) namens *Älem Achulluqum (dgcnt* 
lieh »mein Herr Achon *Xlem*) uiid der Mufti Qadir Achon* 
Die Hauptmedrese Jarkends liegt an dem großen Platze ziem- 
lich im Zentrum der Stadt, genannt KHschik Dda (verstümmelt 
aus Kitschik Orda, d. h. kleine Bürg, denn dort stand früher die 
Burg [orda] von Jarkend). Sie heißt Jeschil Medrese, »Grüne 
Moschee" und soll von Baisi Bek, dem Hikhn von Jarkend um 
1820 gebaut sein; sie ist stark im Verfall; erträglich erhalten ist 
das grofie Vorportal, das übrigens dürftig gearbdtet ist Etwa 
hundert Schritt von der Jeschil Medrese entfernt Hegt die Aq 
Medrese «WeiBe Moschee* ; nach der Aussage eines nidit 
sonderlich freundlichen, aber ersichtlich gut unterrichteten MoBas» 
der hinzukam, als ich mich unter der mich ttmgd>enden neu- 
gierigen Menge vergeblich nach einem brauchbaren Auskunft- 

Hartmann, Turkatum. 4 4^ 



^r^mmmmee^-^v"^ 



Der Wissenschaftsbetrieb. 



geber umsah, ist der Bau im Jahre 1835 von Isma'il Tadschi 
Häkim Bck (auch zusammengezogen zu Tidschiktmbslc) errichtet 
worden; so besage ein Tanch, das sich an einem nicht zugäng* 
liehen Ort befinde. Von anderen Medresen ist noch zu erwähnen 
die Chaltyq Medrese in der Nähe des Hauses der schwedischen 
Mission, einer der be^en älteren Bauten, errichtet vor mehr als 
hundert Jahren von Abdullah Challyq, der auch die Freitag- 
moschee Dschämfi Äzine Mesdschid baute. Diese Freitags- 
moschee hatte ein sehr hohes schönes Munar (so mit Labial!- 
sierung des Vokals für manar), das durch eiiie Intrige zu 
Schaden kam: als nämlich einmal ein Saqal-Ambal mit großem 
Heer aus Peking kam, um Unruhen in Jarkend zu unterdrücken, 
und sich über den hohen Turm wunderte, sagte ihm der ver- 
logene Tungtschl, von dort werde das Volk zum Aufstand zu- 
sammengerufen, und der Oiinese lieB den Turm niederreißen, es 
tat ihm aber herzlich leid, als er den wahren Zweck des Baus 
erfuhr. Mein Gewährsmann meinte, dieser Abdullah Chan sei 
derselbe, der in der Geschichte von Meschreb vorkomme: er 
hatte seinen Sitz in Samarkand und sein Herrschaftsgebiet war 
weit ausgedehnt. Ob auch die Challyq Medrese von Kaschgar 
nach ihm genannt ist, ist unsicher (Challyq für Chanlyq ist nur 
Titel, gleichbedeutend mit Chan). 

Ober den Wissenschaftsbetrieb in Jarkend erfuhr ich einiges 
durch den schon genannten Sefer Achon, der Professor an 
der Medrese Saugat Serai ist, und der so freundlich war, mich 
am 7. Februar 1903 aufzusuchen und mir eine Stunde lang zu 
erzählen. Dieser liebenswürdige, lebhafte Greis von 78 Jahren 
^ar freilich nicht aus Jarkend gebürtig, sondern aus Buchara, 
und sprach mit Begeisterung von seiner Vaterstadt: »Dort ist 
Wissen, dort lebten die großen Männer, die immer von neuem 
die alten wichtigen Werke kommentierten; 480 (1) ist die Zahl 
der Medresen dort; alle Arten Leute sind dort zu finden: sogar 
ein Malikit aus dem Maghrib dozierte eine Zeit lang in Buchara, 
namens Qan Endelani; ler lebte zur Zeit Ja'qub Beks in Jarkend 
und Kaschgar, nach dessen Tode er mit den Söhnen nach 
Buchara floh. Besonders bedeutend war mein Lehrer Essaijid 
Munireddin aus Qandahir, der eine wahre Erleuchtung brachte, 
indem er das Studium des Sullam einführte". Oberhaupt zeigte 
Sefer Achon vor dem Wissenschaftsbetrieb bei den Afganen großen 
Respekt, und das stimmt mit dem, was ich sonst über diese 
Nation beobachtete. Sefer Achon vertritt in Jarkend als Lehrer 
die Fächer Manfiq (Logica formalis) und "Aqa'id (Dogmatik): 
es werden in Jarkend fast ausschließlich die Schemsije und die 
*Aqft*id des I4eseti studiert, von den Kommentaren Ettdidib 



SO 



Jl* 



Der Wissenschaftsbetrieb* 



Elmantiqi und das Werk des Achon Chftwend; über die Ussl 
elfiqh werde das tau^i^ mit dem tilwify geiesen. Sefer Adion 
nimmt für sich in Anspruch, dafi ein großer Teil der Gelehrten 
Turkestans seine Schüler seien, ^so Na$ir, der bedeutendste 
Professor Aqsus (von *Abdellatif, den mir *Xrif nannte 
[stehe IslamischerOrient I 106], achten er nicht viel lu 
wissen oder wollte er nichts wissen); Baha*eddin fai Kasch- 
gar habe bei ihm seine Hauptstudien gemacht, auch 
Xrif Dsch&n, derselbe, den ich in Stambul getroffen, habe bd 
Ihm drei bis vier Monate die Schemsiie gelesen und sei dann 
weiter gezogen. An ständigen Schülern habe er meist nur fünf 
bis sechs, Talibs der Medrese, außerdem komme eine Anzahl 
von außen, die sich vorübergehend aufhalten. In Jarkend stehe 
es mit der Wissenschaft ^wach, die Studenten haben kein 
Interesse, und es sei niclit wie in Buchara, wo in den Vor* 
lesungen disputiert werde, und die Schüler Einwendungen machen 
und fragen; in Jarkend werde täglich hur eine bis zwei Stunden 
Kolleg gelesen, wobei nur der Professor vorträgt. Idschize 
(Diplom) werde nicht erteilt, das sei nicht Resm (Brauch). Doch 
werde nach Vollendung des Studiums ein Chatm, formeller Ab- 
schluß gemacht. Der alte Herr hatte in den letzten drei, vier 
Jahren von Krankheit zu leiden gehabt und hatte sich schließlich 
auf Rat des Arztes zum Reisen entschlossen: an Aqsu, das er 
über Maralbaschi erreichte, hatte et das Klima und das vom Ge- 
birge her durch Kirchhöfe gesickerte Wasser abscheulich ge- 
funden, Satreb (Sairem), eine Tagereise von Aqsu und Bai, lobte 
er, und das herrliche Kötschär mit seiner guten Luft, seinem 
Fruchtreichtum und seinen höchst sympathischen Bewohnern hatte 
es ihm gar angetan. Auch Usch Turpan (so sagt man allgemein 
statt Utsch Turfan) hatte er zu toben. Über Maralbasdii und 
Kaschgar kehrte er zurück, recht erholt. Sefer Achon hatte auf 
einer hohen Gestalt einen prächtigen Gelehrtenkopf, etwas Mildtt, ' 
Liebes in den Augen; in seinen Äußerungen war er bescheiden. 
Das Arabische sprach er mit vollkommener Leichtigkeit und er« 
träglich korrekt. Von dem Mufti sprach er, sei es fai wirkKdier 
Gesinnung, sei es aus Politik, als dem Größeren, doch konnte 
er eine Spitze nicht unterdrücken. Er schloß: freilich sei auch 
Qadir Achon nichts oder nicht viel gegen die großen Gelehrtea 
anderer Hochschulen. 

Dieser Mufti von Jarkend, Qidir Achon, vertritt ab 
Hauptfächer 1. Tefsir, das er nach Baiziwl doziert, und zwar 
acheint es ausschließlich nach ihm; nach Sefer Achon gibt es in 
ganz Jarkend kein Exemplar des Tefsiri Keblr (so nennt er d» 
Mafitih alghaib des Rftzi): er habe dieses große Werk mir eia- 

4* 51 



ttrm^xr^^^^^^ 



Der Wissenschaftsbetrieb. 



oder zweimal gesehen; der Kaschschif sei In den Händen 
mancher; von Tabaris Kommentar scheint niemand eine Ahnung 
zu haben; 2. persische Literatur und Stil und zwar a) das 
MesnewTi Scherif, b) die Mektabftt des Schech Rabbani, das 
schon genannte Werk, von dem man massenhaft Exemplare 
findet; 3« Heiligenleben vom Propheten an, wie es scheint aus- 
schließlich nach den Nafahat Dschimis; das TezkireT EwIija'Attftrs 
wird nicht gelesen, auch 'nicht zur Vergldchung herangezogen. 
Um den berühmten Mufti kennen zu lernen, sandte ich mein 
Faktotum Igemberdi in die Medrese, um mich zum Besuch an- 
zumelden; es hieß aber, er sei an dem Tage nicht gekommen, 
und da ich den Eindruck hatte, daß mein Besuch nicht erwünscht 
sei, so nahm ich Abstand. 

Die Mittel, die den Medresen zu Gebote stehen, sind 
äußerst beschränkt. Die Waqf-Einkünfte sind gering, zwischen 
1000 und 4000 Tenge (250—1000 Mk.). Die Zahl der In- 
ternen, die Wohnung und Kost haben, ist überall unbedeutend, 
wohl kaum über zehn Mann gehend. Wenn man auch rechnet, 
daß die Tenge (0,25 Mk.) in Jarkend etwa die Kaufkraft von 
einer Mark hat, und daß die Ansprüche von Lehrern und 
Schülern an die Lebenshaltung sehr gering sind, so sind doch 
diese Summen für den Unterhalt von Lehrern und Hörern bei 
weitem nicht ausreichend. Von irgend welchen Studienhilfs- 
mitteln wie Bibliothek ist keine Rede. Nach meinen Gewährs- 
männern gibt es weder in Jarkend noch in Kaschgar Bücher* 
Sammlungen zur öffentlichen Benutzung. In Aqsu gab es nach 
*Xrif Handschriften, die Waqfgut sind. Man weiß, wie in isla- 
mischen Ländern mit diesen Waqfgütem umgegangen wird, d. h. 
wie sie allmählich „gegessen" werden. 

Wie ist diesem traurigen Zustande abzuhelfen? Kasch- 
garien befindet sich geistig in einer Zwickmühle: das Volk ist 
unwissend, weil es keine Lehrer hat, und es hat keine Lehrer, 
weil es faul und verkommen ist. Der Einzelne, der aus der 
Fremde da hinein kommt, wie der Bucharef Sefer Achon, oder 
auch aus den Eingeborenen »ch herauszuringen sucht, kann 
nichts machen. Es wurde schon bemerkt, daß die Käschgarer 
eine beträchtliche Assimilationskraft besitzen und die höher- 
stehenden Fremden zu sich herabziehen. Und gelingt ihnen das 
nicht, so Ist der passive Widerstand der Masse da, die ge- 
schlossen gegen {edes ernste Arbeit fordernde Element zusammen- 
hält Die HiHe muß von außen kommen. 

An der Helning des geistigen Lebens nimmt die Landes- 
regierung nicht das ^ning^te Interesse. Von ihrem Standpunkte 
«IS mit Recht Wie es mit ihrem Beamtenpersonal steht» sahen 



S2 



■aaiK^aiHBMMaHnHHMBSIBBBBMBBpHOHaaBBSBBaSBiaSHB 



BJe^SstSe Hebung. 



wir schon (S. 27 ff.). Es wurde ihr Ansehen sehr bald erschüttert 
sein, wenn sich eine größere Anzahl tüchtig gebildeter und mit 
der durch Schulung notwendig hervorgenifenen Neigung zur 
Kritik behafteter Personen fände. Auch hat die Regierung das 
nicht unweise Prinzip: Die Einwohner des Landes sollen die 
größte Freiheit in allem haben, auch in Ihrer Trighelt und Ver- 
kommenheit, wenn sie nur K zahlen, was sie sollen, 2. die 
geringen äußern Zeichen der politischen Abhängigkeit leisteiu 
Bei ihrer groben Nachlässigkeit fwurden die chinesischen Boimten 
einer Verbesserung des Unterrichtswesens durch Fremde troti 
der Gefahren kaum ein Hindernis entgegenstellen. Die chine- 
sische Kultur könnte ja auch, selbst wenn sie wollte, dem 
Lande, das durch den Islam durchaus zu dem europäisch-vorder- 
asiatischen Kreise gehört, nichts bieten. Von irgend einem 
Nutzen der angeblldi bestehenden Dolmetschersdiulen ist keine 
Rede. 

Nun wäre das Land berufen, hier einzugreifen, das den 
größten Einfluß besitzt, und das mit Leichtigkeit ein Wissen- 
schaftszentrum schaffen könnte zur Bildung der obersten Lehr- 
kräfte, die dann in Zentren zweiten Grades für Bildung von 
Elementarschullehrem zu sorgen hätten. Aber wie soll der Ein- 
äugige dem Blinden den Weg weisen? Rußland steckt selbst I ^ 
kulturell noch in den Anfängen und ist am wenigsten berufen, \ * 
die Organisation zu schaffen, auf . deren richtige Gestaltung es 
hier von Anfang an ankommt. Was könnte es auch geben? 
Es hat In seinen Islamischen Gebieten einige intelligente 
Gruppen, an erster Stelle die Nogaier (Wolgaturken),- die von 
mächtigem Drange , getrieben und Im wesentlichen auf dem 
richtigen Wege sind, sich zu einem kulturellen Element zu. ent- 
wickeln, das den schwerfälligen, und unintelligenten Slaven Ost- > 
rußlands gefährilch zu werdeti droht, und das von der russischen . * 
Regierung sorgfältig von Ihren zentralasiatischen Besitzungen fem- , 
gehalten wird. Die Regierung Russisch-Turkestans — idi wdfi 
das von den maßgeb^en Stellen dort sell»t — lebt in be- . 
ständiger Furcht vor dem. Eindringen von Nogaiem in das 
Land, weil sie in Ausnutzung der wirtschaftlichen Bedingungen 
den Russen tib^legen sind« und weil sie die nicht fanatisdwn, 
ziemlich harmlosen TSricen dort ungunstig beeinflussen wfirden. 
Solche Leute in Kaschgarien zu verwenden, wird den Ru»en 
nicht einfallen. Nicht in betracht kommen in größerem JWaB- 
stabe die Sarten, d. h. die Türken Russisch-Turkestans. Wer sie 
mit den Kaschgarem vergleicht, niuß ihnen die Superiorität un- 
bedingt zugestehen. Ab&r als Lehrer wären sie doch nur unge- 
nügend. Sie haben auch kein Interesse, in der Stellung als 

S3 



idaM^^i^k^iHMB« 



Die geistige Hebung. 



54 



Überlegene, die sie den Kaschgarern gegenöber haben, sich zu 
schwächen, indem sie von dem Wenigen abgeben, das sie haben. 
Das Schlimmste aber wäre, wenn etwa RuBiand wollte « Kultur" 
durch Vermittlung russischer Sprache und Literatur bringen, 
wie die Briten es in Indien durch englische tun. Dann wären 
die armen Turkestaner n($ch um eine Stufe zurückgebracht. 
Denn das Nationale würde beschränkt, und vom Fremden käme 
nur das, was ihnen die Kraft für das ungeheure Gebiet des Ge- 
samt-Fränkischen (all die Sprachen Europas als ein Ganzes be- 
trachtet, dessen einer Teil, gründlich gekannt, leicht zu allen 
anderen fuhrt) nimmt. Es ist keine Gefahr da, daß in dieser 
Richtung Anstrengungen gemacht werden, zumal gegenwärtig, wo 
die Wissenschaftspolitik in RuBland selbst hinter anderen Auf- 
gaben zurücktritt, und Kaschgarien nur ein unbedeutender Stein 
auf dem weltpolitischen Schacht>rett im russischen Spiele ist. 

Noch viel weniger freilich ist das Reich berufen, hier ein- 
zugreifen, das sich als Schützer der spezifisch islamischen Kultur 
geberdet Schon deshalb nicht, weil es immer nur eine isla- 
mische Kultur würde bringen wollen. Aber selbst diese ist das 
osmanische Reich nicht Imstande, den Muslimen fremder Länder 
zu geben. Mag man meinen, daB es sich im Zustande der Auf- 
lösung befinde, oder mag man ihm eine Entwicklung zur Ver- 
jüngung und Neilbildung prognostizieren, die wenigen kulturellen 
Kräfte, die es besitzt, kann es zur Hebung der rückständigen 
Teile seines Gebietes nicht entbehren. Die politischen Agenten, 
die in so groBer Anzahl von Stambul aus überallhin versandt 
werden, um Propaganda für das Osmanenreich zu machen, sind 
zum gröBten Teil selbst ungebildete Intriganten, die nur Ver- 
wirrung anrichten und da, wo ein ernstes Streben vorhanden ist, 
hindernd wirken. 

Großbritannien lehnt ostentativ die Einmischung in alles 
Kaschgarische ab, beobachtet aber so intelligent, daß ihm die 
Vorteile, die ihm aus einer Gewöhnung an en^ische Denkart 
durch Hineintragen von englischer Sprache und Schulung er- 
wachsen, nicht entgehen. Es ist aber durchaus nicht geneigt,' für 
Kaschgarien hegend welche Opfer zu bringen, das kann idi aus 
Gesprächen mit den Berufensten 1902/03 bestimmt versichern. 

Wie kamt geholfen werden? Wer soll helfen? 

Kein Zweifel ist zunächst daran, daß bei einer Hebung der 
geistigen Bildung vom Nationalelf auszugehen ist in dem Sinne, 
wie es z. B. bei der amerikanisch-protestantischen und bei der 
französisch-katholischen Misston in Syrien der Fall war und noch 
ist. Zuzugeben ist, daß hi Syrien die Sache dadurch sehr anders 
liegt, daß dort die Bevölkerung eine Sprache hat, die seit ihrer 



Die Missionare. 

Aimahme sich bestindlg einer Pflege erfreut hat, die iwar nicht 
immer intenshr und rationell war, aber die Tradition efaier 
groSen Vergangenheit hatte und aufrecht erhielt. In Turkestan 
ist die SprKhe, das Turki, immer nur in höchst dürftiger Weise 
gehandhabt worden. Im wesentlichen identisch mit der Sprache 
der Sarten Perganas, hat es hier nicht einmal die Durchbildung 
erfahren wie dort. In den Handschriften — Drucke gibt es aus 
diesem Kreise nur ganz vereinzelt, und sie unterscheiden sich 
hierin nicht von den Manuskripten — stöSt man immerwährend 
auf dialektische Verschiedenheiten. Die Rechtschreibung ist gana 
ungeregelt Es fehlt eine nationale Literatur mit einheitlicher 
Sprache. Das wäre also das nächste Ziel, das natürlich nur 
unter Mitarbeit des Volkes su erreichen ist: Einigung über 
das, was als Mittel der Verständigung für die Türken Kasdi- 
gariens anzusehen ist Der Anstoß muß freilich von Fremden 
ausgehen, bei dem Mangel jeglicher Initiative unto- den Einge- 
borenen. Und diese können, wollen sie auf weite Kreise, nicht 
bk)6 auf ihre nächste Umgebung wirken, des einzigen Mitteb 
dazu nicht entbehren: der Druckpresse zur Herstellung von 
kurzen belehrenden Heften und von periodischen Mitteilungen 
(Zeitungen, Zeitschriften). 

Die Heranziehung der Missionsarbeit in Syrien oben zeigt, 
dafi auch hier ab das Mittel zur Herbeiführung eines besseren 
Zustandes die Mission gedadit ist. Es ist richtig, dafi sie hi 
Turkestan mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen hat die in Syrien 
nicht voriiegen. In Syrien hat die Mission ein Objekt das leicht 
zu bearbeiten ist: Christen. So kurios es klingt daß christliche 
Missionare Christen bekehren wollen, es ist so: alle Mühe und 
alles Geld — und es sind enorme Summen, die ausgegeben 
wurden und werden — werden geopfert einzig, um Ekkenner 
christlicher Konfessionen zu einer anderen herüberzuziehen oder, 
soweit sie verwandt ist, Ausgleichungen und Festigungen vor- 
zunehmen. Von einer Mission unter Muslimen ist keine Rede 
(Fälle von Bekehrung wie der neueste des Saijid Ajetani von 
Beirut sind ganz ve^nzelt). Die würde sidi audi die türkische 
Regierung sehr verbitten, schon weil nach einem Oesetz des 
hdams, das stark im Herzen der ganzen muslimischen Qemehide 
lebt der Apostat mit dem Tode zu bestrafen ist In Turkestan 
kann einzig die muslimische Bevölkerung Gegenständ der Tätig- 
keit sein. Die andersgläubigen Fremden, auch Chhiesen, sind 
verschwindend an Zahl. Die andere Schwierigkeit ist, dafi die 
chinesische Regierung, und nicht ohne Ursache, gegen die Missi on a re 
das größte Mißtrauen hat, zumal wenn sie einer starken west- 
lichen Nation mit politischen Prätentionen angehören. Wo 



55 



Die Missionare. 



S6 



die chinesische Regierung das Wirken von Tendenzen unter den 
Eingeborenen wahrnimmt, weiche darauf abzielen, den Zusammen- 
hang mit der Landesregierung zu erschüttern und etwa gar 
Sympathien für eine fremde Regierung zu verbreiten, da geht 
sie mit allen Mitteln vor und greift höchst energisch ein: sie 
handelt dabei in einem berechtigten Selbsterhaltungstrieb. Aus 
diesem Grunde hätte eine Tätigkeit wie die der Jesuiten in Beirut 
geringe Aussicht. An der Küste, die in der Gefahr euro|>äischer 
Besetzung steht, können die Chinesen umfangreiche Niederiassungen 
nicht hindern. In Kaschgarien wurden sie allen von ein^r 
fremden Regierung unterstützten Anstalten jede mögliche Schwierig- 
keit machen. Rußland hat übrigens die Lage richtig begriffen. 
Außer der sinnreichen Schaffung und Erhaltung einer orthodoxen 
Gemeinde in Peking, die angeblich von ausgewanderten National- 
russen stammt, die aber heute nur aus Nationalchtnesen besteht, 
tut es für geistliche Zwecke gar nichts. 

Es ist kein Zufall, daß die einzige Nation, die in Turkestan 
missionierend vertreten ist, die schwedische ist. Schweden 
ist den Chinesen kaum dem Namen nach bekannt, es ist jeden- 
falls ein Land, das noch nie versucht hat, ein Stück China an 
sich zu reißen, und das von solchem abscheulichen Gedanken 
weit entfernt zu sein mit vollkommener Aufrichtigkeit er- 
klären kann. Also Schweden suchte sich neben andern Teilen 
Chinas auch Kaschgarien als Missionsfeld aus. Die Direktion 
des Svens k Missions-Forbundet in Stockholm hatte und 
hat unzweifelhaft die besten Absichten. Sie war aber nicht zum 
besten t^eraten, als sie einen Missionar aus Alt-China als Leiter 
dorthin sandte. Die Kenntnis der chinesischen Verhältnisse und 
wie mit den Beamten der Regierung umzugehen ist, ist gewiß 
höchst nützlich. Die Hauptsadie bleibt doch aber das Wirken 
unter der einheimischen Bevölkerung, und in der gibt es keine 
Chinesen, die sind Fremde. Und zum Wirken gehört liebevdles 
Einleben, Kenntnis der Sprache, Beherrschung der Bräuche und 
Vorstellungen. Das erfordert die Kraft eines ganzen Mannes, 
der schon früh damit beginnen muß. Die Formen zu lernen, 
die im Verkehr mit der Regierung zu beobachten sind, ist nicht 
schwer, und ein natürticher Takt wird selbst den der Regierungs- 
sprache nicht Mächtigen Reibungen vermeiden lassen. Nun wirkt 
neben dem Leiter ein zweiter Missionar, der für die Arbeit unter 
den Türken bestimmt ist. Während unserer Anwesenheit war 
das der schon genannte Magnus Bäcklund, dessen Pflichttreue 
und Intelligenz das beste Zeugnis auszustdien ist Er leitete mit 
emem weiblichen Mitgliede der Mission zusammen das Kranken- 
haus. Obwohl nicht in einem regelmäßigen medizinischen Studium 



Die Missionare. 



gebildet« befähigten ihn. seine ungewöhnliche Begabung und seine 
sichere Hand, mehrfach gute Erfolge bei der Behandlung, nament- 
lich bei chirurgischen Ehigriffen, zu erzielen. Ihm war d«s 
Ansehen der schwedischen Mission und das Vertrauen derTurk- 
Bevölkerung zu den Schweden zu danken. 

Doch diese Seite der missionarischen Tätigkeit ist nur eine. 
So verdienstlich sie ist, so wendet sie sich doch nur an das 
Leibliche, und die „Seelenspeise", die der Missionierende den 
Patienten neben der Medizin verabreicht, wird entweder gar nicht 
aufgenommen oder übt keine Wirkung. Eher ist ein Einfluß von 
dem Geist der Ordnung zu erwarten, der in jedem fränkischen 
Krankenhause herrscht. Aber das ist doch minim. Es muB 
die Arbeit an der sittlichen Hebung nebenhergehen. 

Die Erkenntnis von deren Wichtigkeit war leider bei den 
Missionaren Kaschgars nicht anzutreffen. Sie standen ersichtlich 
der abweisenden Haltung der Bevölkerung hilflos gegenüber. Ei 
ist unendlich schwer, an die Muslime heranzukommen. Denn Ihr 
geistiger und geistlicher Dünkel bringt dem Fremden von vom- 
herein Verachtung entgegen. Nur freilich ist der »Christ", der 
zu den Muslimen mit dem gleichen Quantum von Dünkd der 
fränkischen Kultur und noch b4teonders seiner konfessionellen 
Unfehlbarkeit kommt, der Wenigstberufene. Unglücklichonretse 
war die Sache von vornherein, verfahren. Man hatte die Evan- 
gelien von einem Allerwdtsihann übersetzen lassen, der die 
Sprache Kaschgariens gar nicht kannte. Da kamen massenhaft 
Dinge vor, die den Türken entweder völlig unverständlich waren 
oder ihnen den willkommenen Anlaß zum Spott gaben. Dann 
übersetzte man Choräle in Turki- Verse, die für den Türken über- 
haupt keine Verse sind. Und schlfmmef : man wollte diese Lieder 
nach fränkischen Hymnen*Melodien singen lassen I Man sage 
nicht, daß die Misston es ;Eunächst ja mit den Ärmsten, Ge- 
drücktesten zu tun hat, die keine „Bildung" haben und die da- 
her für die fremdartigen Töne empfänglich shid. Das Ist ein 
Irrtum, es ist mehr, es Ist ein Unrecht. Denn auch der Ärmste 
eines Volkes hat eines: er nimmt am Volkstum teil, auch wenn 
er nicht durch Erziehung und soziale Stellung alle Außeningen 
dessen kennt. Erzidit die Misston ihn zum Fremdartigen, so 
schafft sie eine Khift zwischen ihm und seinen Volksgenossen» 
die ihn unglücklich macht und vor allem der Möglichkeit des 
Wirkens in seinem ursprünglichen Kreise beraubt. C^ Gedanke» 
den Kaschgarem das Christentum in der Form unserer geistlichen 
Erbauung beizubringen, ist aufzugeben. In Dingen der Einfluft- 
gewinnung auf dem Wege des Unterrichts und der g^gen An- 
regung ist das Vorg^en der Missionare, der protestantisdicQ 



57 



Die Missionare. 



wie der römischen, in Syrien maßgebend. Diese Männer haben 
mit vollkommenem Takte an das angeknüpft, was denen, die sie 
bearbeiteten, ans Herz gewachsen war: den Geist ihrer Sprache 
und ihre literarischen Formen. Aber selbst bei so schonendem, 
klugem Vorgehen kam man nur an die syrischen Christen heran, 
von einer Mission unter den Muslimen war und ist keine Rede. 
Warum y wurde schon gesagt: auf dem Abfall vom Islam steht 
der Tod. Mutig dem Problem auf den Leib gerückt ist die 
deutsche Orientmission, und es scheint, daß sie die Sache richtig 
anfängt. Freilich werden ziffermäßig die Erfolge immer äußerst 
geringe bleiben. Aber der Menschenfreund, der das wahre Ziel 
der Mission gar nicht in dem sucht, was diese auf ihr Schild ge- 
schrieben, kann nur billigen, daß ersichtlich da, wo sie arbeitet, 
nicht so sehr durch Worte und Chorälesingen als durch Handeln 
gewirkt wird. Es wird Arbeitsgelegenheit geschaffen und zur 
Arbeit erzogen. Das ist der erste Schritt zur Hebung des wirt- 
schaftlichen Standes und der damit verbundenen Hebung der 
Moral. Die Elenden, die im Orient so massenhaft herumlaufen, 
in vielen Gegenden bis zu 80 Proz. der Bevölkerung, nicht wissen 
wovon sie leben sollen, weil sie von einer verbrecherischen Re- 
gierung bedrückt werden und keine Anregung zum Werte- 
Schaffen erhalten, die müssen am Staube kleben. Denen kann 
nicht geholfen werden, indem man ihnen direkt gibt. Nicht 
selten haben Missionare das getan, um Überläufer aufweisen zu 
können. Aber durch die Unterstützung von Apostaten wird ein 
unendlicher Schaden angerichtet, und die Züchtung schlauer 
Heuchler bringt die ganze Arbeit in Mißkredit. Es sind vor 
allem Handwerkschulen einzurichten, in denen neben fachlicher 
Ausbildung in den dem Lande angemessenen Gewerben Unter- 
richt erteilt wird außer in Lesen und Schreiben und der Übung 
in der Muttersprache im Rechnen und in . den Elementen der 
Mathematik ; daneben sollen Geographie und die Hauptsachen der 
Naturgeschichte gelehrt werden, von den fremden Sprachen nur 
so viel, daß die Begabteren sich weiter bilden- können. Sorg- 
fältig ist die christliche D<^pnatik zu meiden. Gerade in Kasdi- 
garien würde den Missionaren ein Umstand zugute kommen: die 
Lauheit der Bewohner in religiösen Dingen; es ist bereits nach- 
gewiesen (ß. 42 ff.), daß sich das Vorstellun^leben in Formen be- 
wegt, die äußeriidi an den Islam anknüpfen, die aber gerade in 
dem Mangel des Fanatismus nidit unerheblich von dem Islam 
der «frommen Muslime* Vorderasiens abweichen. Man nütze 
diesen Umstand weise aus und rühre nicht an das, was das 
„religiöse Empfinden" ausmacht, vor allem nicht durdi den Ver- 
such einer Herabsetzung des Islams zugunsten einer anderen 



58 



Die Erziehung der Kaschgarer. 



Konfession. Jedes marktschreierische Anpreisen des Christentums 
und Verführung einzelner (einzelne werden es in jedem Falle nur 
bleiben) zu offenem Abfall vom Islam wurde unmittelbar dne 
Stärkung des islamischen Geistes hervorrufen und den fanatischen 
Hetzern» die sich überall finden, Wind in die Segel geben. 

Die stille Art>eit» die ohne viel Reden eine vericommene 
und träge Bevölkerung zu Reinlichkeit und Fleift erziehen will, 
muß sich freilich auch dariit>er klar werden, in welcher Richtung 
die Tätigkeit zu lenken ist, wie die Kräfte, deren fruchtbare Aus- 
nutzung gelehrt werden soll, am besten in gewinnbringender Weise 
verwertet werden, damit Immer neue Erwert)squeilen und Tätig* 
keitgebiete sich öffnen, und damit die allgemeine Lebenshaltung 
sich hebe. Es ist freilich bequemer, Katechismus zu pauken und 
gänzlich fruchtlose Debatten zu fuhren mit einigen eingelernten 
Schlagworten, die an den Muslimen ohne irgend welche Wirkung 
abgleiten, als sich in angestrengter geistiger Arl>eit mit denWfat- 
schaftsbedingungen des Landes und den Fähigkeiten und Neigungen 
der Bevölkerung bekannt zu machen. Das aber ist der erste 
Schritt zu einer Wirkung auf die Masse. Denn so träge und 
verkommen diese ist, das Beispiel derer, die durch die Be* 
riihruhg mit den Fremden zu einer bessern wirtschaftlichen Lage 
gelangen, wirkt ansteckend und führt diesen fremden Lehrern 
immer neue Schüler zu. Nebenbei : bet dieser Art Arlielt wird 
auch die Verkfindung der fremden Lehre, sofern sie unaufKHig 
geübt wird, reichere Frucht tragen, ab bei einem protzenden 
herausfordernden Auftreten als die gotterwählten Heilbringer« 

Aber nicht bk)B der Missionar, auch der Oeschäftsminn 
Win wissen; wie es mit den -whlschaftllchen VerMUtirisien KasdH 
gariens steht, und so wfrd im Folgenden ein Versuch Hver Dnr- 
stellung gemacht Daran wfati sich efaie knne Erwigaog imr 
Entwicklungsmö^khkeiten knüpfen. 




99 




Die wirtschaftliche Bewegung eines Landes ergibt sich aus 
der Feststellung 1. seiner Erzeugnisse und ihrer Ausfuhr, 2. der 
Einfuhr fremder Erzeugnisse. 

Kaschgarien produziert gegenwärtig: I.Getreide und Mais, 
2. Baumfrüchte, Wein, Qemuse, 3. Baumwolle, 4. Seide, 5. Vieh. 
Zur Ausfuhr kommen zur Zeit von diesen Erzeugnissen nur Baum- 
wolle, Seide, und Vieh. Die Baumwolle wird teils roh ausgeführt, 
teils zu Geweben verarbeitet, die Seide nur roh. Die Ausfuhr 
von lebendem Vieh ist unbeträchtlich. Bedeutend ist die Aus- 
fuhr von Tierfellen, Wolle und Wollfabrikaten, d. h. Teppichen 
und Filzen. Außerdem ist noch zu erwähnen das Präparat aus 
einer Hanfart, dem Tscheres oder Bang, das giftige Nische oder 
Nascha, ein RauschmitteJ , das den Organismus noch gründlicher 
zerstört, als das Opium, mit dem es nicht verwechselt werden 
darf. 

Der Hauptmarkt für die, Ausfuhr ist Rußland, erst in großem 
AbStande nach ihm kommt htdien. Zunächst ein Wort über die 
Handelswege. 

Von der Verbindung mit Rußland ist schon oben (S. 8ff.) 
gesprochen worden. Dem dort Gesagten ist Folgendes hinzuzufügen. 
Nach den Verträgen zwischen Rußland und China sind dem Handel 
zwischen beiden Ländern fünf Grenzpunkte offen ^^, Von jenen 
kommen faktisch nur zwei mbetracht : Irkeschtam und Narynskoje 
(Naryn). Die Endpunkte der Straße über bkeschtam sind Kaschgar 
auf chinesischer und Osch auf russischer Seite. Diesen Weg 
nahmen auch wir. Er ist recht beschwerlich. Die Entfernungen 
betragen von Osch bis Irkeschtam sieben Tage, und von Irkesch- 
tam bis Kaschgar ebensoviel, bei mittlerer Schnelligkeit d.h. 7 — 8 Reit- 
stunden pro Tag. Für Unterkunft ist gesorgt, meist in den Jurten 
der Kirgisen, in denen es sich auch bei strenger Kälte ganz be- 
haglich wohnt, wenn man eine Jurte für sich bekommen und sie 
vor Benutzung — natürlich mit den eignen Sachen, man reist 
mit vollem Hausgerät — gründlich säubern kann. Trotz der 
Beschwerlichkeit ist dieser Weg beständig von Karawanen be- 
gangen, auch den ganzen Winter hindurch oder vielmehr gerade 
in diesem, weil dann, wie schon oben gesagt, auf dem Taldiq- 
weg keine Unterkunft zu finden ist, während im Sommer dieser 
bevorzugt wird , da auf dem Terekdawan -Weg die Flüsse nur 
schwer zu passieren sind; (wir mußten im Oktober die Füße bis 



dO 



Die Ausfuhr aus Kaschgarien. 



i 



cur Sattelhöhe ziehen, um nicht naß zu werden). Die andere 
Hauptverbindung mit Rußland, über Narynskoje an der Grenze 
der ausgedehnten und reichen Provinz Semirjetschtje, Ist viel 
weniger benutzt als die nach Fergana. Die 1903 eröffnete Fahr- 
straße Andidschän^^gend-Narynskoje hat noch keine Bedeutung 
erlangt Doch steht hier eine wichtige Verschiebung bevor: die 
Verbindung der sibirischen Bahn mit dem Oblast Semirjetschfje, 
die längst In Aussicht genommen ist, wird in al)sehbarer Zeit 
hergestellt werden, und sie wird unzweifelhaft die Verbindung 
mit Narynskoje nach sich ziehen. Durfte selbst die Verbnidung 
dieses mit Kaschgar durch einen Schienenweg an dem zu er* 
wartenden Widerstände der Chinesen scheitern, so ist doch der 
Transport erheblich abgekürzt und erleichtert. Namentlich wird 
dann das noch nicht genügend verwertete sibirische Getreide 
nach Kaschgarien gewoifen werden können, und dieses für die 
BaumwollkuHur frei werden, die hier eine große Zukunft hat, 
eine Wirkung, die weiter unten fan Zusammenhakge gewürdigt 
werden wird. 

Von den Wegen, die nach Indien fuhren, kommt fSr den 
Handel nur einer in betracht, die Straße über den Karakontm- 
paß, die auf indischer Seite von dem zum Königreiche Kaschmir 
gehörenden Leh (in ^^ Landschaft Ladach) in Westtibet mis- 
geht. Sie spaltet sich nach Überschreitung des Karakorumpasses 
in zwei Routen, von denen die eiiie bei ändschu an der großen 
südlichen Straße, die andere bei Qargalyq mündet. Jenen Weg 
nehmen die Waren für Chotan, diesen die Waren für Jarkend. 
Nicht kommt für den indisch-kaschgarischen Handel in betracht, oder 
doch nur ganz unbedeutend der Weg der britischen Post, der von 
Gilgit durch das Tal von Hunza, auch Kandschut genannt, nach 
Taschkurgan und weiter nach Jarkend fuhrt. An einigen Steüdi 
geht hier der Wanderer auf Brettern, die auf eisernen, in die / 
Felswand gerammten Pflöcken ruhen, Seilest Hunde müssen auf 
solchen Strecken getragen werden. Es ist auch keine Aussicht 
vorhanden, daß diese schwierigen Stellen gangbar für Tiere ge- 
macht werden. Die Bergüberginge selbst, die. hier fai betracht 
kommen (man hat die Wahl zwischen dem Killik- und dem Mln- 
teke-Paß), sollen weniger t>eschwerlich sein als der Karakomm* 
paß. Leider ist >in Weg aufgegeben, der noch bis in dieMitle 
des vorigen Jahrhunderts von Karawanen tiegangen worden sein * 
soll. Das ist der, der von Gilgit über den Bwogil-Paß und dann 
über den nur ca. acht Kilometer westlich vom Klllik-Paß Hegenden 
Wadidschir- Paß nach Taschkurgan und Jarkend führtl Er ist 
letzt ganz verlassen. Es ist kaum ein Zweifel, daß daran dHe 
politischen Verhältnisse schuM sind. Er führt nämlich zwischen 



«t 



Die Ausfuhr aus Kaschgarien. 



dem Barogil-PaB und dem Wachdschir-PaB durch afganisches 
Gebiet. Afganistan schiebt hier eine schmale, an einer Stelle 
nur etwa sechs Kilometer breite Zunge zwischen das russische 
Pamirgebiet und Indien hinein, das af ganische Wachän. Die 
Briten wurden mit dem bösen Oesindd, das diesen Streifen un- 
sicher macht, schnell fertig werden und Ordnung schaffen. Aber 
dieses pufferähnliche Stück Land ist ein Noiimetangere. Die Ein- 
richtung einer guten KarawanenstraBe von Qilgit nach Jarkend 
auf diesem Wege wurde den indisch-kaschgarischen Handel auBer- 
ordentlich fördern, aber zu beständigen Reibungen mit dem 
politisch und kommerziell eifersüchtigen RuBland AnlaB geben. 
DaB jener Handel trotz der Beschränktheit auf den einzigen 
einen ungeheuren Bogen nach Osten machenden und dabei recht 
schwierigen Weg immer noch solche Bedeutung hat, verdankt er 
der Rührigkeit und Qeschicklichkeit der Hindus, in deren Händen 
er faBt ausschlieBlich ruht. 

Leider sind sichere Angaben über die Ausfuhr nach Indien 
nur schwer zu erhalten. Ich kann nur mitteilen, was Pelltot in 
seinem Bericht an den Präsidenten des Comitd de TAsie fran^aise 
in Paris d. d. Taschkent 15. Oktober 1906 gibt, gestutzt auf 
einen von ihm nicht näher bezeichneten Bericht des Herrn 
Macartney, des britischen Agenten in Kaschgar (abgedruckt im 
Bulletin des Comit^ de TAsie franqaise vom Dezember 
1906). Damach betrug die Ausfuhr nach Indien aus Kaschgarien 
im J^hre 1904 (idi setze die Rupienziffer in Mark um nach dem 
Satze von 1 Rupie » 1 ,50 Mark) 2115 000 Mk. Diese Aus- 
fuhr heiBt aber nicht Ausfuhr von Erzeugnissen Kaschgariens. 
Denn seltsamerweise ist ein Drittel davon (ca. 640 0(K) Mk.) 
russisches Oold, das nach Pelliot dazu gedient haben soll, alte 
Rückstände zu begleichen; Pelliot weiB offenbar nicht, daB die 
russischen 10- und 20-Rubelstucke ein beliebter Schmuck der 
indischen Frauen sind. Es bleit>en also für die nach Indien aus- 
geführten Erzeugnisse Kaschgariens 1 470 000 Mk. Davon ent- 
fallen auf das Rauschmittel Nische 370000 Mk., obwohl die 
englische Regierung einen s<;hweren Zoll darauf gelegt hat (die 
russische R^ening läBt es überhaupt nicht ins Land) und 
750 000 Mk. auf Rohseide, welche hohe Summe sich daraus er- 
klärt, daB Kaschmir sich mit diesem Artikel, den es sonst aus 
Japan bezog, wegen des russisch-japanischen Krieges aus Turke- 
atan versehen muBte. Dieser Posten fällt also in gewöhnlichen 
Jahren zum grQBten Teile fort Den Rest der Aushihr von 
300000 Mk. blMen verschiedene kleinere Artikel. 

Für die Ausfuhr nach RuBland aus Kaschgarien Im Jahre 
1904 stützt sich Pelliot auf Mnen Handelsbericht Kolokoloffs, der 



«2 



Die Ainfuhr iu> KaschgarienT^ 



sdt 1 904 als Nachfolger Petrowskis nissisdier Oenenlkonsul Ea 

Kaschgar ist. Damach betrigt die Oesamtitlfer dreser Ausfuhr 

62700O0Mk. (gegen 2 1 1 5 000 Mark nach Indien). DieArttkd 

sind Felle, Wolle, Tqipiche und Filie, Rohbaumwolle, Baum- 

wollengewebe, ein goinges Quantum Seide und SeidenaMWe 

— i endlich italienische Korallen, die an der dritten Stelle kommco. 

r werden diesem Artikel noch bei der Einfuhr nadi Kasdi- 

len aus Indien b^egnen. Er liefert ein handelsgeographischa 

riosum erster Güte: RuBland 1^ auf diese Korallen an seiner 

stgrenEe dnen enorm hohen Zoll, hier gdien sie zolHrei nadi 

Bland ein, wie alle übrigen Waran aus Kaschgarien, au5- 

lommen die, die in Indien selbst fabriziert sind. So kommt 

denn dazu, daS diese italienischen Korallen nach RuSIand 

ht durch RuBIand gehen; sondern nadi BomtMy, durch gani 

lien und durch Kaschgarien. Zu bedauern ist, daB der Bolcht 

hts über den Umfang der Einhihr von Baumwollgeweben mcfe 

Bland sagt. Es wml nämlich von dem Oberst Komiktff hi 

nem .Kaschgarija" (si^ Vorwort) von diese» Geweben ab 

er erschrecklichen Gefahr für RuBIand ein groBes Wesen ge- 

cht, gestützt auf die Berichte des früheren Oeneralkonsub 

trowski. Ich habe Ursache anzunehmen. daB das umiditig 

daß jene Gewebe 61 % der Ausfuhr nach RuBIand 

ausgemacht haben, wie da gedruckt zu lesen Ist, ist 

izlich ausgeschlossen, denn dazu' müBte der grÖBte Teil des 

nws importiert werden; von solchem Import ist aber in dem 

rfuhrverzeidinis keine Rede. Ich habe auch nie vtm dner be- 

itenderen Menge von Webstühlen gehört obwcriil kh midi um 

s? Dinge gekümmert habe. Von der Ausfuhr nach RuBIand 

len */t über Osch; nur '/« fi^* über Nar3niskoje. 

Wie steht «s nun mit der Einfuhr nach Kaschgarien? Zu- 
;hst Indien: Dieses sendet eine ganze Anzahl von Textilwaren 
1 zwar Baumwollen- und Sddeflwaren und die schon genannten 
rallen. Pditot gibt als Gesamtziffer 1 500000 Mk., wovon 
' Baumwoiienwaren SOG 000, auf Seidenwaren 350000 Mk. 
fallen, zu mehr ah drei \nertd aus 'Europa kommend. Korallen 
rden für 170000 Mk. ehigefOhrL' Zu beachten bt nodi der 
e, der von den Chinesen ab Monopol betrachtet wird, und 
' ab sdir minderwertiger Zlegehee von Ihnen auf dem Land- 
ge Importiert wird, wobd dn chinesisches SjmdJkat «nt 
nan, das natürlich mit den chinesisdien Beamten hn Bund« 
ht, das Oesdiift madit: diese Chinesen lassen sich einen vu- 
hlllnbmiBIg hohen Preb zahlen. Aus Indien kommt )iAoA 
Ibcher Tee für 36 000 Mk. und chine^scher Te« beiMrsr 
laliUt für 11 000 IWc. 



Die Einfuhr nach Kaschgaricn. 



•4 



Die Einfuhr nach Kaschgarien aus Rußland stellte sich so: 
Oesamtziffer 6 300 000 Mk. gegen 1 500 000 Mk. aus Indien. 
Davon entfallen auf Baumwollenwaren 4 000 000 Mk. also 60%. 
lii zweiter Linie kommen Silberbarren für die chinesische Re- 
gierung für 1 125 000 Mk. Das ist ein neuer sehr merk- 
würdiger Artikel. Man hatte das in Kaschgarien recht rare Silber 
bisher aus China kommen lassen, und zwar In Gestalt des so- 
genannten Jambu (chinesisch Yuan-pao)» das meist die Form 
eines kleinen Schiffes hat. Die russisch-chinesische Bank läßt 
nun diese Jambus in Shanghai nach Batum verladen, von wo sie 
den Landweg über Osch nehmen. Vergleichen wir nun: der 
Gesamthandel Indiens mit Kaschgarien betrug 1904 rund 
3Vs Millionen Mk., der Gesamthandel Rußlands rund IZVtMill. 
Mark. Die Handelsbilanz war 1904 für Indien eine passive: 
es standen sich gegenüber 2 Mill. Einfuhr nach Indien und 
1 Vt Mill. Mk. Ausfuhr aus Indien , wobei allerdings die außer- 
ordentliche von Rohseide zu beachten ist (siehe oben S. 62) 
In Rußland stehen sich gegenüber 6 270 000 Mk. Einfuhr und 
6 300000 Mk. Ausfuhr. Das ist ziemlich normal. Aber man 
sieht Verschiebungen kommen. 

Es ist höchst kennzeichnend, daß der britische Vertreter in 
Kaschgar selbst in einem offiziellen Bericht ausgesprochen hat, 
der indisch-kaschgarische Handel sei unfehlbar dem Untergange 
geweiht, und der russisdi-chinesische Krieg habe ihm nur ein 
,»period of grace" gewährt. Hier gleich ein Wort über die Folgen 
dieses Krieges. Wer seit der Entscheidung zu Ungunsten Ruß- 
lands in Kaschgarien gereist ist, versichert, daß die Haltung der 
chinesischen Regierung und der Bevölkerung gegen die Russen 
dort eine ganz andere geworden sei: frech und herausfordernd, 
während sie früher kriediend und demütig war. Einen dauernden 
Einfluß auf den Handel kann natüriich der Ausgang des Krieges nicht 
üben. Denn der Händler fragt ausschließlich, mit wem, mit 
welcher Ware mache ich das beste Geschäft, und ist nicht von 
nationalen Rücksichten geleitet. Versteht die russische Industrie 
weiter eine dem Markt passende Ware zu liefern, und wird 
sie weiter von der russischen Regierung unterstützt, vor allem 
durch Verböserung der Verkehrswege, so wird sie den Markt 
behaupten, ja, neues Terrain gewfamen. Dazu kommt, daß die 
britische R^erung für den Handel mit Kaschgarien kein be- 
sonderes Interesse hat; sie erklärt ostentativ, daß ihr an der 
wirtschaftlichen Beherrschung der anderthalb Millionen Seelen 
Kasdigariens nichts liege. 

Es ist in letzter Zeit mehrfach ausgesprochen worden, daß 
Entfand sich aus dem Fabrikstaat par excellence, den man fai 



Die Einfuhr nach Kaschgarien. 



• I 



ihm bis jetzt m sehen gewohnt war, immer mehr zum reinen 
Handelsstaat entwiclcele. Es wird schliefilich nur die groBe 
Wechselstut>e der ganzen Welt sein. Es kauft und verkauft für 
sich und für andere und macht dabei so gute Oeschfifte, daß es 
•das eigene Produzieren entbehren kann. Auch hat das Pro* 
duzieren In England (etzt einen Haken: es ist zu teuer. Der t ol 
Engländer ist nicht Ingenieur und Techniker: er muft sich diese | 
Kräfte aus Deutschland kommen lassen und sie horrend l)ezahlem 
So ist das Fabrizieren in Engtand kein profitliches Geschäft mehr. 
In Indien hat Orofibritannien nichts vor anderen Ländern voraus. 
Die indische Regierung l)elastet alle Wären, welcher Provenienz 
auch immer sie seien, gleich. Die deutsche erfährt dieselbe Be- 
handlung wie die britische und erfreut sich einer großen Beliebt- 
heit bei den indischen Händlern. 

Da mir diese Stellung des deutschen Handels In Indien 
nicht bekannt war, so war ich nicht wenig erstaunt, als ich bei 
Herrn Qaurimal, der Anfang 1903 Aqsaqal (Altester der Kauf- 
mannschaft) der Hindus in Jarkend und daneben so eine Art 
englischer Konsul war, d. h. die Interessen der britischen Unter- . 
tanen offiziös bei der chinesischen Regierung zu vertreten hatte, 
eine große Anzahl Gewebe mit »Made in Qermany" fand und 
auch nachher noch In offenen Läden des Bazars Ware mit der 
gleichen Etezeichnung sah, z. B. kleine Blechbuchsen mit einem 
Spiegel auf dem Deckel (von Johann Quaas in Meißen i. S.), 
Schalen aus dem schlechtesten Email und dergleichen mehr. Die 
Proben indischer Einfuhr, die ich sammelte, befinden sich Jetzt 
hn Ethnographischen Museum in Stuttgart. 

Zu beachten ist, daß für einige Stoffarten Indien noch im 
Jahre 1903 den Markt allein hatte und ihn vermutlich t>ehalten 
hat. Da sind zunächst zu nennen: Seidensammet (machmal) 
und Musselin (malmal oder lamlam). Ich fand bei Gaurimal 
nicht weniger als fünf Sorten Seidensammet, sämtlich made in 
Germany, zwei davon Marke Albert Lehmann; Preis zwischen 
2,25 Mk. und 5. Mk. pro Gez im Stück. Daneben kam früher 
auch aus Indien Baumwollsammet, der ist aber durch den russischen 
verdrängt, der schon für 0,75 Mk. pro Gez zu hat>en ist. Man 
sieht e^n, wie Indien sich bei der russischen Konkurrenz nur 
für die teure Ware halten kann, und auch die wird dem Schund 
welchen müssen, wenn nicht das Land sich hebt Der Sekten- 
sammet wird nur gewählt für die Pelzkappen und für die sdiltf» 
rockähnlichen Überwürfe,, die die Muslime tragen, und die man 
In KaschgaHen Tschapan, In Russisch Turkestan Chalat nennt; 
natüriich können Tschapane aus Seklensammet nur wohlhabende 
Leute tragen, die In Kaschgarien recht spärlich gesät sind. 

Harlminn, Tvrlittüiii. j ^f 



Die Einfuhr nach Kaschgaricn. 



Ausschli«6lich aus Indien kommt der Musselin, von dem 
ich fünf Sorten sah, englische und indische Fabrikate , er kommt 
meist in Stucken von 18 Yard, die zwischen 2,25 und 7,50 Mk. 
kosten. Auch der Baumwollsatin, der unter dem Namen Latta 
sefid gdit, scheint nur aus Indien zu kommen; ich sah eng- 
lisches Fabrikat, ein Stuck von 39 Yard zu 14 Mk. Indien 
fabriziert eine Art Musselin, der von den Türkenfrauen zu 
den Überwürfen genommen und von den Indem schurzenartig 
um den Leib geschlungen wird, mit dem Sondemamen Dhoti, 
er hat eine rote Borte und kommt in Stucken von 10 Yard zu 
3,50 Mk. 

Ein Artikel, dessen Einfuhr zurückgehen soll, ist der Qürtel- 
stoff Lunggi: er kam früher in großen Quantitäten aus Indien 
und wird jetzt durch andere Stoffe ersetzt. Die Lunggis kommen 
in Stücken von 5, 7, 9, 10 oder 12 Yard und kosten zwischen 
1,25 und 7,50 Mk. Sie werden in Indien von einheimischen 
Meistern gearbeitet; auf Vorrat arbeiten die Fabriken in Husch- 
jarpur. Die Probe zeigt ein Stuck mit hübscher Borde von 
weichem Stoff an beiden Enden, während das Hauptstück ein 
hartes, stark appretiertes Gewebe ist. Von Seidenstoffen, Re- 
schemi Tawar, die aus Indien kommen (aus Rußland scheinen 
Seidengewebe gar nicht eingeführt zu werden), gehen zwei Sorten, 
die eine, die (^zeichnet ist made in Canton, wird von Qaurimal 
durchaus japanisch genannt (man sieht, daß der Name Japan 
seinen Weg nach Zentralasien schon vor den großen Siegen ge- 
funden hatte), kommt über Bombay; das Stück von 18 Yard 
kostet in Bombay 13 Rupien, also etwa 19,50 Mk., in Jarkend 
25 Mk. Die andere Sorte ist Bomb^yer Fabrikat und kommt 
in Stücken von 6 Yard, sehr breit liegend, zu 25 Mk. Die 
zweite Sorte wird stark gekauft. Ein anderer Artikel, der der 
Indieneinfuhr bisher vorbehalten ist, ist der Goldbrokat, sowohl 
der echte als der falsche, schon seit alten 2^iten im Orient 
bekannt unter dem Namen Kimchsb; er wird in Indien fabriziert 
und zwar in Achmedabad, in Gudscherat, in Surat bei Bombay 
und in Benares; ich sah von echtem ein Top von 2 Ellen zu 
60 Mark, breit liegend, von falschem ein Stück von 2 Ellen zu 
25 Mk., beide Stücke aus Surat, Gold auf schwarzem Grund, 
recht gesdimackvoli. 

Nun zu den Textilwaren, in denen eine Konkurrenz zwischen 
England und Rußland besteht. Ganz aus dem Felde geschlagen 
zu sein scheint Engfand für den ordinären Kattun, der Im Orient 
überall mit dem indischen Namen Tschit (oft zu Schit ver- 
stümmelt) bekannt ist. Diese billigen Kattune kommen in großen 
Mengen aus Rußland. Wir sahen oben, daß von den 6 300 000 Mk. 



66 



* w W0* 



^ *-.m , 



Die Einfuhr nach Kaschgarien. 



russischer Einfuhr nach Kaschgarien nicht weniger als 4 Mill. Mk. 
d. h. 607of suf Baumwollwaren kamen. Was von Baumwoll- 
geweben aus Indien nach Kaschgarien geht, durfte, abgesehen 
von den Tüchern (Römäls), kein langes Leben haben. Es sind 
das namentlich shirtingähnliche Stoffe, weiB unter dem Namen 
Nainun und bunt unter dem Namen Sainun, englisches Fabrikat 
und sehr billig. Sie werden sich gegen die russische Konkurrens 
nicht halten können. Dagegen haben einen nur schwer zu er- 
schütternden Stand die schon erwähnten Romais, die man Schnupf- 
tucher nennen könnte , wenn die Kaschgarer diesen Luxus sich 
gestatteten. Es sind Tücher von ca. 48—70 cm im Quadrat» 
Sie werden meist umgebunden oder zum Tragen von Gegen- 
ständen verwandt. Hergestellt werden sie in Indien, England 
und in der Schweiz. So geht gut ein Fabrikat von Triimpy & Schaep- 
pi in Mrtlödi, di^ auch die Marke der Firma und made in Switzer- 
land trägt. Alle diese ober Indien importierten Romais sind 
schreiend in den Farben und erreichen den Gipfel der Geschmack- 
losigkeit. Lustig ist ein Fabrikat aus Dehli, dessen grobe 
Bilder und Inschriften in Hindi mit Handdruck hergestellt sind. 
Die Preise dieser Tücher, sind außerordentlich billig. Das 
Schweizer Fabrikat kostet das Dutzend 2 Mk., das Stück also 
noch nicht 17 Pfennig (in Europa soll allerdings das Dutzend 
mit 85 Centimes gehandelt werden). Daneben kommen nach 
Jarkend solche Tücher russischen Importes, die diskret in den 
Farben sind und nur wenig teurer; sie werden in Jarkend auch 
von indischen Händlern geführt, die an ihnen mehr verdienen als 
an der indischen Ware. Nur gehen sie noch nicht sehr; die 
Russen müssen eben erst lernen, wie die Schweizer und wir, 
dem schlechten Geschmack der Orientalen Rechnung zu tragen 
und ihnen wüste Muster mit knalligen Farben zu machen, wie 
sie es gern haben. Aber die Russen werden es schon lernen. 
Ein anderer Artikel, wo sich russische Konkurrenz breit macht, 
ist Dames, ein damassierter Baumwollenstoff ; noch wird er in 
Massen eingeführt und hat nach der Marke Triumlal-Gopekias 
im Volke den Namen Gopeldas, t)eliebt in verschiedenen übrigens 
unechten, ausfleckenden Färben, besonders schwarz, rot und blau, 
die Elle zu 40 Pfennig; nun kommt Rußland mit einem grünen 
Dames von SauwaMorosow in Orosowo, vom Volke Repb ge- 
nannt (worin wohl unser Rips zu sehen ist mit einer Verschiebung 
der Bedeutungen), die Elle zu 60 Pfennig. — • Rußland liefert 
auch ein billiges tuchähnitches Baumwoll- Fabrikat unter dem 
Namen Schaitan Deresi, aber Wollentuch kommt bisher fast nur 
über Indien. Ich fand unter dem Namen Benat einen guten Stoff 
«made In Germany for Latham & Co." in Stücken von 16—17 Yinl 



f 



Die Einfuhr nach Kaschgarien. 



lum Preise von 3,25 Mk. pro Yard. Es ist mir freilich zweifelhaft» 
ob das reines Wolltuch war. Ganz vereinzelt fand ich in Kasch* 
gar bei dem GroBkaufmann Kerim Achon Baiwetschih zwei Proben 
von deutschem Tuch, aus Rußland eingeführt. Von beiden 
kostete die Elle 5 Rubel, von denen 2,50 Rubel nach Angabe 
des Händlers auf den Einfuhrzoll entfielen. 

Diese Einzeltatsache führt zu der Frage nach Erweiterung 
der deutschen Einfuhr. Wir müssen die Sache ohne windigen 
Optimismus ansehen und uns darüber klar werden, daB zu- 
nächst die Einfuhr deutscher Ware über Rußland, soweit sie 
nicht in RuBland seltet Absatz hat (und das beschränkt sich 
gerade in den Bedürfnissen Kaschgariens mit Entwicklung der 
russischen Industrie immer mehr), keine Zukunft hat. 

Die Kaschgarer Händler bezeichneten mir in fast stürmischer 
Weise den Wunsch: Deutschland möge doch den Transitverkehr 
deutscher Ware durch RuBland erzwingen. Daran ist gar nicht 
zu denken. Wollte selbst die russische Regierung dem deutschen 
Handel diesen gewähren, so würde sich ein Sturm gegen sie 
seitens der russischen Fabrikanten erheben. Denn das wäre ein 
ungeheurer Schlag für die russische Industrie, die immer noch 
verhältnismäßig teuer produziert. Wie sollte denn die deutsche 
Ware an der Grenze Kaschgariens, d. h. Chinas, behandelt werden? 
Die russische geht frei ein. Die unsrige würde doch zum 
wenigsten den gleichen Einfuhrzoll nach China zu zahlen haben, 
wie bei der Herkunft von der Seeseite. Denn es wäre höchst 
unbillig, für die deutsche Ware, die noch dazu unter ganz anderen 
Bedingungen fabriziert, Teifnahme zu verlangen an einer Ver- 
günstigung, die RuBland seinem energischen, sehr kostspieligen 
Vorgehen in Zentralasien verdankt. Und dann die russischen 
Ausfuhrprämien! Diese sind ja aliein die Lösung des Rätsels, 
daß trotz ihrer hohen Spesen die russischen Erzeugnisse so billig 
m Kaschgar verkauft werden können. Diese Exportprämienpoiitik, 
die auch bei dem Handel mit Persien geübt wird, ist. ja eine 
Künstelei, deren schließliches Ergebnis für den Nationalwohlstand 
durchaus zweifelhaft ist, und die keineswegs von allen Russen 
gebilligt wird. Sie wird aber geübt Und es wäre doch höchst 
unbillig, die deutsche Ware an dieser Prämie teilnehmen zu 
lassen, weil sie sich reisender Weise in Rußland auf gehalten hat. 
Die Nichtteilnahme an der Ausfuhrprämie würde aber viel schwerer 
wiegen als die S^hlung des Zolls. 

Bleibt uns nun keine Aussicht, uns in Kaschgarien zu be- 
tätigen? Mit dem Handel im Lande selbst ist für den Europäer 
so gut wie nichts zu machen. Dazu ist der Profit viel zu gering. 
Massenhaft kommen die berüchtigten Andidschanhiqs (so nennt 



68 



EntwickluntsmÖglichkeiten. 



man in Kaschgarien die Törken aus Fergana) in das Land, 
um Geschäfte zu machen. Seltsamerweise sollen sie sogar das 
weit östlich gelegene Chotan den Hindus entrissen bal>en. Die 
Anlage eines größeren Kapitals in Waren wäre bei der Unsicher- 
heit der Verhältnisse durchaus iii|rätiichi. Was von größeren Qe* 
Schäften zu machen ist, wird durch die russisch-chinesische Bank 
gemacht, die seit 1900 eine Filiale in Kaschgar und an allen 
größeren Plätzen ihre Agenten hat. Für das kleinere. Geschäft 
ist die Anlehnung an eine der europäischen Firmen in Taschkend 
oder Chokand, dessen Bedeutung als Handelsplatz in Deutschland 
noch nicht genügend l>ekannt ist >^, durchaus get)Oten. An jedem 
der beiden Plätze gibt es ein deutsches Haus.. 

Wollen wir in Kaschgarien selbst etwas machen, so kann 
es sich fiir uns nur darum handein , in dem Lande Werte zu 
schaffen, in dem Sinne, daß die Bedingungen, die die Natur und 
die Verhältnisse bieten» ausgenutzt werden. Daß das jetzt der 
Fall sei, kann man nicht sagen. Es düifte hier in drei Richtungen 
ein Vorgehen möglich sein. Zunächst ist festzustellen, daß die 
Verwertung des Wassers in der Ebene ungenügend, in den ge- 
birgigen Teilen so gut wie Null ist. Das Bewässerungssystem 
wird heut noch so geübt wie vor 500, ja wahrscheinlich wie vor 
1000 und mehr Jahren — oder vielmehr wohl schlechter, sofern 
man annehmen darf, daß hier Abbröcklungen an der Tradition 
stattfinden. Es würde nicht leicht sein,, der Bevölkerung den 
Wert von Verbesserungen klar zu machen. Aber sie würden sich 
reichlich lohnen. Bei dem gegenwärtigen System fehlen alle Vor- 
kehrungen, das Wasser in den höheren Teilen des Gebirges ge- 
hörig zu stauen. In den Ebenen ist das Kanalsystem nicht 
rationell. Es würden sich die Kulturen, die t>ereits vorhanden 
sind, besonders die Baumwollkultur, t)edeutend heben lassen, 
quantitativ und qualitativ. Der Getreidebau und do* Reisbau 
können ohne Schädigung der Bevölkerung stark beschränkt, ja 
fast ganz eingestellt werden, sobald die Schienenverbindung mit 
Sibirien, sei es auch nur bis an die Grenze Kaschgariens, wie 
sie oben als in Aussicht stehend nachgewiesen ist, hergestellt 
sein wird. Im Gebirge wären mit Erfolg an vielen Stellen Boden- 
kulturen einzuführen, besonders auch Baumkulturen. Freilich hat 
man da zunächst mit dem Widerstände der Nomadenbevölkerung 
zu kämpfen. Aber diese Nomaden sind Kirgisen, und deren 
Intelligenz und Gelehrigkeit wird von allen. Selten das beste 
Zeugnis ausgestellt. Die Hauptschwierigkeit für den Fremden» 
der für seine Bemühungen um die Bodenkultur belohnt sein wül» 
wird immer der Erwerb von Grundeigentum bilden. Denn die 
chinesiscie Regierung widersetzt sich dem Grundbestts Fremder 



Entwicklungsmdglichkciten. 



grundsätzlich. Man mußte dann eben mit Strohmännern art>eiten, 
wie man es in der Türkei getan hat« bis die Zulassung Fremder 
zum Qrundt>esitz erzwungen wurde« Ein anderer Ausweg wäre 
das Zusammenarbeiten mit Einheimischen, das freilich bei deren 
Hinterhältigkeit und dem Mangel an Rechtsschutz immer ein 
Risiko bieten würde. 

In zweiter Linie kommt in betracht die Verarbeitung dessen» 
was an Rohmaterial vorhanden ist. Die Ebenen Kaschgariens 
erzeugen in ungeheurer Menge Gemüse und Obst der besten 
Qualität. Die herrlichsten Weintrauben kommen bis in den 
Februar auf den Markt. Die Hersteilung von Wein aus den 
Trauben ist so gut wie unbekannt, da die muslimischen Türken, 
soweit sie Alkohol genießen, den bei den Chinesen beliebten 
Schnaps trinken. Die Viehzucht liegt in der Ebene wie im Qe- 
birge völlig im Argen. Nun würde die Hersteihtng von Fabrikaten 
aus pflanzlichen und tierischen Stoffen zunächst die Anlage von 
Fabriken erfordern. Die Herbeischaffung der aus Europa zu be- 
ziehenden Maschinen wäre mit erheblichen Kosten verbunden, 
aber die Materialien und die Handarbeit für die zu errichtenden 
Bauten, die im Lande selbst sich finden, sind billig. Für den 
Betrieb wären die sehr bedeutenden Wasserkräfte, die überall 
in nicht zu großer Entfernung von der Ebene im Gebirge sich 
finden, auszunutzen. Auch Kohle ist vorhanden. Aber ihr Ab- 
bau ist gegenwärtig, nach dem, was Geologen mir mitteilten, 
nicht sicher rentabel. 

Endlich käme eine dritte Kapitalsanlage in betracht: in Ver- 
kehrsmitteln. Es ist nicht an den Bau von Bahnen zu denken. 
Solange die Chinesen das Land beherrschen, werden sie solchen 
Bau mit allen Kräften zu verhindern suchen. Das war mein be- 
stimmter Eindruck, und das ist auch der, den andere Reisende 
nach mir hatten. Die Herstellung von Bahnen wäre auch mit 
so großen Kosten verbunden, daß ein Gewinn nicht zu erhoffen 
ist. Es wäre nun ein Versuch zu machen mit Kraftwagen *<>'). Sie 
müßten schmal gebaut sein, um die Brücken der Kanäle passieren 
zu können. Es wäre eine regelmäßige Beförderung von Personen 
und Gütern einzurichten zunächst auf der kurzen Strecke, die 
wohl die begangenste in ganz Kasdigarien ist: die ca. 9 Kilo- 
meter zwischen Kaschgar -Altstadt und Kaschgar-Chinesenstadt 
(Jangischahr). Man hat die Erfahrung gemacht, daß überall im 
Orient, wo praktische Vertcdirsmittd eingerichtet sind, sie bei 
der . Bevölkerung schnell in Aufnahme gekommen sind und sich» 
gut rentiert haben. Ist einmal das Eis gebrochen, so erweitern 
sich die Zonen schnell. Neben dem genügenden Kapital müssen 
Untemdimer vor allem eins mitbringen: Geduld und wieder 



70 



Entwicklungsmöglichkcitcn. 



Geduld. Es geht im Orient alles langsam, und man muB damit 
rechnen, daB nicht an einem Ende allein angefangen werden 
darf, sondern daB verschiedene Faktoren zusammenwirken müssen, 
um ein günstiges Resultat zu geben. Die Bemühungen um die 
whischaftliche Hebung des Landes, die dem fremden Un te rneh m er 
einen Gewinn bringen sollen, müssen verbunden sein mit den 
Bemühungen um die kulturelle Hebung. Und dabei ist auch ehi 
wenig Uneigenniitzigkeit durchaus erforderlich. Ich denke nicht 
an die Vermehrung der Missionare in Kaschgarien, wenigstens 
zunächst nicht Im allgemeinen sind weder die Chinesen noch 
die einheimische Bevölkerung den Missionaren günstig geshmt 
und das ist nicht ganz ohne Berechtigung, wie oben nachgewiesen 
ist. Für den G^hiftsmann ist der Gedanke, eine halbwilde 
Bevölkerung zu erziehen, nicht gerade erfreulich. Aber will er 
sie aufnahmefähig machen und ihre Produktionsfähigkeit steigern, 
so ist der einzige Weg der, dafi ihr eine höhere Lebenshaltung 
beigebracht wN und diese ist von der Hebung des inneren 
Menschen nicht zu trennen. 

So ist der Kreis geschlossen. Oben (S. 59) wurde die 
kulturelle Hebung an die Besserung der wirtsdiaftlichen Ver> 
hältnisse geknöpft. Hier gelangen wir zu dem Ergelmis, daB die 
Mehrung der materiellen Güter auf der Erzidiung der Be* 
völkerung zu Arbelt und Ordnung beruht. Beides steht bi so 
enger Wechselwirkung, daB von- bdden Seiten her lUe BearbeHung 
des Landes in Angriff genommen werden muB. Es bedarf der 
Lehrer und es bedarf der mutigen Pioniere des Westens, die 
seine Schätze zu heben kommen und die, selbst mit m at erte ü en i 
Nutzen arbeitend, zunächst einem kleinen Krebe der Be wdmer 
eine whlschaftHche Befruchtung schaffen, die hnmer weittre 
tiefere Wfrkungm fibt > 




71 




Anmerkungen. 



Eine gedrängte, alles Wesentliche enthaltende Übersicht Ober 

vil -Verwaltung des Turkestanskll Krai gab ich u. d. T. 

„Die Verwaltung der russischen Provinz Turkestan* in 



72 



die Zivil -Verwaltung des Turkestanskii Krai gab ich u. d. T. 
»Die Verwaltung der russischen Provinz Turkestan* in 
»Asien** Jahrg. 11, Juni 1903, S. 133—137, auf Grund einer amtlichen 
Quelle und persönlicher Beobachtungen. Das mitaufgenommene 
Personal hat seitdem bedeutende Veränderungen erlitten. Auch die 
im Text und in den Anmerkungen, die manche Irrtümer berichtigen 
und sonst nirgends zu findende Nachrichten enthalten, gegebenen 
Verhältnisse haben einige Modifikationen erfahren. Doch durfte die 
Zusammenstellung auch jetzt noch Wert haben; eine ähnliche findet 
sich, so viel mir bekannt ist, sonst nirgends. Mitteilungen aus dem 
reichhaltigen «Turkestanskii Kalendar** auf 1904 machte ich in 
.Asien** Jahrg. III. Juni 1904, S. 141—143; besonders lenke ich die 
Aufmerksamkeit auf das aus Jener Quelle gewonnene Bild über die 
Verteilung der militärischen Einheiten in der Provinz. 

*) Zur Erklärung^ und Begründung von «Eurasien** siehe mein 
«Zur Geschichte turasiens** in Orient. Litt.-Zeitung 1904 
(August), Sp. 291—303. Damals schrieb ich: «Die Beziehung der 
beiden groBcn Teile [des östlichen und des westlichen] zu einander 
zu betrachten darf nun gewagt werden, nachdem für jeden einige 
allgemeine Gesichtspunkte gewonnen sind und nachdem das letzte 
Jarirzehnt aus dem Berührungsgebiet uns wichtigste Funde gebracht 
hat (Stein, GrünwedeIX Das ist die Aufgabe, der die nächsten 
Jahrzehnte gehören. Die Verbindung westeurasischer und ost- 
eurasischer Studien ist der Weg, der hier einzuschlagen ist.** Prak- 
tische Vorschläge zur Leitung solcher Studien hatte ich bereits in 
.Neue Bahnen der Orientalistik** gemacht (s. Beiträge zur 
Kenntnis des Orients I, 26ffA. Seitdem sind bedeutende Port- 
schritte in der Behandlung der Gebiete gemacht worden, die nur 
durch Kenntnis beider Kulturen zu erschlicBen sind. In erster Linie 
steht die Erklärung von Erzeugnissen der Ghandära-Kunst als ent- 
wickelt aus der griechischen Kunst durr.h Grünwedel und die Ent- 
zifferung von Texten des osteurasischen iCreises, die dem ManichaYs- ' 
mus und dem iranischen Sprachgebiet angehören durch F. W. K. 
Müller<(8. Anm. 15). Neuestens hat A Reiche I in einem tat- 
sachen-und gedankenreichen Aufsatz «über Analogien einiger 
ostasiatiscner Ornamente mit Formen der kretisch- 
mykenischen Kunst** gehandelt (Mcmnon 1,54 ff.). An einem 
Sonderfall konnte ich nachweisen, zu welch seltsamen und in dem 
Einzelffebiet Khwere Mißverständnisse zeugenden Konstruktionen 
eine Betrachtung führt, die in Vorderasien (Mesopotamien) nicht mit 
dem EinfluB Ostasiens rechnet (s. meine Berichtigung der Sa rr eschen 
Hypothesen über Tonvasen von Mosul In Orlental. LI tt.-Zeitung, 



Anmerkungen. 



1905, Sp. 277-83 und 1906 Sp. 173-^185). Wie im Islam sich Spuren 
des Alten gehalten, Ist aus dem Molla MAni zu ersehen , den der 
Chronist xp&qs von den Mönchen in Lhasa verehrt werden läßt (s. 
mein Islam. Or. I, 210. 326); Molla MAni wohl verstfimmelt aus 
Marl Mftni, dem Namen des Heiligen in den Fragmenten, s. M filier» 
Handschriften-Reste I 352. II 9. 

*) Zu beachten ist, daft die Tfirken Kaschgariens noch heut 
ihr Land «Moghulistfin* nennen. So hörte ich es zuerst von *Arif 
DschAn, dessen Mitteilungen ich in Der Islamische Orient 14 
(«Zentralasiatisches aus Stambul") verwertete. Später fand 
ich es in dem tczkirel *azizan, wo z. B. Jarkend n^tt Hauptstadt 
MoghülistÄns* genannt wird, s. mein Ein Heiligenstaat im 
Islam (in: Der Islam. Orient IX S. 206; vgl. aucti S. 226, 251. 
Der Name kommt schon im 14. Jahrhundert ffir das Gebiet vor, das 
zur Zeit Timurs «Reich der Dscheta (Dschitte)** genannt wurde und 
die Dsungarei und den größeren Teil von Ost- und West-Turkestan 
umfaßte. Ich vermute (vielleicht ist es schon von Anderen gesagt; 
ich fand es selbständig), daß Dscheta (kirgis. Aussprache für jeta) 
oder Dschitte dem semi «sieben** von Semirietschije «Siebenstrom* 
land" entspricht, und das weite Reich nach diesem seinem frucht- 
barsten und reichsten Teile genannt war. Mit dem Yue-ti der chine* 
sischen Annalen und den DscTiats des Pundschab hat der Name nichts 
zu tun, wohl auch nicht mit den Qetae der Alten; vgl. Bret- 
schneider, Anm. 1013 (S. 225). 

*) Das höchst beachtenswerte Phänomen von soziologischer 
und politischer Bedeutung, die 5chaffun|[ eines ausgedehnten Reiches 
durch Nomadenhorden unter Leitung eines energischen FührerSt bei 
geringer Ausbildung des staatlichen Charakters, ist vortrefflich erläu- 
tert an der Entstehung der Osmanen-Macht bei Hertzberg, Ge- 
schichte der Byzantiner und' des Osmanischen Reiches 
S. 461. Richtig ist das immerwährende Wogen innerhalb der noma- 
dischen Gruppen und die gelegentliche Bildung mächtiger Stamm- 
vercinigungcn, selbst heterogenen Ursprungs, die zur Gründung von 
Staatswesen führt, auch dargestellt von Radioff, Das Kudatku 
Bilik, Teil I, S. LVf. 

^) Die Geschichte Chotans wurde zuerst geschrieben von 
Abel-Rdmusat in «La Ville de Khotan** (Paris 1820X und so 
bedeutend ist diese Arbeit, ein dünnes Heftchen, daß der neueste 
Historiker Chotans, Aurel Stein, dessen monumentales ^Ancient 
Khotan** (Oxford 1907) ein ungeheures Material kritisch verarbeitet, 
für manche Fragen noch auf sie zurückgeht (die Auszüge aus dem 
Pienitien sind ihm eine Quelle, die er durch keine bessere ersetzt 
hat, s. S. 151). — Neben Aurel Stein, defvon Chotan aus die Er- 
forschung des ungeheuren Ruinengebietes in Angriff nahm, und die 
Resultate seiner ganz Turkestan in den Bereich seiner historischen 
. Betrachtung ziehenden Arl>eit in dem schon erwähnten großen 
Werke Ancient Khotan niederlegte, ist noch zu nennen Orenard« 
der zehn Jahre vor ihm in Chotan einen längeren Aufenthalt ge- 
nommen und dort vortreffliche Beotuichtungen gemacht hatte. Eine 
Sonderepisode schildert Orenard ausführlich \n dem Abschnitt 
««Histofre Moderne-Ya'qoub Bek et Habiboullah tfadji** 
(Grenard 3, 47— 59). Er behandelt die Schicksale Chotans unter 
Abdurrahman, dem Sohne des Mufti in ChoUn HaMbullah Hadsdtf» 
der auf Wunsch des Vaters den Titel ^König von Chotan"* ange- 
nommen hatte, während Habibullih die wirkliche JHacht behielt 



73 



Anmerkungen. 



'Abdurratimftn war 16 Monate Pascha (d. h. PftdiKhfth „Könige*). 
Dann fiel er in der Schlacht gegen die Tunganen bei Pialma. Sein 
Andenken ist . lebhaft beim Volke. Über das Gedicht auf ihn s. 
Anm. 94. 

*) Aurel Stein hatte bei seiner letzten Reise (1906/7) den 
Eindruck, daß die Södstraße einer Zukunft enü^egen gehe; die 
Ansiedlungen am Lopnor mehren sich, und die Chinesen scheinen 
ein Interesse an der Wiedereröffnung dieser Verbindung zu nehmen. 
Die S.70 (vgl. Anm. 103) angeregte Automobil -Verbindung dürfte sich 
fär die Sfldstrafie besser eignen als für die Nordstraße, bei welcher 
weit häufiger Ströme, SQmpfe, Bergnasen zu passieren sind. Die 
Schwierigkeiten der Verpflegung wegen der spärlichen und sehr 
ärmlichen Bevölkerung auf weiten dtrecken schwinden bei der 
Schnelligkeit der Lokomotion. Es wären Rasthäuser in Entfernung 
von ca. 100 km anzulegen. 

^ In russischen Militärkreisen wurde die Rflckgabe des lli- 
Kreises an China als eine verächtliche Schwäche der Regierung 
empfunden. Man lebt seitdem beständig in dem Gedanken, diese 
Scharte müsse und werde so bald als möglich ausgewetzt werden. 
Der Ili-Kreis ist von den russischen Offizieren mit besonderer Liebe 
bearbeitet worden. Eine Spezialarbett liegt vor in: Diugajew, 
Kriegs - Statistische Nachrichten üDcr den Ili-Rrels 
Swjedenija des Turkestanischen General-Stabes) Nr. 27 



i 



74 



Mai 1901) und 28 (Juni -Juli 1901); diese Nachrichten sammelte 
iugajew Mitte Oktober 1900 bei einem Zuge von 2 Sotnien des 
1. Semirjetschijeschen Kosaken- Regiments, die zwei Feldübungen 
ausführten von der Festung Chorgos (vgl. Anm. 31) bis zur Stadt 
Kuldscha. Man sieht, die russischen Truppen tummeln sich da ohne 
Widerstand auf rein chinesischem Gebiete. Nach sicheren Nachrichten 
hat sich die Lage seit 1905 geändert: der russische Übermut ist 
erheblich gedämpft, und die Vertreter, die sich vordem alles erlaub- 
ten, sind, wenn sie ohne Wache auf den Straßen von Kuldscha 
sich sehen lassen, Insulten ausgesetzt. — Die Lage, von Kuldscha-lli 
da, wo der lli-Fluß die Ebene erreicht, und von wo man verhältnis- 
mäßig leicht über das Boro-Horo-Gebirge in die Dsungarische Mulde 
gelangt (über lli führt der Hauptzugang von der Provinz Semirietschije 
in diese; von Norden, d. h. von 5emipalatinsk her wird der Weg 
über Tschugutschak genommen) hat den Ort immer zu einem 
politisch-strategischen Mittelpunkt gemacht. Er war auch Haupt- 
stadt des Kalmüken (QalmaqVReiches, dessen Vernichtung durch die 
Chinesen 1756 die Aufrichtung der chinesischen HerrschaU in Kasch- 
garien bedeutete (s. S. 18). vgl. Anm. 29. 

*) Playfair 7206: ^Ti-hua, Chih-Li chou in the Ch^n-Tt circutt. 
Outer Kansun; also known as Kung-ning orWu-lu-mu-ch'i, Ourumtsi. 
The City of Ourumtsi is close to, but distinct from, that öf Ti-hua.** 
Der Name Hung-miao-tze fehlt bei Playfair; er ist aber vollkommen 
gesichert (— ^Roter Tempel**)- Nach Bretschneider 2, 28 n. 800 
ist Urumtsi ein Dsungarischer Name, der zuerst in den chinesischen 
Annalen 1717 vorkommt. 

*) Bischbaliq («Fünfstadt*): zahlreiche Literaturnachweise dar- 
über f. bei Bretschneider. passim, besonders 2, 27*-30. Ihn 
Batuta erwähnt bisch bftligh als Gebiet in bilftd alchifä, wo 
ein Vetter des Chaqans einen Aufstand gemacht hatte (ed. Kairo 
1287, Bd. 2, 164). 



Anmcrkungcm 



SB 



w) Der Bericht des Ghij&taddin Naqqftsch (»der Maler*) fiber 
die Gesandtschaft Sch&hrochs an den Kaiser von China (1419—22) 
ist bearbeitet von Qu atrem^re in Notices et ExtraitsBd. XIV, 
387 ff. Das Wesentltche daraus ist mitfletciit mit guten Anmerkungen 
in Yule, Cathay CXCIX-CCXI. Nach dem Originalbericht nahm 
die Gesandtschaft, die auf der Hinausreise Ober Taschkent und 
Sairam gegangen war, auf der Rfickreise den Weg über Kaschgar 
(Ankunft 5. Juli 1422). Nach einem Wege durch Gebirge teilte sich 
die Karawane: die einen zogen Ober Samarkand, die anderen durch 
Badachschan. In Balch fanden sie sich wieder zusammen. Leider 
läftt der Bericht den Trennungspunkt nicht sicher erkennen. Zu den 

. Ausführungen v. Richthofens (China 1, 620f.) bemerke ich Fol* 
gendes: Andidschan war schon damals, genau wie heut, als pars pro 
toto Bezeichnung ganz Ferganas; wenn es heiftt: ein Teil der Kara* 
wane wandte sich aus dem «D^fil^ von Andidschan* zur 
Badachschan-Stra&e, so kann der Trennungspunkt sehr wohl da ge- 
sucht werden, wo noch heut zwei Straften steh treffen: in Irkesch* 
tam (dem natürlichen Grenzpunkt, nahe der Wasserscheide zwischen 
Aral-See und Lopnor-Becken; das russische Militär behauptet frei- 
lich, ihre Diplomaten seien Obers Ohr gehauen, und die Grenze 
mOsse östlicher sein). Heut wird die uns hier interessierende 
Strafte («nach Badachschan*) nur eine kurze Strecke verfolgt: als- 
bald nachdem das Alai-Tal erreicht fst, spaltet sie sich in einen SOd- 
zweig und einen Nordzweig: jener führt zum russischen Pamirskii 
Post, dieser führt über den Taidyk (aus Tallyk, vgl. Molda aus Molla)- 
Paft, vereinigt sich bei Sofi Kurgan mit der anderen, von Irkeschtam 
über den Terek-Dawan-Paft führenden Strafte und endigt in Osch. 
Das Alai-Tal ist aber der Ausgangspunkt nicht biofi für diese beiden 
Straften, sondern noch für eine dritte, die aus ihm zunächst dem 
Qyzylsu und dann weiter dem Wachsch-äb folgt; die oben fS. 9) 
gegebene Darstellung ist dahin zu berichtigen, daft das Wachscn-ftb- 
Tal nicht immer einen Weg bietet, sondern daft der Weg am Flusse 
in der Breite von Faizr*.bäd zu verlassen ist; von dort folgt er einem 
Nebenflüßchen (Jawan) bis Kurgan -Tube und kann dann unbehindert 
wieder im Tale des Wachsch-üb laufen; noch leichter dürfte sich der 
Weg von Faiz&büd westlich über Hisär nach Regar gestalten und von 
diesem im Tale des Surch-Ab nach Patti-Hisär (Tirmiz), der den 
Oxus beträchtlich unterhalb Kargusch-Chan erreicht, so daft die 
gröftere Länge ausgeglichen wird. Ich stütze mich bei der obigen 
Darstellung auf die 40 -Werst -Karte des Turkestanischen General« 
Stabs. Danach ist vor allem der Satz bei v. Richthofen a. a. O. 
497, Anm. 1 zu berichtigen: «Der Wakhsh-äb ist jetzt als identisch 
mit dem Surchab festgestelH." Die einzelnen Momente, die für Fest- 
legung der Strafte in Betracht kommen, und die historisch • geo- 
graphischen Erwägungen, die sich an diese wichtige Verbindung 

. knüpfen (Frage der Comedi u. a.), werden von mir an anderem Orte 
vorgetragen. Vgl. Anm. 11. 

") Bei dem Tempo, das im letzten Jahrfünft die Entwicklung 
Vorderasiens genommen, dürfen wir auch hier mit Möglichkeiten 
rechnen, die man vordem Weit abgewiesen hätte. Der Islam regt 
sich, und wenn dieses Vorwärts zunächst mit einer der Kultur 
feindlichen, d. h. religiOs-fanattschen Gesinnung geübt wird, so ist 
doch der Ernst dieser Bewegung unverkennbar. Der Emir Habt- 
buliah von Afghanistan ist ein ganzer Mann, und er wird nicht ruhen, 
bis er seinem Lande das Wichtigste geschaffen: Verkehramiäl 



TS 



Anmerkungen. 



76 



(Bahnen): Unter ihm ist auf die. Herstellung des Schienenweges 
Quetta-Kandahar-Herat-Kuschkii Post zu hoffen. Ist an diesem 
Punkte der Widerstand Rußlands besiegt, dann wird es auch in die 
andere Verbindung willigen, welche den Nordosten Afghanistans, 
das reiche Gelände am WestfuOe Badachschans, an die Transkaspi- 
bahn (durch einen Strang Tschürdschui-Balch* Kundus oder durch 
einen Strang Merw-Andchui-Bakh-Kunduz) anschließt; Balch-Baktra 
ist, wenn der Afghane Einsicht hat, eine Stadt der Zukunft: das 
muß mit Herat sein politisches und wirtschaftliches Bollwerk gegen 
Rußland werden. Eine solche Verbindung würde zugleich die Aus- 
sicht auf eine andere eröffnen: die S. V skizzierte Straße ist der 
gegebene Schienenweg für die Verbindung des westlichsten China mit 
Buropa einerseits, mit Indien andererseits. Sobald die technisch 
nicht schwierige Strecke Tschärdschui-Kargusch Chan (Mündung des 
Wachsch-ab in den Oxus) oder Merw-Kargusch Chan hergestellt ist, 
bleibt nur noch die Verbindung Irkeschtam-Kargusch Chan zu schaffen. 
Diese Strecke ist etwa viereinhalbmal so lang wie die Irkcschtam- 
Osch (der Anschluß von Osch an Andidschan ist eine Frage der 
Zeit), ca. 700 km gegen ca. 150 km; aber sie ist etwa zu einem 
Drittel eben, die andern zwei Drittel laufen in einem Ftußtal mit 
zahlreichen Ortschaften, während die Strecke frkeschtam-Osch zu 
etwa vier Fünftel über das (Hochgebirge mit zahlreichen Pässen dutch 
eine nur von Nomaden spärlich bewohnte Gegend führt und mehr- 
fache üntcrtunnclungen erfordern würde. Die Linie Irkeschtam- 
Kargusch Chan-Merw fände in Merw den Anschluß an die große 
Indien-Europa-Linie (via Herat) der Zukunft, und damit wäre China 
durch eine zweite Schnellverbindung an Europa geknüpft. Die 
Eisenbahn-Ara Chinas wird bei dem nun bald erreichten Hsi-nang*ru 
nicht stehen bleiben: der Anschluß Kansus bis an seine westliche 
Grenze (Jüm6n) ist absehbar. Für den ungeheuren Trennungsstrich 
Jümßn-Iriceschtam kann zunächst eine Schienenverbindung nicht ins 
Auge gefaßt werden, denn die Bevölkerung ist so dünn gesät und 
die Bedürfnisse sind so gering, das von interlokalem Verkehr eine 
irgendwie ausreichende Alimentation nicht zu erwarten ist. Der 
Weltverkehr aber bedarf einer Vorstufe. Diese Vorstufe ist mit der 
Entwicklung des Automobilwesens gegeben Ich verweise auf 
die Ausführungen S. 70 und Anm. 103. Die ca. 26'H) Kilometer zwischen 
Jüm6n und Irkeschtam ließen sich bei nicht zu großer Leistung in 
10 Tagen zurücklegen. Von Berlin bis Merw (über Baku) sind 
6 Tage zu rechnen, von Merw bis Irkeschtam via Kargusch Chan 
2 Tage; jenseits Turkestans kämen auf das eigentliche China bis 
Peking 4 Tage. Es würde sich die Transport-Zeit von Berlin bis 
Peking einschließlich der 10 Tage Automobilfahrt auf 22 Tage stellen. 
Die Verbindung Berlin -Peking via Sibirien wird sich bei Regelung 
des russisch -japanischen Anschlusses auf 16 Tage stellen. Eine 
Haupterwägung bei Einrichtung der Verbindung über Irkeschtam 
wird immer bleiben, daß sie die Vorstufe wäre zu einer anderen, die 
die Abhängigkeit von Rußland erheblich mindert. Es ist nämlich zu 
erwarten« daß die britisch-afghanischen Interessen sich einen direkten, 
außemissischen Weg nach dem Westen von dem afghanischen Herftt 
aus suchen werden, und daß dieser Weg durch Persien (via Meschhed- 
Teheran-Hamadan-Kermanschah) zu einem Punkte der Bagdad-Bahn 
streiken wird. Es bleibt dann Immer noch Irkeschtam-Kargusch Chan 
(afghanische Grenze) auf russischem Gebiet. Das auszuschalten 
durch die Führung der Straße durch das herrliche, dann endlich sich 



: 



Anmerkungen. 



erschliefiende Badachsch&n (vgl. Anm. 87) mit dem wurstfOrmigen 
schmalen afghanischen Pufferstück zwischen den Pamirs und Indien 
und die nicht leicht von der Schiene zu bewältigende Oebirgsland- 
schalt in Turkestan zwischen dem Baro£il*PaB (vgl. S. 61) und 
Jarkcnd, das ist dann das groOe Problem der weiteren Zukunft, das 
aber schon jetzt ins Auge zu fassen nicht müssig ist, angesichts der 
ungeheuren Verkehrsbewegung, in die die Wende des T9.;20. Jahr- 
hunderts uns versetzte und angesichts der Gefahren, die von der 
Gier der beiden eurasiatischen Großmächte drohen: auch nur ein^ 
von ihnen ein Halt zu gebieten, bedarf es des Zusammenstehens 
aller übrigen; ein Bund dieser beiden Kulturfeinde (Kulturfeind ist 
auch GroD-Britannien, sofern es die Entwicklung der anderen Kultur- 
Faktoren zu unterbinden sudit) ist nicht allzusehr zu furchten, denn 
jeder kennt die Treulosigkeit des andern; es wird aber gut sein« 
die für andere gefährliche Annäherung zwischen ihnen durch alle 
Mittel zu verhindern. — Eigenartig sind die Mitteilungen, die der 
Kommandant De Lacoste in einem Vortrage in Paris am 12. Juni 
1907 machte (Bull. Comit^ de l*Asie Fran^aise Nr. 75, Juni 
1907, S. 194): Die B.ahn Quetta-Nuschki wird von den Briten nicht 
weiter geführt werden, I. weil Lord Kitchener sich der Verlängerung 
bis zur persischen Grenze aufs Entschiedenste widersetzt hat, 
2. weil man für die von der Natur gegebene Verbindung über 
Kandahar bereits die Strecke Quetta-Tschaman benutzen kann (da- 
bei ist übersehen, daB diese Strecke schon bestand, als man die 
Verbindung über Nuschkf in Angriff nahm); es ist offensichtlich, daft 
hinter dem britischen Abwinken ein Anderes steckt, denn die anclo- 
indische Presse hat von der Ntischki -Verbindung einen grcoen 
Spektakel gemacht, siehe Asi^'n V, 6 (März 1906) S. 94 die aus- 
führliche Mitteilung über „Beförderung von Waren von Indien nach 
Seistan und Persicn**. Der Herr Kommandant macht bei Erwäh- 
nung der Verbindung Kandahar-Herat einen Ausfall, der wenig 
verständlich ist; er bemerkt zu dieser Brücke von 700 Kilo- 
metern : «11 y a lä, ä n*efr pas douter, un projet fort-int^ressant et 
8ui serait de nature ä porter un coup fatal ä la ligne allemande de 
»agdad**. Diese Bemericung, die nicht einer hämischen Spitze ent- 
tiehrt, ist unintelligent. Die „deutsche** Bagdadbahn, bei der übrigens 
französisches Kapital mit 40 «/o beteiligt ist, hat das größte Interesse, 
daß das gesamte Gebiet östlich von ihr sich gut entwickelt. Die 
Linie Kuschk-Herat-KaMahar würde für Deutschland eine be- 
trächtliche Ausfuhrvermehrung t^^d'euten, denn der Norden Afglianis- 
tans wird wirtschaftlich immer nach Rußland gravitieren, d. h. nach 
einem für zahlreiche Artikel .unter deutschem Wirtschaftseinfluß 
stehenden Gebiet. Die Waren, «die nach Rußland für Afghanistan 
gehen, haben mit denen, die die Bagdadbahn benutzen, nicht das 
mindeste zu tun. Der Punkt der Bagdadbahn, der Herat am nächsten 
liegt, ist von ihm 1400 Kilometer entfernt. Zu bewundem ist die 
Fantasie, welche bei solcher Entfernung eine Bedrohung entdeckt. 
>>) Lord Curzon legte sdne Beobachtungen nieder in The 
Pamirs und the source of the Oxus, London 1896,99 (aus 
Geograph. Journal. 1896). Üiese Arbeit bietet eine klassische 
Darstellung des Pamir - System^ und ein vollständiges Verzeichnis 
der Pässe zwischen Indien und dem russisch • chinesischen Grenz- 
gebiet. 

t«) Play fair gibt unter Nr. 1997: Ha-la-ho-cho or Ha-U-huo-ch« 
or Ha-la-ho-chou, K^rakhodjo; also calied Ho-chou or Huo-chon, 



77 



Anmerkungen. 



and anciently Kao-cKanff". ^ Das auf die Vorgeschichtt des Landes 
und die Entdeckungsgescnichte der Ruinen Bezügliche ist au finden 
in Klementz, Nacnrichtjn über die von der K. Akad. Wiss. 
Petersburg i.J. 1898 ausgerüstete Expedition nach Turffan, 
Heft 1 (Pet. 1899) und bei Qrum-Grzimailo, Opisanije I, 
278—380. Die volle Bedeutung der Ruinen der alten Uiguren-Haupt- 
Stadt Kao-ch'ang (KuschanX deren Situs das die Gegend beherr- 
schende idikutschari in geringer Entfernung von Qarachodscha ist. 



erschloB erst Grünwedel, der in Bericht über Archäologische 
Arbeiten in Idikutschari und Umgebung im Winter i902;03 
(Abhandlungen der Bayer. Akad. Wiss. L Kl. XXIV, 1, München 1906) 
eine klassische Behandlung seiner Funde gab. 

1*) Die voltständigste Bearbeitung dieses Denkmals liegt \etzi 
vor in Havert (Le P. Henri, S.JO* La St^le Chr^tienne de 
Si-Ngan-Fou I. Fac-SimiN. II. Histoire du Monument. 
Chang-Hai 1895. 1897 (in: Vari^t^s Sinologiques Nr. 7. 12). 

») Durch erstaunlichen Scharfsinn, verbunden mit einer seltenen 
Energie in Verfolgung eines klar erkannten Zieles gelangte F. W. K. 
Müller- Berlin zur Lösung der Probleme, vor weiche die von der 
Expedition Grünwedel 1902/3 mitgebrachten Handschriften -Reste in 
Eslrangelo-Schrift (bis Mitte 1904 waren 800 Stück gezählt) stellten. 
Die bis jetzt darüber erschienenen Arbeiten Müllers sind: I.Hand- 
schriften-Reste in Estrangelo-Schrift ausTurfan, Chine- 
sisch-Turkistan, in: Sitzungsber: K. Preuß. Akad. Wiss. 1904, IX 
(S. 348-352); 2. Handschriften-Reste usw. (wie 1.). II. TeiL 
Aus dem Anhang zu den Abhandlungen der K. Preuß. Akad. Wiss. 
vom Jahre 1904; 3. Eine Hermas-Stelle in manichäischer 
Version, in: Sitzungsber. Preuß. Akad. Wiss. 1905. LI; 4. Neu- 
testamentliche Bruchstücke in soghdischer Sprache, 
ebenda 1907. XIII; 5. Die «persischen* Kalenderausdrücke im 
chinesischen Tripitaka; ebenda 1907. XXV. Erwähnt sei hier 
auch die Behandlung türkischer Fragmente durch Karl Foy u. d. T. 
Die Sprache der türkischen Turfan-Fragmente in mani- 
chäischer Schrift. L Einleitung, ebenda 1904. Llll. Zur Stel- 
lung der Manichäer als Arzte bei den buddhistischen Uigurenfürsten 
s. Bart hold, Ot^et o pojezdkje (Zapiski der Akad. Wiss. 
Petersburg 18^7), 114, und über Manichäer als Barden am Uiguren- 
hofe ebenda S. 116. 

>«) Das Folgende ist nach dem Tezkiretu*I.Bughra gegeben, 
der legendären Geschichte der llekiden (Qarachaniden), aus der 
bereits Shaw in seinem Sketch of the Turki Language (Teil 1, 
Caicutta 1878), 87—107 reichliche Auszüge in Übersetzung^ mit- 
teilte, deren Originale in Turki auf 18 arabisch paginierten weiten 
beigegellen sind. Die kritische Behandlung dieses Tezkire, das in 
unzähligen Abschriften über das Land zerstreut ist und eine Lieb- 
lingsiektüre bildet, und dessen Archetypon sich im Besitz des 
»Schlchi Mangsär" (so sagt man in Kaschgar) in Atysch (Artysch, 
s. Islam. Orient I, 236 Anm. 1) befinden soll, wurde in Angriff ge- 
nommen von Orenard in La Legende de Satok Boghra 
Khan et Thistoire (Journal Asiatique 1900, I, Iff.). Meine Samm- 
lung (jetzt Eigentum der Königlicheiv Bibliothek zu Berlin) enthält 
Stücke des Tezkire (s. mein Die osttfirkischen Handschriften 
der Sammlung Hartmann in Mitt. Sem. f. OrienttSprr. Abt. II, 



ung 1 
(1904), 



78 



Jahrgang VII (1904), Nr. 106. 112. 113). 



Anmerkungen. 



1^ Von Münzen der Dynastie, die von Sttoq Bogbrft gegründet 
ist, und die man gewöhnlich nach ihrem ersten bedeutenden Ver- 
treter liefe Na$r «llekiden* nennt (daneben Qarachanideni hat man 
eine groAe Menge gefunden. Die in der Eremitage in St Peters- 
burg befindlichen sind beschrieben von A. Marlcow in seinem 
Inwentarnyi katalog musulmanskich monet Imperators- 
kago ermitafa (Petersburg 1896), 192-294 (614 Stück> Aurel 
Stein fand oder kaufte islamische Münzen in bezw. aus ToQidschai, 
Jotqan, Chotan, Tschalma-Kazan, Uzun-Tati, Aa-Siptl; auf Tafel 90 
sind 6 Stück abgebildet, von denen 4 wahrscheinlich von einem 
nicht sicher festzustellenden Sulaimän Qadem (?) Tamghadsch 
ChftqAn herstammen (in Almusta*sim möchte ich nicht mit iTapson 
den letzten Chaltfen sehen. Stein 110, Anm. 1 und 575, da jeder Hin- 
weis auf den Islam fehlt, sondern einen Beinamen des ChftoMis); 
von dem Namen Mohammed Arslan (älterer llekide), der auf Nr. 42 
und 43 der Tafel vertreten sein soll, ist auf den Lichtbildern nichts 
zu erkennen. — Ober das heutige Münzwesen siehe zu Anm. 66. 

1") Die in Merat hergestellte Kopie in uigurischer Schrift 
befindet sich in Wien, die in arabischer Schrift, deren Herstellungs- 
ort man nicht kennt, in Kairo. • Bisher nahmen alle, die sich mit 
dem Werke beschäftigten, als selbstverständlich an, es sei in 
uigurischer Schrift niedergeschrieben. Das ist aber unwahrschein- 
lich. Zur Zeit der Abfassung war der Islam in den regierenden 
Kreisen in Kaschgar fest, der Verfasser war ein im Sinne des 
dortigen Islams feingebildeter Mann (sein Werk wurde geradezu das 
Schah n&mei turki „das Türkische Sch&hn&me** genannt^ und die 
arabische Schrift galt als das Edle, wie sie auch auf den Münzen 
der Dynastie (vgl. Anm. 17) fast allein herrscht (die Stücke mit 
knapper uiguriscner Legende neben der arabischen sind selten)L 
/Man darf annehmen, dalT der Islam der Türken Kasch^ars ostentativ 
die Berührung mit den Gewohnheiten der Heidenzett mied. DaB 
man auch in Raschgarien vor der Bekehrung sich der «uigurischen* 
Schrift bediente, ist kaum ein Zweifel. Zuzujgeben ist, dal die Ein- 
führung des neuen Schriftsystems Schwierigkeiten bot. Das utgurische 
Alphabet war für die rein türkische Sprache erträglich geeignet, und 
wer den Versuch machte, echtes Türkisch mit arabischen Zeichen 
zu schreiben, sah sich hinsichtlich der Konsonanten in einem 
embarras de richesse, während die Mannigfaltigkeit der Vokale sich 
nur durch Künstlichkeiten nachahmen ließ. Sobald aber das Arabische 
und das Persische zahlreiche Lehnwörter geliefert hatten, zeigte sich 
die Unvollkommenheit des alten Systems. Wenn man die Einlebung 
der Dvnastie in den Islam auch erst um 1000 ansetzt, so wird zur 
Zeit der Niederschrift des Kudatku Bilik die Umwälzung in der 
Schriftjewohnheit abgeschlossen gewesen sein. Die Existenz einer 
«uigunschen** Kopie beweist gar nichts. Denn es ist sicher, daft mit 
dem Auftreten der Mongolen eine rückläufige Bewegung zur Geltung 
kommt: der Islam-Fanatismus flaut ab, die überwältigende Erscheinui^ 
der Mongolenfürsten, denen es gar nicht einfiel, um der Religion 
willen von dem nationalen Besitz zu lassen, reiftt alles fort und 
zwingt zur Nachahmung. Dschinds Chan hatte bei Einrichtung der 
Verwaltung seines ungeheuren Reiches uigurische Kräfte heran- 
gezogen: das mongolische .Schreibwesen war von dem gelehrten 
Uiguren, den der GroB-Kaan zum Prinzen-Erzieher und Groftsiegel- 
bewahrer gemacht, geregelt worden. Die Nachkommen Dschtngis* 
hielten daran fest (die »mongolische* Schrift ist erst später nach ver- 



79 



Anmerkungen. 



schiedenen Versuchen aus der uigurischen entwickelt worden), und 
die Muslime unter ihrer Herrschafft waren mit dem heidnischen 
Schrifftsystem vertraut. Den Mongolen-Kaisern, auch den zum Islam 
bekehrten, wird die arabische ^hrift immer unbequem geblieben 
sein. Noch bis in die zweite Hälffte des 15. Jahrhunderts (wir haben 
ein sicheres Zeugnis aus dem Jahre 1469 in einer Urkunde des 
Timuriden Omar Scheich, publiziert von Melioranski in Zapiski 
der Russ. Archäol. Gesellschaft, Bd. 16, Petersburg 1904, S.Ol— 012) 
galt es für würdig, fürstliche Erlasse in uicurischer Schrift auszu- 
fertigen. Wenn ein berühmtes Literatur • Denkmal unter solchen 
Umständen in uigurischcm Qewandc erscheint, so beweist das für 
sein ursprüngliches Äußere nichts: es war Mode, uigurisch zu 
schreiben, und was arabisch niedergeschrieben war, goß man in diese 
Schrift um.- Es wäre nicht wunderbar, wenn eines Tages Stücke 
der Heiligen Tradition oder gar des Korans m uigurischer Schrift 
aus der Mongolenzeit zu Tage kämen, wie man ja in der Uigurenzeit 
(wohlbemcrkt: im Uigurenlandc, nicht im islamischen Kascn^arlenl) 
indische Zauberformeln transskriblert in türkische Texte einfügte. 

1^ Beachtenswert ist, daß sich sein Name auch als Ortsname 
findet. Bardschuk Ist eine Ortschaft im Gebiete von Jarkcnd, s. 
Ritter V (Teil 7), 402, in dessen Aufzählung der Städte unter Jarkend 
(nach dem Si-yu-wcn-chian-lo) sich auch ein Barkschük findet, 
das Grigorjew in seiner vortrefflichen Bearbeitung von Ritters 
Band V (Teil 7) 1, 112 zu Bardschuk verbesserte. 

^*) Die Ehrung eines Vasallen oder Untertans durch Verleihung 
einer Prinzessin ist im ganzen Orient üblich und hielt sich als 
legendäres Motiv in den Kreisen, die grundsätzlich auf anderem 
Standpunkte stehen. Der Islam ist in seiner ursprünglichen Form 
dieser Art Machenschaften feindlich, und es war in den ersten 
Jahrhunderten von politischen Heiraten in dem Sinne, wie oben 
nachgewiesen, nicht die Rede. Aber schon früh schmuggelt die 
Gruppe der Muslime, bei der unter der Tünche des Islams die alte 
Denkart fortlebt, auch dieses Motiv ein: die Tochter des letzten 
Sasaniden Jezdcgird III., SchahrbAmi, wählt Husain, Sohn Alis, zum 
Gatten, und so ist die Reihe der Saijids der Linie Husain an das 
persisch-nationale Herrscherhaus angeschlossen. Vgl. meine Be- 
merkungen zu diesem Heirats-Motiv in Buchwesen in Turkestan. 
Mitt. Sem. Orr. Sprr. VII (1904), 81, Anm. 2. Ober die politische 
Bewertung fürstlicner Heiraten äußerte sich bemerkenswert Bismarck, 
s. Zukunft vom 12. August 1905, S. 237 f. 

>^) Ratzeis geistreich aufgestellte und mit Scharfsinn und 
Gelehrsamkeit durchgeführte Theorie ist vielfach mißverstanden und 
übertrieben worden. So kamen denn die seltsamen politischen 
Suggestionen zu stände, welche auf Ratze I sich stützend in gewissen 
Bodenverhältnissen eine Art von Zwang zum erobernden vorgehen 
finden, siehe mein Referat über Recueil de M^moires p. les 
Professeurs de TEcole desLettres et des M^dersas (Alger 
1905) in Zeitschrift für Assyriologie XIX (1906). 342ff. Für 
die Zeiten, in weichen die Technik des Brückenbaus bei schwierigen 
Verhältnissen völlig versagte, war der himmelhohe Wall zwischen 
Mäwarft*annahr und Turkestan kein Hindernis für das Herüber und 
Hinüber. Wohl aber schied damals der Oxus scharf: auf sein West- 
ufer tragen die Machthaber Bucharas nur selten ihre Waffen, und 
Chorftsan steht viel häufiger in politischer Einheit mit Fftrs als mit 
dem Milchen Nachbarlande. 



80 



Anmerkungen. 



**) Die Alpen schflttten nicht Italien vor dem von Gallien her 
kommenden Hannibal und anderen Heerf Qhrem nach ihm (Napoleon, 
Suwaroff). Und für die Deutschen war der Dergwall kein Hindsmis 
nach dem Lande ihrer Sehnsucht zu ziehen. 

^ Diese Zeit ist von mir behandelt in: Ein Heiligenstaat 
im Islam: das Ende der Caghataiden und die Herrschaft 
der Chogas in Kaschgarien (Islam. Orient I, 19S— 374). 

**) Die Reise Apaqs ist jetzt gesichert durch Ms. Sinicus 1 der 
Sammlung Hartmann (Kgl. Bibliothek Berlin). Wir ersehen aus 
dieser Quelle sogar, welchen Weg der «Heilige* genommen hat 
Es heifit da S. 11 (siehe Forke, Ein Islamisches Tractat aus 
Turkestan in: T'oung-pao, Ser. II vol. VIII, S.-A. S. 65): ,Im 
Orte Kaschgar lebte ein ehrwürdiger Mann Namens Hidayet Allah. 
Später begab er sich nach dem Orte Sining.* Hidäyet Allah ist der 
eigentliche Name Xp&qs, Sintng ist die bekannte Stadt ca. 110 km 
östlich vom Kuku Nor, die letzthin oft besucht wurde (Futterer» 
Fi lehn er) und die nicht scharf genug als ein wichtiger Treffort 
verschiedener ethnischer und kultureller CSruppcn bezeichnet werden 
kann (s. mein Ref. über Futterer Kel. Szemle VIII, 1907, 149). 

^0 Über die Ermordung Adolfs von Schlag in tweit be- 
richtete sein Bruder Hermann in den Sitzungsber. der Bayr. Akad. 
Wiss., Math.Physik. Kl. 1869, S. 181. Am 12. Dezember 1888 wurde 
der Platz für ein von der chinesischen Regierung dem Andenken 
des Forschers gewidmetes Denkmal eingeweiht, am 15. Juni 1889 
war der Bau beendet (Bericht darüber s. in Sitzungsber. Bayr. Akad. 
Wiss., Phil-Hist. Kl. 1890, S. 457-472). Im Oktober 1902 stellte kh 
fest, daß das Denkmal völlig verfallen ist; die Gedenktafel wird im 
Russischen General- Konsulat atifbewahrt. 

^) Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf 
Kornilow. Der hatte zuerst in den Swjedjenija kasajuMHijasja 
stran,sopredjetnych sturkestanskim wojennym okrygom, 
herausgegeben vom Stab des Turkestanischen Militärbezirks, Heft 
XXVI, März 1901 (dieses und einige andere Hefte kamen in meine 
Hände durch die Güte eines russischen Offiziers, der nicht mehr 
unter den Lebenden weilt), einen Artikel: Otscherk administra- 
tiwnago ustrotstwa Sin-Tsziäna „Skizze der Verwaltung 
von Sm-Tszian" publiziert. Bei Herausgabe seines umfassenden 
Werkes »Kaschgarija* (Taschkent 1903) nahm er diesen Artikel 
als Kap. VI darin auf, jedoch mit kleinen Änderungen: es fehlen 
die übersichtliche Einleitung Swjedjenija 1^5 med. und die Ab- 
schnitte über die nicht zu TCaschgarien gehörenden Tao-Tai-Amter 
Kuld5cha und Urumtschi Swjeo. 6f.; anstelle eines Satzes von 
10 Zeilen Swjed. S. 16 hat Kaschgarija einen gro&en, inhaltlich 
wichtigen Einschub S. 260 med. bis 264 med.; einige Sitze Swjed. 
18 f. fehlen in Kaschgarija: endlich ist der Schluß von Swjedjenija 
etwas schärfer gefaßt als in Kaschgarija. Da sich Nachrichten 
über die Provinz -Einteilung Hsin-Cfiiangs kaum anderswo als in 
diesen russischen Quellen rinden dürften, habe ich auch das in 
Kaschgarija Fortgelassene aus Swjedjenija eingearbeitet — 
Kornilow fojgt natürlich der bei den Russen üblichen Umschreibung 
des Chinesischen, und In diesem Rahmen scheint er sorgfältig zu 
sein. Es ist die Ansicht verbreitet, man könne sich in der russischen 
Umschrift schnell zurechtfinden. Mh* scheint es nicht so; es gibt 
nicht wenige Beispiele von Unglekhmäfligkelten, welche zeigen« aaft 
"tan mit den Formeln russ. d » Wades ch\ russ. 2/ - Wadesch, 

Hartiiitnii,TarkMtaii. 5 gf 



/ 



■ -* *<-■■ . -« 



Anmerkungen. 



82 



niss. ts » Wades ts*. russ. tsz — Wades tz nicht auskommt 
Die Feststellung der Kunstausdrücke der Verwaltung wurde mir 
ermöglicht durch die ausgezeichnete Arbeit des Pater Hoang 
(Pierre), M^langes sur TAdministration (Varidt^s Sino« 
iogiques Nr. 2\\ Chang-Hai 1902, aus dessen Umschrift nach dem 
Couvreur* System die Wade -Form leicht zu gewinnen war. 
Schlimmer daran war ich für die chinesische Form der Ortsnamen. 
Da läDt das nützliche Buch von Playfair: The Cities and 
Towns off China, Hongkong 1879, zuweilen im Stich. Nicht ohne 
Interesse sind die Formen, die das chinesische Wort- und Namen- 
Material, das hier in Betracht kommt, im Munde der Türken ange- 
nommen hat, wobei in Betracht zu ziehen, daB die Beamten der 
Provinz (von Kaschgarien weiß ich es sicher) aus Fulan d. h. Hunan 
stammen und durchaus ihren heimischen Dialekt sprechen, in dem 
I. B. shu »Buch** zu ffu wird (nach Forke, Südchinesische 
Dialekte in Mitt. Sem. Orr. Sprr. Abt. I, VI (1903), wo Fulan für 
Hunan bestätigt ist S. 294, ist shu in Hunan «fthu mit dem ^eigcn- 
tumlichen Zischlaut Mh* (S. 284); das widerspricht nicht, sondern 
beweist nur, daß es mißlich ist, von einem einheitlichen «Hunan- 
Dialekt" zu sprechen). Das Volksmäßige wird, so weit es mir 
bekannt geworden, jeweilig; in den Anmerkungen beigebracht. — 
Die Verwaltungs-Übersicht bei Grenard (Dutreuil du Khin 2, 259) 
ist von der hier nach Kornilow gegebenen ein wenig abweichend. 
Ich gebe sie wörtlich an der gehörigen Stelle. Zur Übersicht gebe 
ich das Schema der allgemeinen Reichs-Verwaltung, wie es sich bei 
Hoang findet; es ist daraus die Verschiedenheit der Schreibung 
desselben Wortes (chou-tcheou usw.) leicht zn ersehen. Nacn 
Hoang S. 32 zerfällt das Reich in Cheng [Sheng]; das Cheng ist 
eingeteilt in Fen-cheou-tao [Fen-shou-taoj »Circuits de döfense" 
und Fen-siun-tao TFen-hsün-laol «Circuits de vigilance". Die Tao 
sind geteilt in a) Fou [Fu] „Prefectures**, b) Tche-li-tcheou JChih- 
li-chou}, «Vice-pr^fectures ind^pendantes", c) Tche-li-t'ing [Chih-Ii- 
fing], „Mineures prefectures ind^pendantes*. Die Fu und die 
Chih-li-chou sind geteilt in a) Hien (Hsien) „Sous-Pr^fectures", b) 
Chou-tcheou [Shu-chou], „Vice-pr<^fectures d^pendantes", c) Chou- 
t ing [Shu-ting], Mineures prdfectures ddpendantes, d) rong-p*an-f ing 

tTung-p'an-fmg] «Petites ordectures dependantes*. — Das bekannte 
^uch von Mayers (The Chinese Government, 2. Aufl., Shang- 
hai 1886) ist für die gegenwärtige Administration von Turkestan 
unbrauchbar. Da es \n der Hauptstadt zusammengestellt ist und 
die Chinesen dort notorisch nicht Im stände oder willens sind , über 
Verwaltungseinzelheiten der entfernten Provinzen sachgemässe Aus- 
kunft zu geben, wird es auch für den früheren Zustand nicht zu- 
verlässig sein. Doch gebe ich die Hauptsachen nach Mayers, weil 
vieles in der älteren Literatur (z. B. manche Stücke in Radi off, 
Proben der nördlichen Türk- Sprachen VI, Tarantschi- Texte, ohne 
Kenntnis jenes früheren Zustandes unverständlich ist. Mayers* 
Hauptartikel ist Nr. 557 (im Auszug): 111 Tsiang Kün [Chiang Chün], 
Militär-Gouverneur von lli, richtiger: General-uouvemeur oder Vize- 
König von Chinesisch Turkestan. lli ist eigentlich die Dzungarei; 
als die Chinesen das Qalmaqen-Reich zerstört und das Gebiet auf 
beiden Seiten des Tien-Shan unter ihre Herrschaft gebracht hatten, 
machten sie zwei große Provinzen; nach ihrer Lage nördlich und 
südlich des Tien-Shan benannt: Tien-Shan-Peh-Lu und Tien-Shan- 
Nan-Lu, zusammen als Sin Klang [Hsin Chiang] unter einem General- 



ÄnmerkunfSen. 



Goaverneur; der erste wurde ernannt 1764. . . . Zahlreiche Kolonisten 
wurden in das Land geworfen. . . . Ili fiel an Ruftland, Kaschgarien 
kam an Jakub Chan, den Ngan-tsi-yen d. h. «Andidschanr der 
Chinesen. Die Wiedereroberung durch die Chinesen ist zum Teil 
ffegläckt. Dem Tsiang KOn von Ili unterstehen (Nr. SS)-nS61): 
Tsan Tsan Ta Ch*dn JMilitary As^stant Qovemor*, je einer in Ili, 
Tarbagatai, Yarkand. -^ Litfg Tu! Ta Ch*6n »Commandant of the 
Forces**, in Iti, Tarbagatai, Ush, Yarkand, UrumtsM, Turfan, Quchen 
and Kurkara Usu. — Pan She Ta Ctitn »Agent*, in Kashgar, 
Kharashar, Kuch^, Aksu« Khoten and Hami. — rlieh Pan Ta Ch^n 
und Pang Pan Ta Ch*£n »Assistant Agent*, in Ush and Hami*. Wie 
sich die Einteilung im Kopfe und im Munde der Tflrken gestaltet 
dafür führe ich die Darstellung des Regieningsschreibers Kipik 
Mizä (vgl. Anm. 61) in Jarkend an: «Die f'rovinz Sing [sheng] zer» 
fällt in I. Dschü [=- chou], 2. Ting.[» fing], 3. Sehen f« hsien], 
mit den entsprechenden Kuangs ati der Spitze; der Schen-kuang 

Shsien-kuangJ wird von den Türken Schang-gang genannt.* Vgl. 
^nm. 56. 

s^ Grenard a. a. O.: »Le gouvemeur gdndral (fou*t*ai) du 
Sin-Kiahg dopend du vice-roi de Chen-kan, r^sidant ä Lan-tcheou . . . 
il peut correspondre directement avec la cour de P^kin.* — Bei 
Hoang 33 ist die Provinz Hsi-Chiang die sechszehnte und folgtauf 
14 Kansu und 15 Sehens! ; sie hat da I Siun-fou, 1 Pou*tcheng se« 
4 Cheou-siun-tao [Tao-f ai], 2 Fou, 4 Tche-li-tcheou, 11 Tche-It- 
f tng, II Hien; des Ngan-tcha-se Amt wird versehen von Fen-siun- 
tao der Präfcktur Ti-hoa-fou. — Ein älteres Verwaltungsverhältnis, 
Zugehörigkeit der Distrikte Barkui, Urumtsi und Hami und der 
Städte Pidschan und Murui, stellt Playfair Nr. 504 dar, vgl. Anm. 
37. " In den besseren Stellen der Provinz saßen 1902/3 Verwandte 
des Generals TsungTung, dem die Chinesen die Wiedereroberung 
18/7 verdanken: Lu Ta-lao-jre, der Hsien-Kuang von Kaschgar, war 
sein jüngerer Bruder; Lu-chi Ta-fcn (gesprochen Lutschidann), der 
Dschn lchou]-Kuan(; von Chotan, war Sohn seines älteren Bruders. 
^) Auf die Militär-Verwaltung in gleicher Ausführlichkeit hier 
einzugehen wie auf die Zivil -Verwaltung muß ich mir versagen. 
Ihre Darstellung nimmt 70 Seiten von den 426 des Kornilowscnen 
Werkes ein und dürfte den wertvollsten Teil der Arbeit bilden, da 
Komi low hier als Sachverständiger spricht, der mit dem Auge des 
berufsmäßigen Spähers beobachtete. Nur Einiges sei hier beigei>racht 
aus meinen persönlichen Erfahrungen unter Benutzung von Kornilow 
und Hoang. -r- Als ich in Kaschgar mit dem Kosaken, den mir 
Hauptmann Tscher nazubow zur Verfügung gestellt als mit diesen 
Dingen vertraut, die Pflichtbesuche machte, wurde ich auch zum 
Hsie-rai (bei den TQrken Schietai; bei Hoang fehlt die Charge, 
wenn sie nicht in dem Hid-tchen [Hsie^chenj »Vice*Qdndral dt 
Brigade* S. 49 zu sehen ist) geführt, der mir als der Platzkomman- 
dant von Kaschgar bezeichnet wurde; er wohnt außerhalb der engeren 
Stadtmauern in einem befestigten Anbau, der ein bedeutendes Gebiet 
umfaßt, gewissermaßen ein viertel für sich ausmacht Ich fand 
einen amüsanten alten Herrn, der in der ganzen Gegend dafür 
bekannt ist, daß sein Hauptsport die Betrachtung und chinesische 
Vervollständigung einer alten Weltkarte sei, die ihm einmal von 
Petrowski geschenkt worden. In der Tat wurde sofort diese 
Karte zur Sprache gebracht; es zeigte sich, daß von dem lern- 
begierigen Manne die Namen der Länder auch chinesisch eingetragen 



Anmerkungen. 



waren; mit seinen geographischen Kenntnissen stand es freilich 
trotz dessen recht übel; auch einen kleinen englischen Handatlas 
in Buchform schleppte er herbei, in dem ich ihm «Qermany'* auf- 
schlagen mußte. Mir war es viel interessanter, etwas aus seinem 
Fachgebiete zu erfahren; dawar er aber Schweiger; nur so viel kam 
heraus: „Soldaten habe ich hier nicht viele unter mir; denn es ist 
ja Friedenszeit; ich kann aber jeden Augenblick Ober 5000 Mann 
zum Kommandieren bekommen.^ Gelegentlich dieses Besuches 
wurde auch festgestellt, dafi alle Beamten des Landes aus einer und 
derselben Provinz Chinas seien, aus Hunan (Fulan): er (der Hsie- 
T*ai) hal>e seine Heimat als Neunzehnjähriger verlassen und sei 
nie wieder dort gewesen. Man sagt (z. B. Cobbold S. 295), daß 
diese Hunan-Beamten als einzige Besoldung haben, was sie durch 
den Teehandel verdienen, da Tee Regierungsmonopol ist und in der 
Hand eines Syndikates von Hunan-Händlern liegt, die von den hohen 
Preisen für ihre schlechte Ware die Beamten bezahlen müssen. 
Doch das ist sicher übertrieben, wenn auch ein solches Geschäftchen 
gewiß gemacht wird, wie das ganz im Stile asiatischer Verwaltungen 
ist. — Zum Titel T'i-tu siehe Hoang S. 49 I, 3f.: -T*i-tou, 
<Q^n<$ralissime provinciaf." — Chiang-Chfin ist Titel des Offiziers« 
der an der Spitze einer der neun, mit Mandschus besetzten Stationen 
(Chu-fang) steht, s. Hoang S. 112, V, wo unter P, i richtig Y-Ii 
als Station angegeben ist. —.Pas Hebei von Hebci-Amban gelang 
mir nicht zu verifizieren. — Über das hier öfter gebrauchte Langza 
(z. B. S. 31) bemerke ich, daß es wahrscheinlich als lien-tzu an- 
zusehen und dem lien-kiun [lien-chün] «Corps de troupes 
exerc^cs" der Reform des Kaisers Tong*che von 1864 (s. Hoang 
S. '0, II) gleichzustellen ist. 

») Playfair Nr. 8563: „Yi-Ii, lli P Province in Chinese Tur- 
kestan, 2 " Chief town of the above province; also calied Kutdsha, and 
Hui-yüan, in ancicnt times Yi-la-pa-lf or Yi-li-pa-li, llbatik; the an- 
cicnt city of Almalik (see Nr. 16) has been identified with lli." Das 
balik in llbalik (vgl. auch Chanbalik (-== Pekin) und Taschmalik 
westlich von Kaschgar, Almalik, Bischbalik und anderes) ist türk. balyq 
„Stadt"; s. meine Ausführungen über chünbalyq im Ref. über 
Marquart, Streifzüge DLZ. 1904, 2105. Über die Stellung 
Kuldschas in der Verwaltung vor 1885, dem Jahre der Einrichtung 
des Tao-fai-Amtes Kuldscha, s. Anm. 27 a. E. Vgl. auch Anm. f. 
Die Aussprache von lli als IIa und von Kuldscha als Ghuldscha bei 
den Bewohnern Kaschgariens ist durch Arif gesichert, s. mein 
Islam. Orient I, 104; Ua (ilah) ist auch die Scnriftform, s. ebenda 
S. 165 n 1. Kuldscha ist derselbe Name wie der der Station zwischen 
Osch und Söpi Kurghan, der von mir als Ghuldscha gehört wurde 
und allgemein so angegeben wird. — Vortreffliche Artikel über lli 
und den Ili-Kreis (lliiskii Krai) finden sich im russischen Brock- 
haus 24, 9l6f. (von Nikolskii) und 24, 920-922 (von Grum- 

G r £ i m a i I oX 

"('^ Grenard a. a. O.: „L*intendance d*1li renferme un fou: 
Khouldia, deux fing: Tching-ho et Tarbagatai, deux hien: Keuna 
Khouldia^Xhingyuan) et Soui-toun." 

>() Über Ch*tn-Ch*a-Ho-Chi kann ich keine Auskunft geben; 
es ist vermutlich der chinesische Name (Chinisierung?) des Raupt- 
ortes der Gegend, der auf der russischen 40 Werst-Karte als Chorgos 
eingetragen ist. Chorgos liegt da nur 35 km ONO. von Dscharkent 
(russische Kreisstadt im Obl. Semh'jetschije; der Name ist kasakisch 



84 



Anmerkungen. 



I 



ausgesprochenes Jarkend) am Chorgos, einem Nebenfluft des lli; 
fiber Stadt und Fluft s. Qrum-Grzimailo, Opisanie 1, X 11. 
Der Fluft Chorgos bildet seit dem 12. Februar 1881 die russisch- 
chinesische Grenze (Gr.-Cf. S. 3). 

^ Tschugutschak hat eine groBe Bedeutung alsn<Mliches 
Einfailstor Rußlands in die Dsungarei und zugleich als wirtschaft- 
liches Zentrum, in welchem die russische Wart Mühe hat« sicli 
gegen die aus und durch China kommende zu halten. Reichhaltige 
Mitteilungen über Tschugutschak machte der Chef der West- 
Srbirischen Brigade Generalmajor Dschi galin in seineh „Reise- 
notizen*' Aber die lnspektion des Regiments in Saissan i. J. 1901 
(gedruckt in: Swjedeniia des Turkestan. Qeneralstabs Nr. 30, 
Nov.— Dez. 1901, S. 18—31; der nicht ausgesprochene SchluB ist: 
wir müssen das Land haben, nehmen wir es!). Spezialia ül>er die 
Handeisbewegung hatte Grum-Grzimailo schon 1896 gegeben 
(Opisanie i, 8U. 112 f. fiber Einfuhr englischer Waren). Tschu- 
gutschak ist durch Telegraph mit Europa und mit Unimlsi*Peking 
verbunden. — Tarbagatai hat Playfair unter Nr. 6938: „T'a-^rh-pa- 
ha-fai, Tarbagatai, province in Mongolia.*' 

"^ Gre n ard a. a. O.: „L*intendance d*Ouroumtchi, oü le Grand 
Juge fait les ffonctions de tao-f ai, comprend une pr^fecture de I« classe 
(fou): Ouroumtchi, quatre t*tng: TourfAn, Koumoul (Hami), Barkoul 
(Tchen-ti), Kara-Oussu, quafre hien: Ouroumtchi, Tsch*ang-ki, Tchi* 
tai (prfes de Goutchen), Manas (Soei!^), une sous - pr^iecture de 
3« classe: Tsi-Mou^a.** — Ob<er den Namen Urumtschis bei den 
Chinesen s. Anm. 8. 

^) Von den hier erwähnten Namen der Ti-Hoa-Fu (s. Anm. 8) 
unterstellten Amter finden sich bei Playfair: 347 HChang-chl, 
Chang-kih, Hsicn in Ti-hua Chpu**. — 6709 „Sui-ning. P Town in 
Guter Kansuh, also calied Ma-na-ssA, Manas. The town of Manas 
is situated a short distance from Sui-ning"; vgl. 6707 ,Sui-lai, Hsien 
in Ti-hua Chou, Kansuh**. Da Manas in emiger Entfernung von 
6709 Sui-ning liegt und 6707 Sui-lai als «Hsien* Dezeichnet ist, also 
doch wohl bedeutender als 6709 Süi-ning ist, wird Manas gleich 
Sui-lai gesetzt werden dürfen. Hi-Iiang (reiste 1260—63) erwähnt 
nur den Fluß Mana-ssii, s. Bretschneiaer 1, 160. — 3600: »Ku- 
ch'öng: P Gutchen (or Ha-l£-k£-a-man, Kalgaman), town in Harashar 
[so! also in. P-*s Quelle zum Chih-Fu Qaraschar (s. Anm. 43) ge- 
rechnet].** Über die Straßen von Gutschen nach Kobdo und nach 
Zaisan s. Bretschneider 1, Anm. 5 und 151. — 689 .Ch*i-f ai, Ki-tal» 
Hsien in Ti-hua Chou, Kansuh". — 2321 Hu-fu-pl or Ku-fa-pa, 
Kutopi, also calied Khutukbai and Khutaigai; town in Outer 
Kansuh**. 

^0 Ching-Ho (Ching-He) scheint sonst nicht erwähnt zu sein. 

>") Playfair 3677: ICu-«rh-k*^-la, Kur-kara-usu, also calied 
Sui<hing; town in Tarbagatai [vgl. Anm. 32].** — Shi-Ho scheint 
sich sonst nicht zu finden. 

«n Playfair 495: Ch6n-hsi, Chinsi, 1 • Ting in Outer Kansuh, 
in the Ch^n-ti circ.; calied also Barkoul*: vgl. dazu 504 »Ch€n-Ti, 
circ. in Kansuh, comprising Chön-hsi Ting, Ti-hua Chou, Ha-mi 
Ting, and the towns Pidjan, Urumtsi [so] and Murui [so]**: diese 
Notiz stellt die ältere Verwaltungs-Phase dar, in welcher die Provini 
Hsin-Chiang noch nicht gebildet war; vgl. Anm. 28. — Nach Bret- 
Schneider Anm. 966 wird der alte Name Pu lei von den Chinesen 
mit Barkul identifiziert, und nach demselben 1, 310 ist Barkol in der 



85 



Anmerkungen. 



ersten Ausgabe der Geographie Ta Ts*ing I f ung chi (von 1744) 
mit Ba-H*k'un-rh umschrieben. Eine chinesische Inschrift vom Jahre 
137 n. Chr., die sich dicht bei Barkul in dem Tempel des Koan-Ti 
befindet, ist mit Dev^rias Bearbeitung mitgeteilt Qrenard 3, 136. 

»") Play fair 2003 „Ha-mt, Hami or Khamil (also writtcn K6- 
mu-ll, Ha-mi-H and Kan-mu-lu), Ting in Ch6n-hsi Chih-Li-Chou and 
in the Chfin-Ti circ. (vgl. Anm. 37), Kansuh". — Reichliche Angaben 
Ober Hami-Qumul s. Bretschneider2,20f.u.o., Grum-Grzimailo 

1, 443—68, vgl. auch Richthofen u. Yule passim. 

"^ Play fair: 7634 »Tu-lu-fan, Turfan (also callcd Kuang-an- 
cK6ng), Tinjg in Ch£n-hsi Chih-Ll-Ting [lies Chou], Kansuh." - 
Eindnngend ist Turfan behandelt bei Grum-Grzimatio 1, 301—81; 
vgl. auch die ausführlichen historischen Erörterungen Bretschneider 

2, 189-202. — 5699 „Pi-chan, Pidjan, town in Outer Kansuh; there 
is anothcr town of the samc name in Yarkand, half way bctwecn 
Ush and Kashgar**. Ober das bekannte Pidschan s. G r u m - 
Grzimailo 1, 419ff.; nach Bretschneider 201 f. ist es eine der 
sechs Städte, über welche nach dem Si-yu-wen-chien-iu 1760 Sulaimän 
Ibn Amin Chodscha herrschte, und nach Anm. 979 ist Pidschan 
das von Wangycn-te auf dem Wege von Hami nach Qarachodscha 
(Kao-ch'ang) berührte Pao-chuang. Ober das in der Tat halbwegs 
zwischen Ütsch -Turfan und Kaschgar liegende Pidschan stehe Hedin 
257, der Ptjann [Ptdschan] schreibt. Pidscnan steckt auch in Ptjänntji 
(Index: «Heuverkäufer^X das Med in S. 6 unter den Ortschaften 
zwischen Jarkend und l'osgam nennt. 

«0 Play fair: 76 „An-hsi, Nfiran-si. 1» Chih-Li-Chou in Kan- 
suh"; das An-si-fan der Karten. — 8812 Yü-mfen, Yuh-mun. 1 » Hsien 
in An-hsi Chou, Outer Kansuh". — 6681 „5u, Suh, Chih-Li-Chou in 
the An-su circ, Kansuh; Sui, Su-chou, military district; Ming, 
Su-chou, Fu"; der Name ist unzweifelhaft identisch mit dem Sa- 
Tscheu der Karten. — Zu beachten ist noch Play fair 102 „An-su, 
Ngan-suh 1 ® Circ. in Kansuh, comprfsing An-hsi Chou and Su Chou". 
Dieser Name An-su, der nicht mit An-hsi verwechselt werden darf, 
scheint heut nicht mehr üblich zu sein. 

*^) Die Darstellung der Kompetenzen desTao-Tai bei Korni- 
low, dem hier gefolgt ist, stimmt im wesentlichen mit der bei 
Grenard 2, 260 übercin. Es ist noch zu beachten, daß die Be- 
amten-Stellung eine Eigenart hat, die dem Fremden zunächst die 
Kompetenz -Verhältnisse als einen unlösbaren Wirrwarr von Willkür- 
lichkeiten erscheinen 186t: das ist die Rücksicht auf das Alter. So 
fügte sich, wurde mir erzählt, der Tao-Tai von Kaschgar den 
Wünschen des Hsie-Tai, Kommandanten der Garnison, der keinen 
höheren Rang habe, nur wegen des höheren Alters. 

^ Playfair 11: „A-k(6-su, Aksu or Oksu, town in Yarkand 
so)**; es ist türkisches aq su „WeiBwasser**; der Tungane, mit dem 
ch im November 1902 in Kaschgar arbeitete, sprach es deutlich 
ftk*esu aus, und Arif aus Aksu las den Namen setner Vaterstadt, den 
er mit chinesischen Zeichen geschrieben hatte (das Einzige, was er 
chinesisch schreiben konnte) ft-ke-su, s.meinZentralastatisches 
aus Stambul (Islam. Orient I), 120 Anm. 1; ebenda S. 115 f. 
auch die Angaben Arifs über Aksu. — Grenard a. a. O.: „L'inten- 
dance d*Aksou compte un tcheou: Aksou, trois t*ing: Ouch Tourfän, 
Koutcha, Karachahr, deux hien: Bay et Lop, deux sin hien (sous- 
pr^fecture, de 3e classe): ville d*Aksou". Das Geographische von 
Aqsu s. Hedin 252 (Allgemeines über die Stadt in „Durch Asiens 



i 



86 



Anmerkungen. 



Wüsten'*). RkhthofenS. 460 Anm. 3 will Aqsu in dem Ku-me der 
Han-Annalen (Bericht über die Länder der Hsi-yQ, bei de Quignes) 
finden; verlockend ist der Anklang von Aqsu, das sehr wohl turki- 
sierung sein kann, an das Auxacia des Ptolemäus (Yule CLI). 
Historisches aus der Geschichte der Stadt, soweit sie einen Teil 
von MoghiilistAn (vgl. Anm. 2) bildete, s. Bretschneider 2, 232 
bis 235; über Aqsu tn der Zeit der letzten Tschaghataiden und der 
Chodschas s. mein „Heiligenstaat** (Isl. Orient I) passim. 

^^ Play fair 2001: „Ha-la-sha-6rh or ICHa-sha-£rh, Harashar. 
1 ^ Province in MongoJia, bounded on the North by ili and Kansuh; 
on the East by Kansuh and Kokonor; on the South by Tibet; 
on the West by Yarkand. 2^ A city in the province of the same 
name**. Über das moderne Qaraschahr s. Hedin 67; die Gleich- 
setzung mit dem Cialis des Go€s und anderer und dem Tschalis der 
islamischen Historiker ist kaum zweifelhaft. — Ad Lobnor gilt nach 
H edin (S. 79), der ja diesem Gebtete ein besonderes Studium gewidmet 
hat. Folgendes: „Diese ganze Gegend [d. h. die dem Ambal in Dural 
untersteht] wird offiziell von den Chinesen Lop-nor genannt, wogegen 
die südlicne Gegend mit Tjarkhiik von den Chmesen als Kara* 
koschun bezeichnet wird. Die Bewohner des südlichen See-Gebietes 
gebrauchen niemals den Namen Lop*nor, höchstens sagen sie Lop**. 
Der von Komi low genannte Kara-Kul ist der Kara-köll Sven 
Hedins (s. Karte und S. 84 f.). 

**) Mit Sin-Pin ist wahrscheinlich Hsin-Fing gemeint. Koslow 
war in Tykkelik 1890 und schreibt Tikkelik. Sven Hedin war vom 
28.— 31. März 1896 dort . und, betont, daß der Name Tikkenlik sei 
(nach Index: „wo Lycium allgemein ist**; fraglich), S. 78f. Ebenda 
nennt Sven Hedin Dural, das eine Stunde SO. von Tikkenlik Hege, 
mit Amban und 150 Häusern, meist Angesiedelte, doch auch Löpliks 
und 80 Chinesen; der Name existierte schon früher; der Ort hat 
kaum eine Zukunft: er ist „künstlich hervorgezwungen**; das Volk 
der Umgegend nennt Dural einfach „Lop**, uen Namen Sin-CK eng 
(Hsin Ol' eng?) hat Hedin nicht. 

4') Play fair 3678: „K*u*örhl6, Kurli, town in Harashar^. 
Grum-Grzimailo (2, 14) stimmt Grigorjew bei, der Kurla dem 
Juli der Chinesen gleichstellt. Als Kuriosum sei erwähnt, daß Grum* 
Grzimailo in Chorlu, das er dem Kurla-Korla einfach substituiert» 
den Namen der von ihm für Nkht-Türken (Iranier) gehaltenen Char* 
luch erhalten sieht. 

^Playfatr 3676: „K*u-cK6 or K*u-ch a, Kuch^, town in 
Yarkand**. Die Türken schreiben meist Kötsch&r, wahrscheinlich 
infolge einer falschen phonetischen Erwägung} da schriftsprachliches 
r im Auslaut regelmäßig schwindet (vgl. meine Ausführungen über 
den Schwund des r in „Ein türkischer Text aus Ralgar*^ 
Keleti Szemle V (1904), 177 und VI (1905), 34Anm.2X wurde solcher 
Schwund auch hier zu Unrecht angenommen (vgl. paretymologisches 
Polur für Polu Anm. 60). In den manichäischen Fragmenten Berlin 
findet sich für Mund qAöä (z. B. B. 38 Z.3) und FTw. K. Müller 
fragt („Neutestamentl. Buchstücke in soghdischer Sprache** 
Sitz. Ber Pr. A. W. 1907. XIII. 261 Anm. 3): „Ob mit kA^ - Mund, 
vielleicht der Name der Stadt Kutscha zusammenhängt? Etwa -> chin. 
k*ou Mund, Pafi? Vgl. den Namen Sengimauz, Herrn von Le Coq 
zufolge -i Sengim -f aghyz (türkisch - Mund).** Daft Kötschft von 
dem Pafi, an dessen Ausgang es liegt, benannt sei, ist wohl möglich. 
Ortsnamen mit der Bedeutung „PaB** „Paftöffnung** sind im ganaen 



ST 



Anmerkungen. 



=3 



Asien häufig. Die Aussprache des Namens in Kotschft selbst soll 
Kutscha sein (ich hörte in Kaschgar und Jarkend nur Kötchfi\ — 
Fraglich ist das Vorkommen des Namens auf dem uigurischen Pfahle 
(s. Bericht Qrun wedeis (Anm. 13) S. 60). Radioff liest (bei 
Qrunwedel S. 194) VId: qutschs palyq päki Tutuq Oanga „der 
Beg der Stadt Kutscha Tutuq (}anga . Die Lesung und Übersetzung 
ist nach Pausen und Photographien gemacht; das Original zeigt an 
der Stelle: chotscho baliq bäki [elp] tutuq ? (unleserlich, 
keinesfalls aanga). Ich sehe in chotscho baliq »die Stadt 
Chotscho" d. h. Qarachodscha = idiqutschan, also die Haupt- 
stadt selbst (siehe Anmerkung 13) Zum Namen Kötschft (ohne r) 
bemerke ich noch, daß die Kupfermünzen von Kötschü, die ich in 
Kaschgar erwarb, und die sämtlich aus der Zeit der Ts*ing- Dynastie, 
bezw. des unabhängigen Kaschgariens (Raschdin [sol] Chfin und 
Badaulet) stammen, RötschK (Ködschfi) zeigen. -- Die Stadt steht 
heute in dem Rufe grofier Rührigkeit: ihre Früchte werden weithin 
verschickt, und die Leder- und Metall-Arbeiten von Kötschft werden 
in ganz Kaschgarien geschätzt. Kennzeichnend ist, daß zwei Groß- 
händler von Kötschü, Qädir Chan Hfldschim und Mohammed Dschan 
1902 auf die in Caicutta erscheinende persische Zeitung Habl bl- 
Metin abonniert waren. — Die Sprache der Kötschü -Leute wird 
gerühmt; mir wurde in Jarkend berichtet: „die Leute von Kütschsr 
fso mein Gewährsmann] sprechen außerordentlich rein und in 
Versen [das sollte wohl heißen: in rhythmisch geordneter Rede]; 
wir verstehen manchen von ihnen nicht." Sollte durch die Jahr- 
hunderte und trotz der beständigen Umwälzungen des Landes etwas 
von der Uigurensprache sich erhalten haben in diesem Orte, der 
nach der Stadt des Idjkut bei Qarachodscha wohl die bedeutendste 
des Reiches war? — Über Bugur hat Playfair 5906: „Pu-ku-€rh, 
Bukur, town in Harashar." Der Ort liegt etwa 100 km östlich von 
Kötschä; er wurde 1757 8 ganz entvölkert und später mit 500 Dolanen- 
Familien besiedelt. — Ober Schahjftr hat Playfair 6109: „Scha- 
ya-£rh, Shayar, town in Yarkand.** Der Ort liegt ca. 70 km SSO. 
von Kötschn, am Schahjnr Darjii oderUkiat (auf Grum-Grzimailos 
Karte Intschike), der von den Chalyk -Tau -Bergen herkommt. Vgl. 
Jnrkötscha Anm. 55. 

^^ Ist die Angabe Kornilows über den chinesischen Namen 
des Chou, dessen Mittelpunkt Aqsu ist, richtig, so haben hier die 
Chinesen versucht, sich von dem Turki -Namen zu emanzipieren. 
Der Name Weng-Su bei Kornilow dürfte identisch sein mit den 
Wan-su, das Richthofen 462 Anm. aus den Han-Annalen anführt 
und das er mit Utsch-Turtan identifiziert. Beruht die heutige 
Benennung des Bezirkes Aqsu als Weng-su (Wan-su) auf richtigem 
Verständnis alter chinesischer Quellen, so wird die Gleichstellung 
Aqsus mit dem Ku-me der Han-Annalen (s. Anm. 42) fallen müssen. 

«) Play fair 5405: „Pai, Bai, town in Yarkand.** Das bei 
Kornilow dem Namen zugesetzte tscheng dürfte ch*6ng 
„Stadt'* sein. 

^ Utsch-Turfan, nicht Utsch-Turfan wird zu schreiben 
sein, 8. Hartmann, Ein Heiligen-Staat im Islam 260 n. 6; 
297 n. 3; 301 n. 3. Das u&-Turfan S. 234 ist danach zu verbessern. 
Die Schreibung usch bei Mehemed Sidiq (s. a. a. O 297 n. 3) 
beruht auf durchgehendem Lautwandel (ö co I); wie weit eine Zu- 
sammenstellung mit dem bekannten Namen Osch erlaubt ist, ent- 
scheide ich nicht. Keinesfalls wird in dem utsch die Zahl „drei** 



« 



Anmerkungen. 



zu suchen sein. Eher kann mm an „Ober-Turfan** denken. Doch 
liegt das große Turfan zu weit ab, als daft Benennung nach Lage 
im Vergleiche zu ihm wahrscheinlich ist. Die Bemerkung a. a. O. . 
234 n. 3: ,,Die Chinesen schreiben uü/* deren Quelle ich nicht ^ 
mehr feststellen kann, wird bestätigt durch Playfair Nr. 8216: 
Wu-shih (or Wo-ch*ihX Ushi or Ush, a town in Yarkand; aisocalied 
Yung-ning<h'6ng.** 

'^Trür Kaschgar hat Playfair unter Nr. 3440 Folgendes: 
.,K*6-shih-k6-«rh or IC^shih-ha-6rh or K'6-shih-ha-li or Ha-shih>ha- 
6rh or Chia-shih, Kashgar, also calied Lai-ning, town in Yarkand.** 
Nach Abdulqiidir Achon heiftt Kaschgar bei den Kaschgarem selbst 

Qaschqfl, die Jarkender sprechen Qlschqi (mit dumpfen a, nach 
o hin). — Von den älteren Namen, die die Stadt . bei den Chinesen 
hatte, Su-I€ oder Shu-Id als Repräsentant einer Gruppe und Ch*ia* 
sha oder CKia-shih als Repräsentant einer mit Kaschgar zusammen* 
hängenden Gruppe, ist Su-i€ ausführlich behandelt von Pranke und 
Pischel in „Kaschgar und die Kharosthi** Sitz. Ber. PreuB. 
Ak. Wiss. 1903, 184-96 und 735-^45. Zu einem ResulUt betr. den 
Ursprung ist nicht zu gelangen, doch ist Frankes Supposition eines 
älteren Suiek oder Susak zu beachten. Die Spekulationen Ober dea 
Namen Kaschgar, ausfuhrlich mitgeteilt Stein, Ancent Khotan 
50 f., haben zu einem befriedigenden Resultat nicht geführt. Es 
scheint bisher nicht genügend beachtet zu sein, daB im indo- 

§ ermanischen Kreise ein Name Kaschkar (das ghar der heut üblichen 
chriftform Kaschghar ist gewifi nicht das Ursprüngliche, und 
Kaschkar darf als das ältere angesehen werden) sich mehrfach 
nachweisen läßt: in Nordindien ist Kaschkar ein Gegendname; Kasch- 
kar (ar. kaskar) war Name einer persischen Provinz in Babylonien 
(s. Marquardt, ErSnschahr 21. 142 und Anm. 67 (S. 163f.). Viel- 
leicht ist das kasch zu dem kasch von Kaschmir zu stellen. Kasch 
allein findet sich mehrfach als Flußhame. kar aus kart? der t- 
Schwund im Austaut ist sehr häufig. Ist Kaschkar indogermanisch, 
dann gehört es der Zeit an, wo das Land von arischen (iranischen) 
Eindringlingen überflutet wurde; Sul6 mag daneben als Name der 
älteren, türkischen Zeit angesehen werden. — Nach Abdulqndir hat 
die Stadt 120 Mahalle (Viertel) mit 50000 Seelen nach der gewöhn- 
lichen Angabe; früher, in der alten. Chinesenzeit, soll Kaschgar . 
16000 Tscnoqa gehabt haben; man rechnete damals nach Tschoqa 
» 10 Häuser (i^rnilow: » 15 Häuser, s. Anm. 67), doch sei dabei 
der Umkreis mitgerechnet; Jarkend habe damals mit Umkreis 32000 
Tschoqa gehabt. Das ist natürlich fantastisch, denn dann hätten 
die Stadtgebiete Kaschgar und Jarkend zusammen 500000 Häuser, 
also wenigstens 1 500(i00 Seelen gehabt, die man jetzt auf ganz 
Kaschgarien rechnet. Doch hat die Angabe Interesse, weil sie zeigt, 
welche Rolle die Zahl 16 spielt (der Sär wird zu 16 Tenge gerechnet): 
schon Timkowskii gab als Zahl der Seelen in KaKhjgar 16000 
an (daß die Angabe bei Ritter Bd. 5 aus TimkowskI stammt, wies 
G rigor iew nach Übersetzung I 402). 16000 Seelen sind wieder zu 
wenig. Die Schätzung von AOOO Einwohnern wird ungefähr das 
Richtige treffen. — Die Einteilung in Unter -Ämter stellt Grenard 
a. a. O. so dar: ^L'intendance de Kächgar comprend trois prdfectures 
de 2* classe (tcheou).* Kächgar, Yärkend, Khotan; deux sous-pr^fec- 
tures de 1 **« classe (fing), relevant directement du tao-tal: Yang! 
Hifär et JMaralbächi; trois sous-pr^fectures de 2« classe (hien) Käcfi- 
gar, d^pendant du tcheou de Kächgar, Kerghalyk, ddpendant de 



Aninerkungen. 



Yärkend, Kdria, ddpendant de Khotan/* — Besonders muß gedacht 
werden eines Beamten der Tao-t'ai- Regierung von Kaschgar, der 
für die Fremden und die Nomaden von besonderem Interesse ist 
(seine Doppel-Funktion soll hoffentlich nicht andeuten, daß die Hohe 
Zentral-Regierung von Peking die Fremden als Herumtreiber mit den 
Nomaden auf eine Stufe stellt). In der Tat hat der Tung-Schang 
Dalauje die Oberaufsicht über die Kirgisen, die im Gebiet des Tao* 
T*ai von Kaschgar weiden (vgl. S. -^0). Zugleich hat er aber das 
Amt eines „Leiters der HandeTsangelegenheiten** und des „Directeur 
des Affaires Politiques'* (wie er in der Türkei den wichtigeren Walis 
beigegeben ist). Über meine Beziehungen zu dem Tung-Schang von 
Kaschgar Ende 1902 s. S. ^. — Nach Mitteilung Forkes ist der 
genauere Titel des Turtg-Schang: t*ung-shang-chu; Mayers und 
H o a ng scheinen dieses Amt nicnt zu enthalten. — Zum Namen Kasch- 
gar beachte noch, daß ein Kaschgar auf der 10 Werst- Karte (VI 
Blatt 7) 9 km N Osch, und daß ein Kaschka-su auf der Karte 
Hedin Bl. 1 am King-Kol unter 38^20' eingetragen ist. — Der 
Plan Kaschgars (Tafel II) ist dem »Kaschgarija** Kornilows (zu 
S. 268) entnommen. Der westliche Teil, die Festung Gulbagh, ist 
nach dem Sonderplan bei Korniiow eingetragen. Der Stadtplan ist 
durch einige Namen ergänzt; so fehlt bei Korniiow die Bezeichnung 
des hoch gelegenen, eine weite Aussicht bietenden chinesischen 
Haupttcmpels im Nordosten der Stadt. 

") Maralb'aschi: Hedin 219 »die kleine Stadt Maral-baschi 
oder Dolon [? wohl Mißverständnis] mit chinesischer Festung, 
Garnison, Amban und etwa 1000 Höfen, wenn die umliegenden 
Dörfer mitgerechnet werden. Die Einwohner nennen sich Dolonen ". 
im Index: „eig. Hirsch-Kopf, hier die Gegend, wo Hirsche vor- 
zukommen anßngen**; doch maral ist nur „Hirschkuh*" („Hirsch** 
ist boghu), und die Deutung unsicher. Der chinesische Name 
ist aus Playfair nicht festzustellen. — Urdaklik: bei Hedin 219 
als ördcklik „Enten -Dorf"; siehe auch Karte. — Tarim: lies 
Terem; Hedin besuchte Terem auf dem Wege von Lailik nach 
Ordan-Padschah; 210 „jedes Dorf [Terem und das I Potai ONO ge- 
legene Mogal] hat etwa 200 Höfe und 4 „Onbaschis"; der Bek des 
Gebietes und der chinesische Steuereinnehmer wohnen in Terem; 
dieses Dorf soll sehr alt sein" usw. Terem wird dasselbe Wort sein 
wie der Name des Terem [teremnyi dworetsl im Kreml in 
Moskau, ein altes Türk -Wort für „Oberstock" und „Frauengemach", 
„hochragendes Schloß**, auch im Ungarischen für „Saal**. — Langar- 
Awat ist nicht sicher auszumachen; es soll wohl Terek- Lenger 
H e d i n 234 („20 Höfe") sein. . 

62) Hang-Ch*6ng ist Chinisierung von Jangi-Schahr. Play- 
fair hat keinen der beiden Namen. — Builyk und Turbulüng- 
Paß sind weder bei Hedin noch auf den russischen Generalstabs- 
Karten zu finden. — Japtschan ist die bekannte erste Station von 
Kaschgar nach Jarkend, wo auch wir hin und zurück nächtigten 
(s. Hedln I). — Tschar-Mahale: auf der Karte Hedins und denen 
der Russen. — Kuruk-Art: nur auf der 40 Werst-Karte, weit ab 
im Gebirge, SW von Jangihisir. — Ulujg- Rabat: wohl identisch 
mit Ulug-art-Paß, nur auf der 40 Werst -Karte, NO vom Kuruk-Art- 
Paß; Grenard nennt 2. 206 üluff- Rabat als einen Punkt an der 
Straße, die von Kaschgar im Oez-Tal und am Kleinen Qaraqul vorbei 
nach Taschqurgan führt. 



i 



90 



Anmerkungen. 



^) Die angegebenen Teile des nördlichen Sarykol, die westlich 
der Linie Kaschgar— Taschmalyq [ich konstatiere, tiaft Hedins 
Karte zwei Ortschaften : Taschmalik und Taschbalyk zeigt, unkritisch 
entnommen den russ. Karten; es wird aber nur eine Ortschaft . 
sein: Taschmalik Taschbalyq „Steinstadt'*] liegen, sind nicht alle 
zu finden: die 10 Werst-Karte hat „Tal Mu]i** wenijg SW des Ulug- 
Art (s« Anm. 52), und die 40 Werst-Karte hat Kiiakbaschi, einen 
Quellarm des Gez- Flusses. Statt Karakula und Budunkula ist 
Karakul und Budunkul zu schreiben. ~ Über meinen Besuch beim 
Kreishaupt von Kaschgar s* S. 32 und Anm. 75. 

^ Für Jangihisnr kann ich den chinesischen Namen nicht 
nachweisen. -* Die Nachrichten Hedins über den Ort (S. 260) sind 
mager; man ersteht daraus nicht, daß das Stadtchen eine Zukunft 
hat: die Lage, .^hauptsächlich am NordfuBe eines 20— 2Sm hohen, 
langen, gegen Osten gerichteten KonglomcratausISufers'*, und näher 
am Gebirge als irgend eine andere der Städte am Südrande der 
Takla-A^kan, ist vortrefflich. Die Bevölkerung ist betriebsam. Hier 
verließ Mcdin die große Süd -Straße Kaschgar- Jarkend-Chotan im 
Sommer 1894, um über Igis-Jar die zweite f^mir-Reise auszufuhren. 
— Von den in dem Abschnitt genannten Namen hebe ich Tschimgan 
(Fluß) hervor, well er sich außerdem findet als Dorfname bei Posgam 
(Hedln 6; im Index: „tum J[tschim] «* ,Erdscholle mit Gras be« * 
wachsen*; kan oder gan bezeichnet ,die Menge'**; unsicher) und im • 
Namen der „Tschimgan -Schhicht*', 80 Werst von Taschkend mit 
Datschen^für die Taschkender. 

^) Über Jarkend hat Playfair unter Nr. 8396 Folgendes: * 
„Yeh-6rh-ch*iang Yarkand. H A province in Chinese Turkestan, 
bounded on the N. by lli and Independent Turkestan; on the E. by 
Harashar [Qaeaschahr] ; on the S. by Thibet; and on the W. by 
Independent Turkestan. 2** Capital of the above province; the 
namc is also wrttten Ya-£rh-ch ien**. Also noch 1879 hatte Jarkend 
seihen alten Ruf als Hauptstadt Kaschgariens bewahrt und die 
Chinesen nannten nach ihm das ganze Gebiet, das heut die beiden 
Tao-Tai-Amter Aqsu und Kaschgar ausmacht (ausgenommen Qara- 
schahr). Der Name So-chQ, den Kornilow als heut öblich gibt, 
und der eine Bcstäigung findet in der Bemerkung des Regierungs* 
Schreibers Kipäk Mizu: PMngdarinning ahada sfttsche dscht 
„der Amtsbezirk des Herrn Fing ist Sstscne DschQ** ist alt: er findet 
sich schon In den Han-Annalen und ist in seinen verschiedenen 
Formen (So-ch6, Sha-keu, So-khiu, So-kfl, So-kiu) behandelt von 
Stein 88 (S. 52 entging Stein, daß das So-chü, das von Sulei 
(Kaschgar) 560 li entfernt sein soll, nicht „unbestimmbar** ist, sondern 
identisch mit seinem So-kü). Als Bezirk des Kitschik Ambal, d. h. 
des Hsien- Hauptes, nannte derselbe Schreil>er: jetschin sehen. 
Jetschin ist Chinislerung von Jarkend; sehen ist hsien.— Der 
Name Jarkend (Jarkend) klingt im Munde der Bevölkerung jäken; 
er ist wohl türkischen Ursprungs; denn in dem iär dürfen wir das 
In ganz Kaschgarien bekannte lir sehen, das den für das Land so 
charakteristischen stellen, durch den Fluß erodierten Uferrand be* 
zeichnet, in kend das in Eigennamen häufige kend (kent)„Dorf^; 
die Stadt lag früher am Flusse # der seinen Lauf änderte und jctit 
ca. 7 Kilometer von ihr entfernt ist (direkt östlich; die Übergangs- 
stelle der Straße nach Qargalyq liegt ca. 15 km südlich). Beacntens* 
wert ist ein Passus, der von mir aufgezeichneten Jarkender Lokal* 
Mge (s. Die Geschichte von den Vierzig Leibern (Oilttn). 



»1 



AnmerkungenT 



I. Ein türkischer Text aus Jarkend in: Mitt. Sem. Or. Spr. VIII 
(1905) Abt. II). Es heißt da: (es kam ihr gesegneter FuB hierher;) 
135 hierher, nach Jarkm^a. 136. Angekommen sahen sie, daB da fönt, 
sechs Familien wohnten, Leute, die sich aus Erde Häuser gemacht. 
Sie fragten: «Gibts außer euch hier noch andere Menschen?* 137. 
Damals floß ein Arm des Flusses hier vorbei ; auf dessen jenseitigem 
Ufer sollten noch vier Familien wohnen*. Daß die Lokalsage als 
älteren Namen jArkötscha bewahrt hat, in dem jar deutlich erkenn« 
bar ist, beweist nicht allzuviel, aber es stimmt damit überein, daß. 
auch nach anderen Berichten der Fluß dicht bei der Stadt war, und 
wo ein Fluß ist, gibts in Kaschgarien ein Jnr. Das kötscha 
(kotscha) wird dasselbe sein wie der Name der bekannten Stadt 
(s. Anm. 46); ist kötschi » «Mund", dann ist Jarkötscha » „Öff- 
nung im Jar* oder «Ende des Jars*. — Die Bevölkerungsziffer ist 
nicht zu bestimmen. Hedins »die Einwohnerzahl von Jarkend mit 
allen umliegenden Dörfern soll kaum 200000 erreichen; da die Stadt 
innerhalb der Mauer dicht bewohnt ist, muß man mit den Bauplätzen 
sparsam sein", gibt ein falsches Bild. Die Angaben über die Stadt- 
bewohner schwanken zwischen 60000 und 120000 Seelen; 60000 ist 
als Höchstes anzunehmen; die Dörfer um die Stadt (selbst Posgam 
einbegriffen), haben sicher nicht mehr als 40000 Seelen. Die Stadt 
ist gut zu übersehen bei einem Spaziergang auf der Stadtmauer, von 
dem Altyn-Tore im NW über das chaneq« - Tor im SW zum 
Mas*chara-Tof im S: er zeigt, daß massenhaft freier Platz im Innern 
der Stadtmauer ist. Ferner konnten wir uns täglich an dem weiten 
Platze erfreuen, der sich auf einer Seite des Hauses der Schwedischen 
Mission ausdehnte. Die „Dichtbewohntheit" innerhalb der Mauer 
ist ersichtlich ein Mißverständnis oder die Angabe eines schlecht 
Unterrichteten, die Hedin in seine Noten aufnahm, ohne sie nach- 
zuprüfen. Mit dem Gesagten verträgt sich sehr wohl, daß ein oder 
das andere Mahalle (Viertel) überfüllt ist. Besondere Klagen darüber 
sind mir nicht zu Ohren gekommen. 

"^ Die Verwaltung des Dscha [chou] Jarkend wurde mir 
von Kipäk Mizii (s. Anm. 61) so dargestellt: «Der große Ambal von 
Jarkend, Herr Ping, ist Dscha Kwang [zu dieser Nasalierung von 
chin. kuan vgl. den Schichi Mangsrirj; sein Vcrwaltungsgcbiet (Ping 
Darinning ahadä) heißt S«tsche Dschu [das Sutsche ist gleich dem 
So-chü, 8. Anm. 55]; das Gebiet des kleinen Ambais, d. h. des 
Gouverneurs der Alt-Stadt, heißt Jetschin-Schen; sein Schen-Kwang 
heißt Dschang - Dalauje*. — Über Qargalyq , Guma und Sandschu 
s. Anm. 57. Pialma, das Play fair nicht zu haben scheint, soll in 
seinen 5 Kents 200 Höfe (Familien) haben und steht unter einem 
Jüzbaschi (Hedin 17 f.); in den Kämpfen zwischen Türken und 
Dunganen im Jahre 1864 spielte es eine Rolle, s. Grenard 3, 49f. 

*7) Ober Qargalyo macht Hedin S. 7 f. ausführliche Mitteilungen; 
von Guma hanaelt er s. 1 1. Sandschu liegt ca. 50 km S von Guma 
am Austritt der Qaraqoram • Schahidulla -Straße aus dem Gebirge. 
Zu Sandschu gibt Playfair 6065: «Sang-chu, Sanaju, town in 
Yarkand*. 

*") Saryqoi scheint bei Playfair nicht erwähnt zu sein. — 
Grenard 2, 30$ streift die wichtige Frage der Bewohner des «Sarygh 
Kol (la valltfe jaune)" nur: er habe »une population indo-europ^enne 
de langue et de type, se rapprochant beaucoup des Guakhänf. C'est 
un reste des anciens Saka*. Meine Notizen über die Saryqol-Leute 
sind mager; doch geht aus ihnen hervor, daß man in Kaschgar die 



92 



Anmerkungen. 



in Saryqol und den Bergen westlich davon (den Pamirs) wohnende 
Bevöllcerung Qhaltschas nennt, und daß man diesen Namen als 
.Sklave*' enclärt, denn jene Bergbewohner verkaufen sich und ihre 
l<inder als Sklaven. Es ist aber kaum eine Frage, daß Ghaltscha 
ein Ethnikon ist Ober die Sprache der Ghaltsrhas, «Gesamtbeieich- 
nung für die iranischen Bewohner der Pimir-Täler*' s. Geiger in 
Grdr. der Iran. Philol. I, 290 ff. Zu den andern Namen des Ab- 
schnittes bemerke ich, daß Kosarab auf der Karte Hedins (als 
Kuserab) und auf der 40 Werst-Karte (als Kosarab) der Punkt ist, wo 
der westliche Queitarm des Jarkend-Darja, der nach seinem Haupt- 
zufluß, den Tagdumbasch- oder Taschkurgan- Darja auch Taschkurgan- 
Darja genannt werden mag, und der südliche Hauptquellarm, Raskem- 
Darja, zusammentreffen. Curzoins Karte verlegt den Treffpunkt an 
das Kuscher-ab Hedins (bei Curzon Khusharab, bei den Russen 
Kosch-arab), das von Kuserab 45 km östlich lfeg[t (bei Curzon ent- 
sprechend eingetragen). Da zudem Hedin bei der ausführlichen 
Behandlung von Kuscher-ab S. 260 f. nichts von dem Munden eines 

Srößcrcn fHusses sagt, so darf. Curzon s Konstruktion als unrichtig 
ezeichnet werden. Wie erklärt sich nun das westliche Kosarab? 
es ist ersichtlich ein Duplikat von Kuscher-ab, das irriger Weise 
jenem Treffpunkte neben dem wahren Namen „Tschirak-tang** (auf 
allen Karten) beigelegt worden* ist. Vgl. das Duplikat Tascnmalik 
n^ben Taschbalvq nachgewiesen in Anm. 53. 

'^ Die Namen von Chotan $ind: Sanskrit und Prikrit: 1. 
Kustana, 2. Kustanaka, -3. Chotaipna, 4. Chotana, 5. Chodana; 
chinesisch: 6. Ch'ien-tun, 7. Ch it-sa-tan-na, 8. Ch*ü-tan, 9. Ho-f ien, 
10. Huan-na, 11. Huo-tan, 12. Yü-fien, 13. Yfl-tun; mandschuriKh: 
14. Ho-thian; mongolisch: 15. Hu-tan, 16. 0-duan, 17. Wa-duan, 
18. Wu-duan; tibetisch: 19. Li-jul, 20. U-then (Hu-then) (nach Stein, 
Index s. v). — Eine wichtige Stelle für die Namen ist eine Notiz 
Hsuan-tsangs (bei Sylvain 1.^vi, Notes chinoises sur rinde 
IV, 44), er nennt an erster Stelle Ch'ü-sa-tan-na, das nach Volks- 
et3[mologie „Brust der Erde*' bedeute; vulgär sei dafür Huan-na; 
„die Hsiungnu sagen: Yü-tun, die Hu: Huo-tan, die Hindus: Chü- 
tan; früher sagte man Yü-f ien**. Ch'ü*sa-tan-na ist Wiedergabe von 
1. Kustana; das ist selbst Sanskritisicrung eines heimischen Namens* 
die sich neben Chotamna schon in den CharosfhT-Texten Steins 
von Ntja aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. findet. 3. Chotamna, 
4. Chotana, 5. Chodana sind ersichtlich Formen des in JChotan" 'vor- 
liegenden Namens; die chinesischen Namen 6., 8., 9., 10., 11., 12., 13. 
sind sämtlich Wiedergaben von Chotan, wobei nach allgemein be- 
kannter chinesischer Manier Leichtbehaltbarkeit durch Anlehnung an 
geläufige Lautgruppen und an Eigentümlichkeiten des Ortes (so bei 
12., 13. die Erinnerung an Chotan als Fundort des Y fl ,.Nefrit'*) wirkt; 
der heut allein übliche Name ist Ho-tien, während Yfl-fien amtlich für 
den Kreis Keria gebraucht wird nach Kornilow (s. Anm. 60) und 
einer JMitteilung i^accrtn^vs an Stein (S. 154 Anm. 18); der Name 
YO-f ien war der amtliche für Chotan von der ersten Han -Dynastie 
bi^ zu den Ming. Zu den chinesischen Namen vgl. Piayfanr Nr. 2201: 
„Ho-fien, also calied Hu-fan, Huan-na, Ch*ü-tan, YO-tun, Huo-tan» 
Wu-tuan, Wo'tuan and Ho-shan, Khoten or Yi-li-ch*i llchi, town In 
Yarkand**, und Nr. 8765: „Yü-f ien and Yü-tun, names for Khoten**. 
In den mandschurischen, mongolischen und tibetischen Formen ist 
Chotan leicht zu erkennen, außer 19. Li-jul ^Gegend von U**. 
iltschi, das heut Name der Hauptstadt von Chotan ist (chin. JMi-dri» 



93 



Anmerkungen. 



94 



s. Playfair Nr. 2201), kommt nach Stein (S. 155) nicht vor dem 
18. Jahrhundert vor (s. Bericht des Chinesen -Generals, der Chotan 
1759 eroberte bei Ritter 7, 514). Nach Stein (S. 156) ist der Name 
lltschi heut für die Hauptstadt selten zu hören ; das gewöhnliche ist 
Chotan für Land und Stadt. Eine Erklärung des Nßimens ist, so 
viel mir bekannt, bisher nicht versucht worden. Die ältesten uns i 

erreichbaren Besledler sind zweifelhaft. Stein neigt dazu, sie für 
Tibeter zu halten, wenn er auch diese Vermutung unter allen Vor- 
behalten ausspricht (s. seine reichhaltiges Materiaf bietenden Unter- / ^ 
suchungen S. 148—66). Mehrfach werden mongolisierende Züge 
erwähnt. Ich möchte in Anlehnung an sie und im Zusammenhange 
mit meiner Annahme der Priorität türkisch-mongolischer Bevölkerung 
chotan für das mongol. c ho ton »Stadt* halten, das schon früh 
dem einige Türk-Gruppen beherrschenden Lautwandel o-o (u) fx> o-a 
folgte (vgl. meine eingehenden Ausführungen darüber in ^Ein tür- 
kischer Text aus Kaschgar** KeletI SzemSe A^ 181 und VI 63). Auch 
den Chinesen ist choton «Stadt* wohl bekannt, so nennt die Geo- 
graphie TaT^ing I t'ung chi (von 1744) „wu-lu-mu-ts'i ho-t*un ^ 
,city of Urumtsi , Bretschneider 2, 310. — Ober Pialma s. Anm. iM 
56. - Ober Tschertschen hat Playfair470: «Ch'6-li-ch'ang, Cherchen, ^ 
a town In Harashar." 

^ Ober Tschii-a hat Stein S. 468 gute Angaben: eine blühende 
Oase mit 3500 Familien, die Entwicklung verspricht. Auf der Karte 
ist Toghrak-Oghil als Hauptort der Oase angegeben. Zu beachten 
ist, daß die hier aufgezählten 7 Namen (Tschira und sechs Oasen 
östlich davon) nichts zu tun haben mit den „Sechs Städten** des 
Ms. Sin. 1 von Dandän-Uiliq, die cdouard Chavannes in Anm. 5 
zu seiner eindringenden Bearbeitung des Stückes erörtert (Stein 5Z2; 
vgl. S. 268). Die sechs Städte sind: lltschi, Karakasch, Jurungkasch, 
Ischira, Thakkaga (>= Tawakkel) und Keria. — Kcria führt selt- 
samer, aber unbestrittener Weise (Kornilows Angabe wird bestätigt 
durch Macartney, s. Anm. 59) heut den Namen Ju-f ien. Historische 
Angaben über die Oase Keria fehlen (Stein 467); die Funde aus 
Kcria und Umgegend sfnd spärlich; die chin. Darstellung des 
Namens ist nach Play fair 3443: IC£-li-ya (die Zerreißung in ein 
Keldia und Kirrea ist irrig). ~ Über Polu (Polur; chin. Po-io, Pula 
oder Pula, wenn es — Play fair 5860 (,a city in Turkestan') ist), 
s. Grenard 3, 226 f., wo nachgewiesen ist, daß über Polu Wege von 
Keria nach Ru-tog (Tibet) und nach Leh (Ladakh) führen; Grenard 
schreibt Polour (das r ist hier wohl ebenso hysterogenetisch wie in 
KötschiM- (vgl. Anm. 46). Die Oberschrift bei Hedin S. 203 „Von 
Khotan über Pulur nach Kerija und Nija" ist irreführend: Pulur 
blieb beträchtlich südlich seiner Route. — Nija war einer der Haupt- 
fundorte Aurel Steins, der diese Oase nach allen Seiten 
erörtert, s. S. 315 ff. Ausführliche Mitteilungen über die heutige 
Bewohnerzahl und Verwaltung (500 Familien; 1 Bsk, 2 Jüzbaschis, 
4 Onbaschis) hat Sven Hedin 215. — Tschertschen ist chin. Ch£-mo* 
fo-na (Hsüan-tsangX Chü-mo (Tsin-moX Tso-mo (Sung Yün) und 
wahrscheinlich identisch mit dem Calmadana einer Kharo^fhi -Tafel 
(Stein 311 Anm. 7); ihm widmet Sven Hedin das inhaltreiche Kap. 
«Tiertjen und Kapa'* (S. 178 ff.}. — Atschang ist das Atjän Sven 
Hedins S. 180, das ihm auf dem Wege von Tschertschen nach Kapa ein 
wenig östlich blieb. — Surgak ist ein Ort mit 200 seßhaften Familien, 
die standig in den Goldgruben dort arbeiten (daneben Saison -Arbeiter), 
s. Hedin, den der direkte Weg Kapa-Keria darüber führte, S. 195 f. 



Anmerkungen. 



■<) Die Bezeichnung tungtschi ist fflr die TOrken eine Misch- 
bildung aus chin. fung „verstehen** und dem turk. Gewerbe-Formattv 
tschi: „Verständnis - Macher**, in Wirklichkeit t'ung shih, das 
gemcinchin. Wort für Dragoman (so spricht auch Tafel Globus 53 
(1907), 188 vom Tonische d. h. Dolmetsch des Hsining-Amban-Yamen; 
der amtliche Titel ist fan y1 kuan), das durch den bekannten 
Lautwandel schi ^v tschi (vgl. Anm. 101a altschin aus arschin) 
dem Türkischen angeglichen wurde. Das Urteil Kornilows ober 
die Nichtsnutzigkeit dieser Beamten muB ich bestätigen. Sie 
sind auch überall im schlechtesten Rufe aufter bei ihren 
chinesis^chen Herren. Daß die Chinesen selbst sich um die Er- 
lernung fremder Sprachen bemühen, gilt als große Ausnahme. Aus 
eigner Beobachtung teile ich mit: Der Ambal von Jarkend hatte 
zwei Tungtschis, die zwischen uns dolmetschten; der jüngere, ein 
dicker, frecher Bursche, RQzi B('k, log frisch drauf los: bei dem 
einen Diner ließ er mich eine ganze Weile Details vom Andidschan- 
Erdbeben erzählen, von denen ich nichts wußte; er war ein Tur- 
panluq; ich fuhr immer weit besser, wenn ich den Dragoman mit- 
brachte. — Die „Schreiber** (Hsieh). hieißen bei der Bevölkerung 
miza (aus mirzft), doch wohl nur, wenn sie Türken von Geburt sind. 
Ein typisches Exemplar dieser Klasse lernte ich in Jarkend in Kipäk 
(Käpäk) Miza (auch K. Achon genannt) kennen: er sollte ganz in der 
Hand des Badachschiin-Mannes Mehemed Onus (s. S. 33) sein; sein 
Vater war aus Badachschiin eingewandert; er kann chinesisch lesen 
und übersetzen und behauptete, er habe die Übersetzung von 
mehreren zweisprachigen Maueranschlägen gemacht. Er fertige von 
einem chinesischen Holzdruck -Blatt eine auszügliche Übersetzung 
ins Türkische für mich an (ob allein, ist mir zweifelhaft; er suchte 
sich immer um das Lesen von Chinesischem vor mir zu drücken; 
das Wenige las er nur mit großer Mühe). Aus dem chinesischen 
Manuskript in arabischer Schrift (s. Forke, Ein islamisches 
Tractat aus Turkestan, Toung-pao, Ser. II, Vtll) wußte er nichts 
zu machen, und wiederholte immer nur: das sei nur ein Tungane 
imstande zu lesen, die solche Bücher, ja, ganze Koran-Kommentare 
fn solcher Art hätten. Kipäk Mizä versprach auch, ein vollständiges 
Verzeichnis aller Ortschaften des Distriktes Jarkend für mich anzu- 
fertigen, ich warte heut noch darauf. 

^ Die chinesische Bezeichnung der Polizisten und der Boten 
ist nicht mitgeteilt. Die Funktionen des Durga nach Qrenard 
sind hier mitgeteilt Anm. 63. 

M) Mayers gibt über die Beks unter Nr. 563 Folgendes: P€h- 
k'6h [pai-k*o], Beg. . . . The begs under Chinese authority are 
classea in five dcgrces of rank, ranging form the third to the 
seventh degree of the Chinese official scale . . . The following are 
the most important among the titles and attributes of the Bqts off 
different classes in Kaschgaria: 



I. AWim Beg. — Local Governor; 



eg. - L 
II. Ishkhan Beg. — Assistant Governor; 

III. Shang Beg. — Cöllector of Revenue; 

IV. Katsanatch'i Beg. — Same as above; 

V. *Hatsze Beg. — Judge; 

VI. Mirabu Beg. -r Superintendent of Agrtculture. 
Von den Bek-Klassen Mayers* ist nur eine in der Klassierung Korni- 
lows mit Sicherheit wiederzuerkennen: der Mirabu Beg: er ist der 
Kukbaschi. Ungehörig ist die Einbeziehung des 'Hatsze Bni, 



95 



Anmerkungen. 



\ 



96 



denn er ist der Qäz! (Richter) und gehört einer anderen Kategorie 
an. AK* im Beg ist heut Icein offizieller Posten (und war es auch 
nicht 1886). So spricht auch Grenard 2, 261 von der früher 
geübten Praxis, ^de donner li des indigtnes un certain nombre de 
places de sous-pr^fets et de pr^fets (hak im)". Die Hauptstelle 
Grenards über die Bek -Verwaltung (2, 275) teile ich wörtlich mit 
als eine Ergänzung Kornilows enthaltend: „L'administration can- 
tonale est abandonn^e enti^rement aux indig^nes. Chaque can^on 
est administr^ par un bek mingbAchi, seigneur commandant de mllle, 
ayant sous ses ordres un mirftb [miräbj, distrlbuteur des eaux, un 
ou plusleurs mingbächl adjoints (arka - mingbächi) qui Taident dans 
Tadministration du canton ou sont prdposes ä 1 aaministration de 
certaines communes importantes, ainsi Polour est administr^ par un 
arka-mingt>ücht d^pendant du bek de Tchakar. Au-dessous sont les ' 
yuzbächi ou centeniers, les onbffchi ou dizainiers. Les dorgha 
portcnt les messagcs officicis et les mandats d*arrSt, sont charg^s 
des enqudtes pr^liminaires en cas de dditt, fönt en g^n^ral toutes 
les commissions des bcks et des mingbiichis (il y a igatement des ^ 

dorgha prcfcctoraux). Les dösaktchi ou tchalümtchi sont les ^ 

gardicns de nuit, qui sont pay^s au moyen d*une taxe speciale de ^ 

7 & 10 sapi^ques sur chaque maison". Grenard erwähnt dann noch 
den „Premier bek de la ville de Khotan, Tichkaghä bek*. In 
den anderen Städten ist, soviel mir bekannt, der Titel nicht mehr 
üblich; über seine Bedeutung in der Chodscha-Zeit s. mein Islam. 
Orient 1,2^11.3 und 336. — Schanglia (Kornilow schreibt „Schanija* 
und gibt damit eine Aussprache wieder, die dem neben Schanglia 
von mir in Jarkend gehörten Schangia nahe kommt), wird in zwei 
Bedeutungen gebraucht, die sich berühren: 1. Zunft -Oberhaupt; so 
gibt es in Kaschgar einen Schanglia der Harwa (Karren)-Vermicter 
(der im Dezember 1902, Siddik Achon, war ein gerissener Hallunke, 
mit dem das Faktotum des Tung-Schang, Sa'id Bek, unter einer 
Decke steckte); 2. Haupt einer ethnischen Gruppe, doch nur bei 
chinesischen Staatsangehörigen, entsprechend aem Aksakal der 
Fremden; so spricht man von dem russischen Aksakal und dem 
Hindu -Aksakal, welche Beamte nicht ohne einen politischen Bei- 
geschmack sind, aber von dem Schanglia der Tunganen; auf deren ' 
wohtgepftegtem Friedhofe bei Jarkend ruht ein Schanglia in ein- 
fachem, mit einer türkisch - chinesischen Tafel geschmückten Grabe, 
während seine ihm vorausgegangene Gattin ein Mausoleum daneben 
hat. — Hedin 6 unt. hat „&hang-ja** als gleichbedeutend mit AqsaqaL 
— Die Anwendung des Titels Schanglia für die Viertels -Vorsteher 
ist mir nicht vorgekommen. 

*^ Grenard gibt über das LandmaO Mo 2, 230: „mou ou 
moullak (chin. meou [das Zeichen, 102/8, s. uiles 8050 mou* 
(mu*)] » 666 centiares P/s Ar]. Vulgairement appel^ tchayrek, 
parce qu*on y s^me un tcnayrek de grains.'* Giles: Jixtd by treaty 
at 733 Vs Square yards, or 1 acre = 6.6 mou". Ich notierte Fol- 
gendes: Das bebaubare Land von Turkestan ist von der chinesischen 
Regierung vermessen; zu Grunde gelegt ist dabei als Einheitsmaft 
das M0 d. h. ein Feld, das mit 2 Tscharek (s. Anm. 65) Saat be- 
stellt wird. 

^) Grenard gibt über dIeHohlmafte nichts. Das Zeichen 
für Sheng, 24/4, siehe Giles 9679 sh€ngi. i^fi notierte Fol- 

Sendes: „Amtlich sind die chinesiKhen Hohlmaße eingeführt, und in 
en Jamuls (Jamens) werden Standard- Exemplare verwahrt. Aber 



Anmerkungen. 



y 



die Bevölkerung handelt alles nach Gewicht. Das offizleHe Ein- 
heitsmaS ist das TschArek .VieHer, von welchem 8 ein Ghalbir, 
64 ein Patman ausmachen". Der TIertieiber Dftmin, angeblich aus 
Osch stammend*, der uni von Kaschgar nach Osch diente, erklärte: 
«Das Wiegen der Gerste kennen wir nicht; wir kennen den Tschftrek 
nur als ein Hohlmaß von 32 Terftze oder J200 Pese"; er operierte 
mit einer Blechschale (Kisa), die 50 Pese fassen sollte. Als Putter 
für 10 Pferde wurden pro Tag 3 Tschärek gerechnet. 

*") Grenard gibt Ober die Gewichte 2, 230: »pong (chin. fenn ' 
[das Zeichen s. Gilcs 3506 f^nH) — f centi^me d*once, 0,3775 gr. 
- miskäl (le ts*len [das Zeichen, 167 62, s.Giles 1736 ch ien^j ' 
chinois) - 1 dixiime, 3,775 gr. Le mtskil d'or vaut 1 septiime 
d*once. sott 5,4 gr. [Es hat sich also das Verhftitnis von 7 : 10 erhalten, 
das schon im frönen Islam erwähnt wird]. — sar (le leang [das 
Zeichen, 1111, s. Giles 7010 liangM chinois), once ^ 37,75 gr. — 
djing (chin. kin [das Zeichen, R. (x^, s. Giles chint]), livre ^- 16 
onces, 604 grammes. — tchüyrek on tchairek, ä peser la sotn, 
le th^, tes epices 4 livres, 2,416 kg; \ peser les grains, la fartne 
(dchlyk tächi) 12 livres et demi ou 200 onces - 7,5 kg.* — Ich 
notierte Folgendes: «Meine Bemühungen, Proben der landesüblichen 
Gewichte zu bekommen, waren fruchtlos. Es kommen aus Peking 
gestempelte Gewichte ; sie sind aber jn festen Händen, und die, die 
welche haben (das sind die GoldschmiedeX geben sie nicht her; der 
frühere Missionar in schwedischen Diensten, Mirza jQsuf, ein Perser, 
mußte, um gute Gewichte zu erlangen, welche anfertigen lassen und 
sie durch das Tanfi-fong verifizieren; das Tang-fong ist die Normal- 
wage mit den zugehörigen Normalgewicbten (tasch). Im einzelnen 
herrschen Unterschiede: der Tscbhrek von Chotan hat 12VsDsching« - . 
der von Kaschgar und Jarkend 16 Dsching; in Jarkend ist die Be- 
zeichnung von >^4 Tscharek ~ 4 Dsching als ischschek üblich, 
doch soll das rem lokal sein. — Mit der Aufstellung 1 Dsching =^ 
604 gr stimmt die Ansähe Swjedenija Heft 33 (Mai -Juni 1902), daft 
der chinesische Kavallerist pro 24 Stunden an Qonaq (Mais) erhalte 
5 Dsching -■ 1\^ Pfund; denn 5 Dsching sind — 3,020 kg, 7jS Pf . * 
russ. sind 3,075 kg. 

«^ Die Tschoqa wurde mir von Abdulqidir so erwähnt, als sei 
diese Zählart heut nicht mehr üblich. Er gab als Größe der Tschoqa 
zehn Häuser an; vgl. Anm. 50. Das Wort fehlt in den Wörter- 
büchern. 

^ Näheres über den Beamten für die Auswärtigen Angelegen- 
heiten bei der Regierung in Kaschgar siehe Anm. 50 a. E. 

^) Das über die Verwaltung der Mongolen Qaraschars Gesagte 
stimmt zu dem, was für die Mongolen der JMongolei gilt. Hier 
erhielten die alten Aimaqe, d. h. Gruppen von Territorialherrschaften 
der eingeborenen Fürsten, den Namen »Militär-Corps*, die einzelnen 
Herrschaften wurden zti militärischen Einheiten des Namens Ctio- 
schun, die selbst in Eskadronen oder Sumune, das Sumun zu 150 
Familien, geteilt Wurden. Das Kommando des Choschun hat der 
angestammte Fürst mit dem Titel Tsasak (Dzasak oder Dschasak); 
für die militärischen Geschäfte hat der Tsasak einen Gehilfen mit 
dem Titel »Tsachirachtschi* (wohl der Tusanaktschi Kornllowsl. 
Die niederen Militärchargen haben den Titel Tsangih (Komi Iowa 

BTsiang oder Tsiangln"). Nach dem Artikel Pozdnjeiews im Russ. 
Irockhaus 38, 745; Grenard hat nichts über die Verwaltung der 
Mongolei, Mayers ist ziemlich ausführlich (S. 80 ff.), gibt aber kein 

Hanmann, Tarkettm. ^ 9f 



Anmerkungen. 



sehr klares Bild. Er hat den Tsasak als Dzassak unter Nr. 537; 
dem Tusanaktschi (Tsachirachtschi) scheint sein Hfeh-Ii Tal-chi 
(Nr. 540) zu entsprechen. 

^) Die Bezeichnung der Muslime durch hui -hui wird als Be- 
leidigung empfunden, vielleicht weil dem einfachen Zeichen von den 
übermütigen Chinesen gern das Zeichen für ,,Hund" vorgesetzt wird. 
Die freundliche Bezeichnung ist tschantu, das mir von Muslimen 
auch in arabischer Schrift dargestellt wurde: tschan tu. Nach der 
Mitteilung Kndir Achons (s. über ihn mein^Ein tflrkischerText 
aus Kaschgar** Keleti Szemle V (1904), 22 Anm.) gilt Folgendes: 
Die Chinesen unterscheiden zwischen Chui-chui, womit sie die nicht 
türkischen Muslime (einschließlich Tunganen) bezeichnen, und 
Tschan-tu oder Chui-ze für die Türken; in Tschantu ist tschan » 
jftgemek [wickeln, rollen] und dann ' ammiime fsol], und tu 
basch [Kopf; das ist richtig: tschantu ist ch'an'-t'ou^ „binden'* 
— „Kopf** d. i. «Kopfbund** und dann „Kopf bund -Träger]; chuize 
ist saqal [Bart], denn die Tunganen scheeren den Bart und so 
bietet der Bart der Türken das unterscheidende Merkzeichen [diese 
Unterscheidung ist nicht sehr glaubhaft; denn im Chines. werden 
hui -hui und nui-tzu promiscue gebraucht]; außerdem gibt es für 
die Muslime noch das Schimpfwort jirin «wilder A^nn" :m Sinne 
von onntin bilmegen „der kein Gesetz kennt" [jirin ist 
y e h » - j f n 3 „wild" — „Mannt*]. 

''i) Bek ist in der Tat der Titel , den die von den Chinesen 
anerkannten Häupter der Kirgisen führen, ebenso wie das bei den 
Kirgisen in Russisch -Turkestan der Fall ist. Dieser Titel ist sprach- 
lich und sachlich nicht gleichzustellen dem bi, das der inneren 
Organisation angehört, wenn auch in der Regel der Bi zum Bek 

Sewählt werden mag. Der Qleichklang veranlagte schon Sung Yün, 
en Q<!währsmann Mayers*, zu dieser irrigen Zusammenwerfung 
(Mayers 87 (Nr. 532): „Their [Hasak, Khassak or Kirghis, das sind 
die Öazaq-Qirgiz] ruiers are known als pi (pih), which Sung Yün 
identtfies with the term beg)'*. bi ist wahrscheinlich zusammen- 
zustellen mit bäj „reich**, „Herr** der Sarten und Kaschgarier, das 
sicher nichts mit b(*k zu tun hat. Zu bi siehe auch mein Islam. 
Orient 1, 110 Anm. 2. 

^) Charftdsch und Zaknt sind die allgemein Islamischen Ab- 
gaben. Zaknt ist eine nach der Theorie religiös-rituelle Institution, 
in Wirklichkeit eine politisch-wirtschaftliche Einrichtung, die Moham- 
med durch religiöse Maskierung durchsetzte; Charrtdsch ist die 
Steuer vom Bodenertrag; die Rolle beider hier, als Abgabe der unter 
Islamischen Beamten stehenden Bevölkerung an diese ist nicht ohne 
Interesse. Doch ist nicht sicher, daß Kornilows Darstellung richtig 
ist. Betreffend den Charadsch stimmt sie mit der bei Qrenard z, 
262aberein. Die Viehsteuernennt aber Qrenard 2, 263 Mmilbadji", 
und trennt sie scharf von dem Zakst, einer Kirchensteuer, deren 
Obiekt er nicht angibt; 2, 253 „Ladtme puriflcation (z^kftU, devenue 
purement facultative, produit de moins en molns** usw. Es ist wohl 
möglich, daß die Terminologie schwankt und daß das mnl budschl 
alsiVieh Steuer, im Gegensatz zur Bodensteuer (Charidsch), Zakit 
genannt wird. 

^ Korn ilow Khreibt Sau-Guan; das kann kaum etwas anderes 
sein als der »Chao-koan, Capitaine", der eine Kompanie komman- 
diert bei Hoang 50, II, 1 <* c. 



98 



Anmerkungen. 



^^ Ober die Funktionen des Tung-Schang [^ung shtng] s. 
Anm. 50a. E. _^ i 

») ri-rai (80 lies sUtt Ti-t*ai) als Titel eines Zivilbeamten \ 

habe icn nicht feststellen können. Als „Haupt des Kreises Kasch- j 

gar** mu5te Lu Ta-lao-ye (so wurde mir sein Name angegeben, s. ^, 

Anm. 27) den Titel Hsien-Ruan (tOrk. Schenkwang oder Scnangang) i 

führen. Ich nehme an, daß man mitT*i-T*ai meinte: Jüngerer Bru- 1 

der des Ti-rai**, denn T1-rai (richtiger Ti-Tu) war der General J 

Zun-Tung, als dessen jüngerer Bruder mir Herr Lu bezeichnet wurde '^ 

(s.Anm. ?7). 

?•) Meinen Besuch beim Hsie-T*ai beschrieb ich Anm. 28. 

") Ambal ist das allgemeine Wort im Turki für jeden höheren 
chinesischen Zivilbeamten. Die Rangunterschiede und Kategorien 
beachtet das Volk nicht. Nur wird gelegentlich der niedere von 
zwei Ambais als kitschik ambal unterschieden. Die Schreibung 
in türkischen Texten ist gewöhnlich anb&l oder ambil, doch 
kommt auch anbin und ambin vor entsprechend der ursprüng- 
lichen und im Munde der Europier üblichen Form. Das Wort ist 
mandschurisch, s. Zacharow, Mandsch. • niss. WB.: amban (vgl. 
amba „groß**) „Minister, General, jeder Kaiserliche Beamte**. 

'*») Der Dasturchan ist die übliche Aufmerksamkeit für den 
Fremden. Das Wort ist zusammengesetzt aus dem in allen Farben 
schillernden dastur, hier wohl nRegel**, „Norm**, und chwin 
«Tisch mit Speisen**, also etwa - ,.der etikettcnmSßige Speisetisch**. 
Das Wort scheint in Persien selbst nicht üblich zu sein. Fullon. 
Hindustani - Engtish Dictionary (1879) schreibt dastar-khuin und 
bezeichnet das Wort als persisch, hat aber kein dastar. Shaw 
erwähnt mehriach die Dastarchane, die ihm von den Großen gewid- 
met wurden. 

^) Von den Münzen der Ta^ing?pynastie aus Turkestan brachte 
ich eine, denke ich, ziemlich vollständige Sammlung zusammen. Es 
befinden sich darunter einige Prachtexemplare. Die Münzstätten 
dürften vollzählig vertreten sein. Heut wird nur noch in Kaschgar 
geprägt, und zwar Kujpfer- und . Silbermünzen. Die Münzpri^ung 
sollte Ende 1902 dem Chinesen Wc-yu-wan unterstehen, in Wirklich- 
keit sollte aber Timur Bck, ein Mandschu-Mann (?), alles bestimmen; 
er gibt einigen Ztrkers (Goldschmieden) die auf Papier geschrie- 
benen Legenden, uiid danach prägen diese. Die Tecnnik ist sehr 
einfach: es wird nit dem Hammer geschlagen. Man hatte gute 
Präge-Maschinen aus Amerika gebracht, konnte sie aber nicht an- 
wenden. Die Russ.- chinesische Bank wollte nun eine Präge-Maschine 
aus Rußland kommen lassen. — Grenards Ausführungen über die 
Münzwerte Kaschnriens sind wenig glücklich. Die wichtigsten Tal- 
sachen (Teilung aes Sär in 16 Tenge, reiner Nominal-Charakter des 
Sär u. a.) sind nicht erwähnt; die Berechnungen der Tenge mit 0,94 
franc S. d2S, und mit 0,70 bezw. 0^ fr. S. 230 sind unhaltbar, denn 
die Tenge ist feststehend, majg man sie zu 23 oder zu SO Datschin 
rechnen, abgesehen von den Schwankungen Hn Tageskurse und im 
Handel mit verschiedenen Ländern. 190z/3 schwankte der Kurs des 
Rubels zwischen 8 und 10 Tenge, d, h. 1 Tenge zwischen 0,27 Mund 
0,216 M, man kann durchschnittlich 1 Tenge -^ 0,24 M rechnen. 
In Kaschgar und Jarkend hat die Tenge 23 Kupferstficke (tschaka)^ 
die Datschin heißen, in Chotan hat die Tenge 30 solcher Kiipfer- 
stflcke, die dann Pul heißen. Früher unterschied man in Kaschgar 
-md Jaricend zwischen Datschin, den gelochten KupferstOcken« die 



Anmerkungen. 



auBer dem Ortsnamen das Tang-schi tragen, — 2 Pul, und Schötschin, 
den nicht gelochten, die nur den Ortsnamen tragen, - 1 Pul. Der 
unerträgliche Zustand ist seit etwa 1880 abgeschant, und alle Kupfer- 
stucke neiBen DAtschin. 

^) Am 8. Januar 1903 besuchten mich vier solcher B^ks in . 
Jarkend, alle bis zur Unfförmlichkeit beleibt; der oberste und älteste, 
war ausgezeichnet durch eine gelbe Jacke und eine mächtige Pelz- 
mütze. Ich hatte den Eindruck, daß diese Leute völlig vertraut 
seien mit dem chinesischen Wesen; sie waren auch über die • 
. chinesischen Tempel unterrichtet. Mein Wirt Schepi Bai gab mir 
einige Notizen Ober sie; danach stammte der vornehmste, Mftziiär 
Bek, [{enauer Mehemed Zijär Bek, aus Turf an; ein anderer, Mulla * 
Bek, em stattlicher junger iMann, auch aus dem Innern; ein dritter» 
Sftdiq Bek, aus Kaschgar. Ihr Besuch war wohl veranlaßt durch 
Unus Bek (s.. S. 3J) und stellte eine besondere persönliche Freund- 
lichkeit dar. 

''OTiidschi ist wohl anzusehen als chin. fai' chi> [dies 
10S38 -f 909], „Daiji, the Iowest order of Mongolian nobility; used 
also as an official title, between milttary and civil'* (Giles; s. auch 
Mayers Nr. 538). Doch mag der Übergang aus dem Chinesischen 
in das Türkische nicht direkt stattgefunden haben, sondern durch 
Vermittlung des Qalmaqischen (über das Qong-Tttdschi bei ihnen 
siehe mein Islam. Orient I, 225). -^ Ein Sohn des Amin Chodscha 
namens Sula imfin herrschte 176Q. über sechs Städte, worunter 
Pidschan, s. Anm. 39. 

^) Ein Porträt des Emin Cballyq oder Emin Chodscha mit 
chinesischer und mandschurischer Legende befindet sich im Museum 
für Völkerkunde Berlin. Emin Chodscha heißt der Nachkomme jenes 
alten Fürsten, der nicht in Turfan selbst, sondern in dem nahen 

kuktschun residiert. Lecoq berichtet S. 517: «Der Herr des Landes» 
min Chodscha, Wang von Luktschun, ein türkischer Fürst, zu dessen * 
Reich Qarachodscha gehört, besuchte uns [in der unmittelbar an 
der Ruinenstadt Idiqutschahri gelegenen Wohnung] alsbald und 
erwies uns alle möglichen kleinen Dienste. Er ist ein hübscher 
Jüngling von 19 Jahren, dessen Familie wie die seines Schwieger- 
vaters, des Wang von Chami (Qomul), sich zur Zeit der Dsungaru- 
kriege vor. ungefähr 150 Jahren freiwillig den Chinesen unterworfen * 
und dadurch eine begrenzte Selbständigkeit gerettet hatte." 

"') Auch Grenard bemerkt, daß die Bevölkerung sich nie als 
ein ethnisches Ganzes bezeichnet, sondern höchstens als religiöse 
Einheit empfindet (2, 9 f.). Die ethnischen Verhältnisse sind von 
Grenard mit derjenigen Vorsicht behandelt, die bei der Erörterung 
dieser schwierigen Frage geboten ist und die auch ich angewandt 
habe {S. 2 ff.), bs ist dringend zu widerraten, über die Urbevölke- 
rung lurkestans sich autoritativ -einseitig zu äuBern. Das Material» 
mit dem wir hier arbeiten, und das sich nicht wesentlich vermehren . . 
wfo-d, Ist unbeträchtlich und unsicher. 

"^ Die Araber haben eine gute Witterung, wo etwas zu holen 
Ist. Kaum hatte Ja*qüb Bek sein islamisches Reich gegründet, da 
fanden sich Araber bei ihm ein. Dazu, so wird berichtet, hatte der 
Herrscher, der gern die fromme Pose annahm, die Tendenz, Sprach- * 
genossen des Propheten In sein Land, an seinen Hof zu ziehen. Als 
es mit der Bidauiet-Herrlichkeit zu Ende war, verschwand das Ge- 
sindel, das sich von ihm hatte füttern lassen, bis auf geringe Reste. 
Nach Arabschih lebten 1903 in Jarkend 5— 10 Araber, die behaupten, 

100 



Anmerkungen. 



«US dem Hidschii (Mekka oder Medina) zu stammen; ihre Sprache 
sei stark dialektisch gefärtit. -- Als Händler trieb sich ein Araber 
vor meiner Zeit in Kaschgarien umher: Igemberdi, mein Kommissionir 
in Jarkend, behauptete, er habe in Aqsu in seinem Dienste gestanden; 
der Fremde sei Muslim gewesen, .aber wohl Ripizi [Schiit]. Ich 
möchte annehmen, daB er ein christlicher Syrer war. Von suver* 
lässiger Seite höre ich, daft in Indien die Groften gern Araber in ihr 
Haus nehmen, um sich von ihnen bequem In die Sprache einfuhren 
zu lassen; Mekkaner werden bevorzugt. In allen diesen Ländern 
werden die Araber mit einem abergläubischen Respekt angesehen: 
sie bilden eine Art Aristokratie, der sich selbst die hochg[eborenen 
Türken und Inder inferior fühlen/ tr Es möge hier gleich einer 
Legende ein Ende gemacht werden: daft Katti- Kurgan bei Samar- 
g «nd eine arabische Bevölkeruhg besitze oder doch m seiner Nähe 
sich eine arabische Kolonie .«befinde. Nach zuverlässigem Bericht 
hatte es in der Tat einmal eine arabisch sprechende Bevölkerung. 
Wie und wann die -dorthin gekommen, konnte ich nicht ermitteln. 
Bart hold, Turkestan 2, 99 erwähnt Katta- Kurgan (so richtiger; 
katta ~ groB; ich behalte Kattl-K< bei, weil von mir gehört) nur 
gelegentlicn des Rebindschan, ;das ein wenig westlicher als das 
jetzige Katta-Kurgan liegt*. Jedenfalls ist die heutige Bevölkerung 
völlig turkisiert und versteht kein Arabisch mehr; einige Individuen 
haben es in Mekka neu erlernt. — Zum Bilde gehört auch, daft Pater 
Hendriks im Jahre 1894 in Chotan einen Araber fand, der dort an« 

gesehen und wohlhabend war und noch da lebe; die dummen 
iauern der Umgegend brachten dem frommen Manne Geld und Brot 
und ihre Weiber und Töchter; es sei allgemein üblich, den Saijids 
die Frauen zum Schwängern zuzuführen. Der Chotan -Araber weigerte 
sich, den Besuch der Trengis am Tage zu erwidern: das wilrde 
seinem Ansehen schaden; er kam schließlich am Abend. 

^) Die Bekanntschaft des Mannes verdankte ich dem Ober- 
richter von Kaschgar, der bei meinem Besuche am 22. Oktober 1902 
(siehe darüber unten) plötzlich eine arabische Visitenkarte mit nSa'id 
Ibn Mubammed Efasel Et^arabülusi Eschschxmi" hervorzog. Er 
sprach mit großem Respekt von dem Fremdling: er sei erst 33 Jahr 
alt, aber ungeheuer gelehrt; er wolle nach Lhasa in Tibet gehen, 
um dort den wahren Glauben Jtü predigen. Mein Kommissionär 
erzählte die wunderbarsten Dinge von ihm: er sei Herbst 1901 an* 
gekommen und spreche schon ganz gut Turki, heifte gewöhnlich 
nur Sejid Arab und sei ein Nachleomme des Chalifen Osmftn 0); er 
sei arm und wohne in der Nähe des Paaaltschaq Mazir, des Grabes 
des Heiligen Paqaltschaq^ . das in der Nähe des Marktplatzes liegt» 
und sei von der chinesischen Riegierung als Hüter dieses Grabes 
anerkannt Endüch. am 26. Oktober 1902, suchte ich den interessan- 
ten Fremden auf;: eine nicht unbedeutende* Erscheinung, ersichtlich 
das gesamte «Gelehrten*- Corps von Kaschgar weit fiberragend. 
Sifid, der sich selbst als Scherff (Nachkomme des Propheten) be- 
zeichnete, saft mit einem andenf Muslim (Inder) in einem geräumigen 
Zimmer; im Hintergründe eine Anzahl ui >rgeordneter Personen, 
von sehr dunkler Hautfarbe. Schon vom Oberrichter hatte icli 
gehört, Sa*id sei aus der Türkei verbannt. Als er mein Unterrichtet- 
sein darüber bemerkte, sab er mir alsbald das von ihm verfafttt 
tabi'i* alistibdid .Charakteristik des Absolutismus*, das von 
»einer geheimen Gesellschaft* (Jungtflrken?) gedruckt sei, bat mich 
aber beim Abschied noch besonders, als die andern etwas im Hinter» 



*N 



10t 



Anmerkungen. 



102 



gründe blieben, leise, von dem Buchlein nicht zu sprechen und es 
niemand zu zeigen. Sa'id machte über sein Leben folgende Mit- 
teilungen: »Ich redigierte vier Monate in Stambul die MaMamfit**; ich 
warf ein: „Also Sie arbeiteten unter Tahtr Effendi, der doch ein 
unwissender Patron ist?" — «Er gehört zum Palais und ist reiner 
Geschäftsmann ; dann lebte ich sechs Jjahre in Haidarsbsd eddekkan, 
wo ich die Söhne der Großen unterrichtete; dort ist viel Wissen- 
schaft: die Bibliothek A^üHje enthält viele gute Werke; dann wohnte 
ich ein Jahr in Chotan und s<!it vier Monaten lebe ich hier; in 
Indien lernte ich die Sprache der Bevölkerung, und auch hier will 
ich die Volkssprache lernen.** Mein Hauptstudium sind die arabischen 
Dichter, von denen ich viel gesammelt habe in Handschrift und 
Druck; in Kairo kopierte ich in der Bibliothek eine Anzahl guter 
alter Werke; der Hauptteil meiner Böchersammlung befindet sich 
noch in Haidarabfid; ich selbst habe einen Diwan arabischer Ge- 
dichte verfaßt.** Mit diesen Worten zeigte er mir einen stattlichen 
Band mit handschriftlichen Gedichten^ deren erstes ein LoblieJ auf 
den berüchtigten Abulhuds war. Mehrfach ging aus seinen Äuße- 
rungen hervor, daß er sich als Araber hoch erhaben fühlte über all 
das Gesindel von Indern und Türken. Von seinen Beziehungen zur 
türkischen Regierung sprach er nicht und ebensowenig von seinem 
Plane, Tibet und Peking zu besuchen. Später hörte ich, daß Sa*id 
in seinem Hause ein Pnvatissimum über die Sahihain (Buchur! und 
Muslim) lese . das jgut besucht sei ; es sollen 25 bis 30 Talibs bei- < 
wohnen. ^ Kennzeichnend für arabisches Wesen ist, daß auch Sa'id \ 
selbst in Kaschgar einen Landsmann als argen Feind hat. Als ich 
am 19. Januar 1903 den Besuch des vornehmsten und wohlhabendsten 
Afganen Kaschgars, Mehemed Azim, erhielt, brachte ich alsbald das 
Gespräch auf meinen syrischen Freund. Es wurde aus gemein- 
samer Kenntnis konstatiert, daß sich die Araber immer zanken: 
„Wo zwei Araber sind, leben sie in Feindschaft; so ist denn auch 
bittrer Haß zwischen Sa'id und einem andern Araber, der hier lebt, 
namens Hasan; dieser Hasan intrigiert unaufhörlich und erbittert 
gegen Sa*id, er schreibt überall hm, Said sei ein Anhänger des 
Ahmed Qadijiini, und der Qädijiini habe selbst gesagt: ,Sa*id ist 
unser Murid*; nun hat man bereits geschrieben, um eine authentische 
Äußerung des Qadijfin! zu extrahieren; die Antwort steht noch aus.*^ 
— Seltsamerweise war ein Inder, Abu Nasr Muhammad Wahid» 
Inspektor der Hauptschule von Dhacca (Ostbengalen), mit dem ich 
in Berlin am 16. März 1907 eine Zusammenkunft hatte, nicht lange 
vorher dem Sa*id Erasel in Kairo begegnet, und aus seinen Äuße- 
rungen ging hervor, daß sich Sa'id in Kaschgar eine recht behag- 
liche Stellung geschaffen habe. 

^) Die Bedeutung der neuperslKhen Sprache für Ost-Eurasien 
wurde von mir beleuchtet in: Zwei Islamische Kanton-Drucke 
(Islam. Orient I), 78 f. Von der Verbreitung der Sprache ist zu 
trennen die des Volkes. Bei Schätzung des persönlichen Elementes 

K^rsischer Herkunft ist zu scheiden zwischen Schiiten und Sunniten, 
eut gilt uns (und auch einem großen Teile der Orientalen) „Perser*^ 
als gleichbedeutend mit ,.Schiit**. Es war nicht immer so. Bis zu 
dem gewalttätigen Eingreifen in das Reliffionsleben durch die fana- 
tisch-schiitischen Nachkommen des Imam MasK Alqisim, die Sefewiden» 
war in Chorasan der Sunnismus herrschend, und auch In andern 
Teilen Persiens waren die Sunniten zahlreich (fast alle großen 
Dichter Persiens waren Sunniten: Sa* dl war es sicher; Nffsiri Cnosrau 



>.. 



> 



« 



Anmerkungen. 



wurde der Schi*a gewonnen in Ägypten; es ist xu bedauern, daB in . 
der ausgezeichneten Arbeit Eth^s im GrundriB die, meist SuBerliche, 
Konfession der gro5en Perser nicht genügend hervortritt). Nur dem 
sunnitischen Persertum gehört an, was von persischem Schrifttum in 
Turkestan und im eigentlichen China bekannt ist, wie das Sijari 
fcerif des Miskin. Von Schiiten, die als in Kaschgarien lebend mir 
bekannt geworden, nenne ich : Arabschfih (s. S. 40X einen Schiiten, 
der im Februar 1903 sich in Jarkend aufhielt als Freund Arabschihs» 
und ein Mitglied der Schwedischen Mission namens jQsuf, der etwa 
ein Jahr vor unserer Ankunft Jarkend hatte verlassen mfissen. ein * 
nach allen Berichten aufterge wohnlich fähiger Mann, dessen Hand* 
lungsweise aber nicht einwandfrei ffewesen war. Arabschih war als 
Inder englischer Untertan; sein dastfreund und Jüsul m'aren per* 
sische Staatsangehörige. Nicht mit gleicher Sicherheit kann ich das 
von dem Baumeister des Baisi Bek-Mausoleums saf en (s. S. 35). 

^) Zum Badachschin-Qebirge siehe meine Notiz in:Der£agha- 
taische Diwan Huw«dK*s (MittiSiem. f. Orient. Sprachen V(19Q2X 
Abt. II) 142. Die Rekognitions^Reise, die der verstorbene Ney Elias, 
als er engl. Gen.-Konsu) in Meschhed war, von Jarkend aus durch 
Badachscn«n machte, erwies die hohe Bedeutung des Berglandes» 
aus dem wirtschaftlich sehr viel zu machen ist (Wein, Frfichte aller 
Art, tierische Piodukte in ausgezeichneter Qualität und groften 
Mengen; die TOrkis-Mlnen werden von. den Bewohnern so scharf 
bewacht, daft damit nicht zu rechnen ist); es ist begreiflich, daB 
Grofi-Britannien dieses wichtige Gebiet, dessen Ostgrenze durch« 
schnittlich nur 100 km von Tschitral, dem am weitesten vorgeschobenen 
Posten im Nordwesten Britisch Indiens entfernt ist, seinem indischen 
Reiche gern angliedern wQrde. Es wäre damit ein neuer Zugang zu 
Turkestan (Jarkend) gewonnen. Der Verkehr Badachschins mit 
Jarkend ist ziemlich rege, iind.Schepi [scheff] Bai, der Diener der 
schwedischen Mission in Jarkend, ein Badachschin- Mann, der mit 
dem Gen.- Konsul Elias gereist war, versicherte, er könne mich in 
voller Sicherheit durch sein Land führen, und ohne daB erhebliche 
Weg-Schwierigkeiten zu überwinden seien. Er unterschätzte freilich, 
daß Badachscnsn zu Afganistan gehört, daß Afganische Truppen sich 
dort finden, und daß die Afganen ein höchst gefährliches Gesindel 
sind, wenn sie nicht durch besondere Rücksichten, wie bei Elias, im 
Zaum gehalten werden. Es würde in jedem Falle eine Sonder- 
Erlaubnis des Emirs nötig sein, um über die Grenze zu kommen, 
und die würde kaum erteilt werden (m<^lich, daß sich unter dem 
Emir HabibullAh die Lage bessert). Die Afganen und Badachschin- 
Leute hassen sich; Schepi Bai sagte: «Die Afganen sind falsch; bei 
ihnen sind Herz und Zunge verschieden, bei. uns sind sie eins.** 
Nimmer können die Badachschinhiqs dem verstorbenen Emir 
Abdurrahman seine Handlungsweise vergessen: als er, so sagen sie, 
aus Samarqand kam, Um sein Reich zu erobern, da organisierte er 
den Feldzug von Badachschftn aus, dessen Bewohner ihm willig 
Hilfe leisteten. Was war der Dank ? daß er ihre Großen zu beseit^eti 
suchte, was ihm auch zum TeH gelang. Die Badachschaner haben 
keinen energischen Führer, sonst hätten sie längst die afganische 
Herrschaft abgewoHen; sie wünschen die Hilfe der Briten, um zur 
Selbständigkeit zu gelangen. Sie sind bei weitem nicht so geschwächt, 
wte die Ozbeken ^o nannte mein Gewährsmann diese Türken) in 
den Nordstädten der Ebene wie Kundus, Balch usw.: die lies Emir 
Abderrahman alle töten, und überall sitzen dort afganische Qouver- 



IM 



Anmerkungen. 



104 



neure. Schepi Bai versicherte, Elias sei auf seiner Reise durch 
Badachschiin von der Bevölkerung auf den Händen getragen worden; 
er t>ries die Freigebigkeit der Briten (die Ziffern, die er nannte, 
scheinen den Leuten dort sehr hoch; die Summen sind bescheiden, 
wenn man bedenkt, daß das Geld in jenen Gegenden eine Kaufkraft 
von 400—600^0 der in Europa hat. Elias soll sich besonders mit 
der Erforschung der Türkis -Minen beschäftigt haben: die reichsten 
Läfier seien den af ganischen Herren gar nicht bekannt, sondern 
Geheimnis der Landesbewohner. — Die Zahl der in Jarkend wohnen- 
den Badachschanluqs wurde mit ca. lOOC^ Mann angegeben, meist in 
dem Viertel Aq Mesdschid wohnend; es seien darunter viele Zemin- 
dare (Grundbesitzer). Über ihren Ac^aqal „Altesten'*, Mehemed Onus 
(Jflnus) Bek s. oben S. 33. — Über den iranischen Dialekt des 
Badachschän s. Grundriß der Iran. Philologie 1, 291. 

^) Über die Zahl der in Jarkend wohnenden Afganen wage 
ich eine Angabe nicht zu machen, doch erreicht sie bei weitem nicht 
die der Badachschan - Leute. Es sind fast sämtlich wohlhabende 
Männer, die Läden auf dem Markt und Grundbesitz haben. Der 
reichste Afgane Jarkends, vielleicht der reichste Mann Jarkends über- 
haupt, war Anfang 1903 Mehemed Azim Chan; er ist nach den Be- 
richten Händler größten Stils, hauptsächlich mit Indien, unterstützt 
von seinem Bruder Mir (so entsteht der Adel) Ahmed Chan , der in 
Kaschgar sein Vertreter ist. Er hatte die Freundlichkeit, mich zu 
besuchen (am 19. 1. 03), und ich hatte den Eindruck eines gewandten 
und lernbegierien Mannes; bei Besuch und Gegenbesuch wurden 
nicht Phrasen gewechselt, sondern eine Anzahl mir wichtiger Fragen 
berührt, auf die der Chan sachgemäße Antwort gab, neben manchen 
Übertreibungen in orientalischer Art. Im ganzen bewies er eine auf 
der nüchternen Betrachtung des Geschäftsmannes beruhende, gute 
Einsicht in die politische und wirtschaftliche Lage. Im Januar 1903 
machte in Jarkend ein Vorfall ungeheures Aufsehen, der scheinbar 
eine unbedeutende Schimpferei ist, aber die Stellung der Parteien 
beleuchtet: ein angesehener Afgane war von dem russischen Aqsaqal, 
dem Andidschanluq Kämil Bai, gröblich beleidigt worden. Gen.-Konsul 
Petrowski hatte Ursache, mit dem Mann, der 1901 endgiltig ange- 
stellt worden war, unzufrieden zu sein, und ergriff diese Gelegenheit, 
ihn fallen zu lassen. Er wurde deshalb von den Afganen als ein 
Verteidiger* des Rechtes gepriesen. Im Übrigen kannte man ihn 
auch in Jarkend überall als einen gefährlichen Intriganten, der, wie 
Mehemed Azim Chan sagte, aus einem Worte, das jemand vor ihm 
sagt, zehn macht, um einen Strick daraus zu drehen. 

"*) Die schwierige Tunganen-Frage kann hier nicht eingehend 
behandelt werden. Keinesfalls sind die Tunganen, wie Forke meint 
(Toung-Pao Ser. II vol. Vlll S. A. S. 3) Leute, die ursprünglich Per- 
sisch gewrochen haben : »Dieses wurde durch das Chinesische ver- 
drängt, das aber die Dunganen infolge der Einwirkung des Per- 
sischen sich nicht in reiner Form aneigneten**. Das vorliegende 
Material ist viel zu gering, um solche Schlüsse zu ziehen. — Vor- 
treffliche Mitteilungen über das Verhältnis zwischen Türken und 
Tunganen in Kaschgarien und die feindlichen Zusammenstöße 1863/4 
macht Grenard 3, 47 ff. Mir wurde Anfang 1903 über die Zahl der 
in Jarkend wohnenden Tunganen keine Angabe gemacht; es wurde 
nur gesagt, daß man in Jarkend alle chinesischen Muslhne (bedschin* 
Ivq müsli min) „Tunganen** nenne, und daß fast alle Läden im 
dchigan, der Bazarstraße zwiKhen Alt- und Neu -Jarkend, haben; 



Anmerkungen. 



die meisten seien wohlhabend; auch die Tunffanen von Maraihaschi 
und Aqsu gelten als wohlhabende und treuliche Leute, die den 
Islam gut kennen und halten; Igemberdi wollte das bei seinem ein- 
jährigen Aufenthalte, in Maralbaschi gesehen haben: er fand an 
ihnen chinesische Gewohnheiten, doch hielten sie sich von den 
Chinesen durchaus fern. Es gelang mir nicht, mit Tunganen in 
persönliche Berührung zu kommen, auch nicht, etwas von den fffir sfe 
bestimmten sprachlichen und sachlichen Lehrmitteln zu erwert^en« 
die sich unzweifelhaft bei ihnen finden. 

3 Ober Ahmed Ihn Ibrihim Mahmad Ibn Iftichir Jasawi, gest 
, begraben in Turkistin kkr Ortschaft, die früher Jasi 1ile5 
und die jetzt Station der Bahn Taschkend - Orenburg ist) s. mein 
Der caghauische Diwan Hflwsdrs in: Mitt. Sem. f. Orient. Sprachen V 
(1902) Abt. II S. 133 n. 3; dort auch über die Drucke seines Diwans 
^Hikmet"; drei Drucke sind beschrieben in meinem »Buchwesen in 
TurkesUn und Drucke Hartmann* in: Mitt. Sem. Or. Spr.VII (1904) 
Abt. II S. 93. Sein Diwan wird in ganz Mittelasien gelesen. Leider 
ist kaum ein Zweifel, daß die rezipierte Version in ahnlicher Weise 
eine Modernisierung des Originals Jst wie der Druck des Rabghozl 
(s. darüber mein „Buchwesen** 'c. a. O. S. 76 ff.). 1905 wurde in 
Petersburg eino Expedition nach Jtei (Turkistan) beschlossen, um 
die berühmte Möscnee des Ahmed Jasawi aufzunehmen. Der erste 
Bericht über ihre Arbeite.n, mit Mitteilung der Inschrift des groften 
Kessels Siqäja (nach Koran 9, 19) von 801, eines Leuchters von 799 
und des Sarkophags d.^r Ribt*a Sultan, Tochter des'Timuriden Ulugh 
Bek von 890, ist erschienen in Bulletin Assoc. Internat p. TExpl. 
de TAsle Centrale, Pet, Mai 1907. 

*<) A^r'Ali Scher Nawfti, der am Hofe des Husein Baiqarf zu 
Hertit lebte (s. Pertsch, Türk. Handschr. Beriin, Nr. 380; über 
Handschriften und Drucke seiner DiWane s. mein „Buchwesen** 
Mitt. Sem. Or. Spr. VII (1904), Abt. II, S. 85f.X schreibt ein Turid, 
das sich in manchen Einzelheiten von der Diktion anderer „tscha* 
gataischer** Literaten unterscheidet Man hat das zuweilen Osmanismen 
genannt, wohl hauptsächlich mit Rücksicht auf die bei ihm verhältnis- 
mäßig häufige mii-Form. Doch ist ein Einfluß von Seite des 
Osmanlitums nicht wahrscheinlich. JMan wird vielmehr annehmen 
dürfen, daß seine, dem Osmanischen verwandten Eigentümlichkeiten 
auf gleiche Quelle mit diesem zurückgehen. Wir sind über die 
historische Entwicklung des Osmanischen noch nicht genügend 
unterrichtet um die Parallelen ziehen zu kennen und zu Folgerungen 
zu gelangen. Mit Recht ist n«an, gegen den Namen „Seldscnukisch** 
mißtrauisch (vgl. m ei n'^Zentralasiatisches aus Stambul* (Islam Or. IX 
106 Anm. 2). Man wird aber sageti dürfen, daß unzweifelhaft an den 
Höfen und bei den Regierungen der Seldschuken- Fürsten, soweit 
nicht das Persische gebraucht wurde, ein Türkisch als korrekt galt, 
das sich in festen Formen bewegte. Diese Sprache, von der keine 
sicheren Proben vorliegen, wird in den Hauptsachen mit dem älteren 
Osmanisch übereingestimmt haben, bezw. die im Reiche der ersten 
Osmanen-Herrscher geltende Sprache bildete sich nach dem Vor- 
bilde des Seldschukisch -Türkischen. Dieses übte aber seinen Ein- 
fluß auch nach Osten, und zwar hier auf eine schon entwickelte 
Sprache, in die es neue, fremde Elemente hineintrug. Waren auch 
die Seldschukenreiche von Kleinasien und von Iraq zur Zeit NawtfU 
längst dahin, so hat die Tradition ihrer Sprache in den kleinen 
Reichen, in die sie zerfielen, im Osten weitergelebt Bei den immer- 



10S 



Anmerkungen. 



106 



währenden Wirren Chorasans, namentlich setner östlichsten Teile 
Hernt-Balch, ist die Hoffnung, dafi irgendwo Dokumente aus den 
Kanzleien auftauchen, schwach. — Es ist übrigens zu dem über 
Jasawi (Anm. VO) und über Nawal Gesagten zu bemerken, daß 
sie nicht etwa als Exponenten literarischer Tätigkeit in Turkestan 
anzusehen sind, denn beide stehen au&crhalb Turkestan.^ in unscrm 
Sinne; aber sie gehörten und gehören doch zum literarischen Be- 
stände des Landes. 

^ Eine Übersicht über das Wenige, was Turkestan an 
literarischer Produktion nach dem Kudatku Bilik aufzuweisen hat», 
gewährt mein „Buchwesen in Turkestan und Drucke Hart- 
mann** (Mitt. Sem. f. Or. Spr. VII (1904). Abt. 11, 69 ff.). Der einzijge 
Kaschgarmann , der mit (bedingt) brauchbaren Arbeiten hervortritt» 
ist Menemed Sndiq Kaschgari, der sein Teszkirei ^Aziziin im Jahre 
1182 176S schrieb (s. Islam. Orient I, 291). - Nachträglich wurde ich 
aufmerksam auf den türkischen Text, den Herr Nedschib Assym 
Baihassan - Oglu herausgegeben hat unter dem Titel „Un Texte 
Ouigour du Xll-iime sRicTe** (Kel. Szemle VII (1906), 257 ff. Der 
Herausgeber findet (S. 259), dao der Stil des Gedichtes wesentlich 
von dem des Kudatku Bilik abweiche, und daft deshalb der Dad Bek» 
dem das Gedicht gewidmet, nicht der 493/1100 getötete sein könne» 
daß vielmehr in ihm ein Dad Bek zu sehen sei, der im Anfang des 
6. (12.) Jahrhunderts in Kaschgarien lebte, und den ich einzig aus 
dieser Notiz des Herausgebers kenne. Mir scheint eine Sttlver- 
schiedenheit. die zur Annahme späterer Abfassung zwingt, nicht vor- 
zuliegen. Doch sei auch der „Texte Ouighur** 50 Jahre später 
anzusetzen als das Kudatku Bilik, er beweist, was ja von vornherein 
anzunehmen n^r, daB das Kudatku Bilik nicht ein alleinstehendes 
Literatur- Denkmal ist, sondern daO, angeregt durch es. vielleicht 
aber auch als selbständige Zeitgenossen oder gar Voriäufer, andere 
Gedichte in der als korrekt geltenden Sprache Kaschgariens verfaßt 
wurden. Die Aussicht, daß weitere Stücke aus diesem Kreise zum 
Vorschein kommen und daß solche inhaltlich nicht derselben öden 
paränetisch-moratisierenden Klasse angehören, ist gering. 

^ Dieser aus Kaschgar gebürtige Mann, den ich in Jarkend 
in Dienst nahm, leistete mir vortreffliche Dienste als Kommissionär 
für Beschaffung von Büchern und von Beobachtungsmaterial. Sein 
Name bedeutet: „mein Herr hat gegeben**. Über die Aussprache 
egemberdi als jarkendisch gegenüber dem andidschanischen igimberdi 
siehe mein Ein Tfirk. Text aus Ka^igar Kel. Szemle V (1904), 177 
Anm« 2. 

^) Das zweite Lied, das Siwut vortrug, war das von Abdijaman 
Paschi, dem Sohne des Hadschi Pisch«. Abdijaman ist Abdurrahman 
(über r OD I s. meine Bemerkung Kel. Szemle VI (1905), 34 Anm. 2)« 
von welchem in Anm. 5 die Rede war. Grenard hat zwei Ver* 
sionen der „Ballade d*Abdourralimän** 3, 88—97. Ich behalte ver- 
gleichende Behandlung der drei Texte vor. 

*") Einiges Material über die inneren Kämpfe in Turkestan vor 
und nach der Regierung des Ja*qOb Bek Bidaulet gibt G r e nard 2, 47ff. 

") Von halb chinesischen» halb türkischen Gedichten hörte 
auch Albert von Lecoq. 

*0 Von den in Taschkend gedruckten Werken der islamischen 
Wissenschaften suchte ich während meines kurzen Aufenthaltes dort 
eine vollständige Sammlung lusammenzubringen. Das Erworbene 



•>? 



Anmerkungen. 



beschrieb ich In: ^Buchwesen Turkestans und Drucke Hartmann'*' 
(Min. Sem. f. Orr. Spr. VII (1904X Abt. II, S. 67fff.). 

^) Zu dem hier (S. 43, vgl. S. 19) Gesäßen ist nachzutragen» 
daB der letzte in Kaschgar herrschende Chodscha BOzörg Chin Tore 
war, der nach kurzer Regierung von Ja*qHb B«k beseitigt wurde 
(1864). Einzig bei Grenard finde ich die Notiz (2, 289), daft die 
Russen einen Chodscha auf Lager halten: „Les Russes ddtiennent 
prisonnier i Margh^lsn Hftkim Khin Toura [töre], hdritier de 
Douzourk [BOzörgj Khin, le Khodja, demier souveram legitime de 
Ktischgar. C*est un pr^tendent qui a Tincomparabie m^rite d*£trt un 
imb^cne avtfr^**. Wenn Grenard ihn unter die ^Trampfe** rechnet» 
die die Russen gegen die Chinesen in der Hand haben, so ist das 
nicht richtig. Mit einem Chodscha ist heut in Kaschgar kaum etwas 
auszurichten, zumal nicht mit einem, der russische Puppe ist 

"*) Pelliots Bemerkungen über die Dolmetscherschulen stOtzen 
sich vermutlich auf die Mitteilungen Grenards 2, 273 ff. Ich gebe 
zu, dafi danach die Existenz. dieser Schulen gesichert scheint, und 
daft danach sogar einige Früchte erzielt worden sind. Aber bis auf 
Bestätigung durch einen weiteren zuverlässigen Berichterstatter nehme 
ich an, dal Grenard getäuscht worden Ist, und daß die Schulen 
nur auf dem Papier existieren. In Kaschgar und Jarkend gibt es» 
nach meinen Beobachtungen, keine Spur einer solchen Schule. Die 
Schule in Chotan zählt „nur** 60 Schüler. Das wäre eine enorme 
Zahl. Auch ist trotz aller Lauheit der Muslime kaum anzunehmen» 
daB bessere Leute ihre Kinder in diese Schulen schicken, wo Ihnen 
nies pratiques religieuses musulmanes ne sont permises qu*en secret*** 
(S. 273). Und nur Leute von Vermögen können es, denn die Sache 
ist, selbst nach Grenard, recht kostsf)ielig. Die Heranziehung und 
Ausbildung von Dolmetschern und zweisprachigen Sekretären findet 
von Fall zu Fall statt, worüber ich manches gesammelt habe. 

m Der wackere Magnus Bäcklund der, etwa 30 Jahr alt» 
am 26. |uni 1903 nach kurzer Krankheit in Kaschgar starb, arbeitete 
dort seit 1897 im Dienste der Schwedischen Mission und übte 
namentlich eine segensreiche ärztliche Tätigkeit, in deren Erfüllung 
er sich den Keim des ihn schnell verzehrenden Typhus holte. Mir 
war er durch seine reiche Erfahrung, die er in selbstloser Welse zur 
Verfügung stellte, von groftem Nutzen. Vgl. meinen Nachruf Orient. 
Litt.-Zeitung 1907 Sp. ^f. 

<«i) (Zu S. 60 bei 100): Nach § 2 der Vorschriften über den 
Laftdhandel, die dem Vertrage von St. Petersburg v.J. 1881 [Komi- 

Ipw S. 30] beigefügt sind, sind an der Grenze Kaschgariens fünf 
Jbergangsstellen für den Handel mit Rußland geöffnet: Bedel (nicht 
mehr auf der Übersichtskarte Tafel I, weil zu östlich), Terek und 
Turuk Art gegen Semtrjetschije, Sujak und Irkeschtam gegen 
Ferghana; gegenwärtig werden von den Händlern nur vier benutzt; 
Sujak kommt nur für das Treiben von Vieh aus russischem Gebiete 
in Betracht. Südlich von Irkeschtam ist in der ganzen Länge der 
Pamirgrenze bisher kein einziger Durchgangsounkt festgestellt, da 
die zeitweilige Grenze der Pamirs segen iCaschgarien bedeutend 
später als der erwähnte Vertrag markiert worden ist Kornilow» 
dessen S. 312 diese Mitteilung entnommen Ist, gilrt in Kapitel 9 
(S. 324 ff.) ausführtiche Nachrichten über die Straften aus den Pamirs» 
aus Ferghana, aus Semirjetschije und über die Straften nach Indien. 
^ Die Skizze des nissisch-chinesiKhen Grenzgebiets mit den Henpl-> 
ttraften Ist mit Benutzung des von Kornilow dem Kapitel 9 bei* 



10? 



CT — . -_ -I.- 



Anmerkungen. 



gegebenen schematischen K&rtchens, der 40 Werst «Karten der 
Cieneralstäbe von Taschkent und von Petersburg und der 10 Werst-Karte 
des Generalstabs von Taschkent hergestellt. 

•«»>•) [Zu S. 65 Z. 36 Ges.] Qrenard gibt über die Maße 
2um Stoff messen 2, 230: „tchiza (chin. tch'eu [das Zeichen, R.44, s. 
Giles ch'ih*] tzeu [tzii] pied -» 0,35 m. -- altchin [aus russ. 
arschin, durch den Lautwandel 3ch x tsch] » 2 pieds, (),70 m. ^ 
bayri le carrd de la largeur de T^toffe, I e [Sache und Name sind 
Forke unbekannt]". Ich bemerke dazu: Neben dem russ. arschin 

10,711 m] in der Form al tsch in ist das Wort Gez üblich, der 
ame des indischen Ellenma&es, das in Bombay ",4 Yard - 0,686 m 
gerechnet wird. Wenn Grenards Angabe : 1 tschiza -- 0,35 m richtig 
ist, so hält dieses chinesische Mafi (es wurde mir von einem 
Schneider, bei dem ich in Kaschgar arbeiten lieft, als das übliche 
Schneidermafi zu lOsong [ts^unH und „gleich V^ Gez oder Arschin** 
bezeichnet) ein Mittleres zwischen dem halben rassischen und indischen 
Maft, deren Ganzes promiscue mit den Namen Gez und Arschin ge« 
jiannt wird. 

^^) In Chokand gibt es bereits deutsche Firmen. Kennzeich« 
nend ist die Notiz „nach einem Bericht des Kais. Konsulats in Baku*' 
In Asien VI, 6 (MIrz 1907) S, 93: „In Kokand ist eine Warenbörse 
eröffnet worden. Es ist dies die erste Börse in Mittelasien, wodurch 
die Bedeutung des dortigen Handelszentrums bewiesen wird.** 

^ Die nier vorgeschlagene Verwendung des Automobils wurde 
von mir zum Druck gegeben, ehe von der Automobilfahrt Peking- 
Pari^ die Rede war. Deren teilweiser Mißerfolg btweist nichts. Die 
Bedingungen In Kaschgarien sind günstig. Da NiederKhIige fast 
völlig fehlen, so efftfäflt die Verwandlung der Straften in Morast 
Immerhin werden eine Anzahl Bauten sich als notwendig erweiset» 
<Bracken über die Flüsse und die zahlreichen die Ebene durch« 
schneidenden KanileX Das landesübliche Gefihrt, die Harwa (zwei- 
rüdrtoer Karren) ist breitspurig und an sich leicht; auch Khwer 
beladen passiert es die primitiven Brücken ohne Unfall, wo das 
Hinflberkommcn lunftchst unmöglich scheint. Es ist auch die Ein- 
führung automobiler Trakteurs in Aussicht zu nehmen» welche die 
fieibehaituqg der Harwa als Hauptvehikel ermöglicht 



i 



II- 




108 



Indices\ 



1. Index der Personen, VAlker, Stimme und Dynattleii. 

Charluchtarken 12, A 45. 



*Abdellatif (von Aqsu) 51. 
'AbdelqRdir (ÖftzÜ Kalan) 46. 



Abdullah Challyq 50. 
Abdulasdlr Acnon 41, 
A67. 



4a, A5Q, 



Abdurrahlin (Mudarris) 46 f. 
Abdurrahman (Emir von Afgtia- 

nistan) A 87. 
Abdurrahman Pascha (AbdUinit 

Abdijaman) 40, A 5, A 94. 
Abdurreschid Chan 16, 17. 
Abu Bekr 17. 
Abu Nasr Muhammed Wahid 

A85. 
Aba Nasr Simftni 12. 
Abulhuda A 85. 
Achon Chfiwend 51. 
Afganen 38, A 87, A 88. 
Ahmed Chan (Mir) A 88. 
Ajetani (Saijid) 55. 
A lem (*Alem) Achuiluqum 49. 
Amursana 18. 
Xpsq, Chodscha (Hidayet Allih) 

17 f., 43, A2, A24. 
Aprtd^n Wang (» Peridön Wang 

der Jüngere) 35. 
Araber 37. 

Arabschfih (Molla) 40, A 84» A 86. 
*Ärif Dschftn (aus Aqsu) 45, 51| 

52, A 3, A 42. 
•A«!ar 52. 

Bickiwid (Magnus) 47, 48, 56, 

AlOO. 
Badachschanluqs A 87, A 88. 
BKdaulet s. Ja*qab Bek. 
Balsi Bek (Jarkend) 35, 37, 49. 
Baiziwi 51. 

Bardschuq (IdJqut) 14, A 19. 
Bohs*eddin MachdQm (Bowaddin 

Machsam) 45 f., 51. 
BözOrg Chin T6re A 98. ' 



Dscha'fari Sadiq (Inürn) 4a 
Dschaghatai 15, 16. 
Dschaghatalden 15, 16, 42» A 42. 
Dschimi 48, 49, 52. 
Dscheta (Dschitte), Rekli der 

A3. 
Dschihfingir, Chodscha f8L. 
Dschingis Chan 4, 7, 10, K Uw 

A 18. 

Emin (Amin) Challyq der XMcfe 

35, 36, A82. 
Emin (Amin) Wang (Emifi Oiod» 

scha) 35, A82. 
Eschref Achon 46. 

Qaurimai 65 f. 
GhaKschas A 58. 
Ghijfttaddin Naqqisch A ia 
Qürchan 14. 

Habibullih(Emir von AfdMudatan) 

All, A87. 
Habibulläh Hadschl A5. 
Hftfiz 47. 

Hikim Chan T6re A9a. 
Hftmn Boghri 12. 
Hendricks A84. 
Hidsjet Allih s. Apiq. 
Hiung-nu (Hunnen) lO. 
Hsiang-Fun (Kaiser) 34. 
Hunnen s. Hiung*nu. 
HQsein, Sohn'Alis39, Aaa 
Httsein Baiqari A91. 

Ibrahhn (Molla) 46, 47* 
igemberdi 40, 41« 52. A 84, A SU 

A93. 
ilekiden (Qarachaniden) 12, A Mw 

A17. 



*) Die einfache Ziffer beiekhnet die Seite, die nedi A dk 
Nummer der Anmerkung. 



10» 



indices. 



:A 



ita 



Ishiq Chodscha 42. 
Iskander Wang 35. 
Jsma*il Tedschi Hfikim Bck (Jar- 
kend) 35, 50. 

Ja'qQb Bek Bidaulet 19, 43, », 

A 5, A 84. A 95. 
asawi (Ahmed) 39, A90. 
eliandun 14. 
ezdegird III. A20. 
ünus Wang (Jarkend) 35. 
Onus Wang (Kaschgar) 35. 
asuf Chftss Hadschib 13, 38^ 
üsuff (Mirze) A66, A86. 
üsup Achon (Reschid AchOfi 

Oghli) 46. 

Kämil Bai A 88. 

KangHsi (Kaiser) 33. 

Kao-kü 10. 

Kerim Achon Baiwetschih 68. 

Kipäk (Käpäk) Mizi A 61. 

Kirgisen 42, 69, A50. A7t. 

Kofokolofff 62. 

Lu Ta-lao-ye A27, A75. 
Lu-chi Ta-fen A27. 

Macartney 62. 

JMachdiimi A'zem 16, 17, 42. 

Man! (Motu, Msri) A 2. 

Mehemed Azim A85, A88. 

Mehemed Sädiq Kaschgari A49, 
A 92. 

Mehemed Sa*id Wang 35. 

Mehemed Onus (Jonus) B€k 33, 
A61, A80, A87. 

Mehemed Zijtfr Bek (Mftzljir Bik) 
A80. 

Meschreb 43, 50. 

Mohammed der Prophet 17. 

Mohammed Chan (Dtchaghataide) 
42. 

Mohammed Dschin A46. 

Molla Achon Alem CAIem) 46. 

Moila Kitschik 40. 

Mongolen 14. 15, 16, AtflL A60. 

Muhammad Ma*sam« Schnell Rab- 
bani 48, 52. 

Mulla Bek A 80. 

Munireddin (aus Qandahir) 80. 

Mnsi Alqisim A8o. 

Naiman-Uigur 14. 
Nasir (von Aqsu) 51. 



Nisiri Chosrau A86. 

Nawri (Mir* All Scher) 39, A9t 

Nedschib Assym Baihassan Oglu 

A92. 
Nesefi 50. 

Nogaier (Wolgatörken) 53. 
Nuri Hadschim 48. 

8 mar Scheich (Timurlde) A la 
zbeken A87. 

Perid^n Wang 35. 

Persei 37 f. 

Petrowski 32, 46, 63, A 28, A 88. 



Piano di Carpine 16. 
%\ A55, A56. 



rpme 
il (P 



P ing, Ambal (P'ingdarfn) 33 ff. 



^ädijini (Ahmed) A 85. 

lidir Achon 46. 

lidir Achon (Mufti in Jarkend) 

49, 51 f. 
^iidir Chiin Hfidschim A46. 
ialmaqen (Kaimüken) 43, AT 
^ara chitai 14. 
iarachaniden s. Ilekiden. 
[ftri Endeläni 50. 

Rabghiizi A90. 

Ribi a Sultfin, Tochter des Ulugh 

Bek A90. 
Rimetulla Achon 46, 48. 
Raschiduddin der Historiker 16. 
Räzi 51. 

Reschid Achon 46. 
Rttmi (Maulini) 48. 
Russen 53, 67. 
Ruysbroek 16. 
Razi B«k A61. 

Sa* dl A86. 

Sidiq Bek A 80« 

Said Bek A63. 

Sa*id Ibn Muhammad EI'Aseia7, 

A85. 
Samaniden 12. 
Sarten 1, 53«* 55. 

Satoq Boghn 12, 38, A 16, A 17. 
Siwut (libit?) 40, A94. 
Schkhi MangsAr A 16, A 56. 
Schahroch (Timurlde) 8, A 10. 
Schahrbinii A 20. 
Schepi Bai A80, A87. 
Schlagintwelt, Adolf von 19. 
Sefer Achon49, 50r.,52. 



SeldKhuken A91. 
SeRm Achon 46. 
Siddik Achon A 63- 
SirMlKhcddin AdKMi 4&. 
SulaimM Ibn Amin " 

A 39, A 81. 
Sulaiimn Qideni TuiihMKh 

Cbiipn A 17. 
Sultan Alp AU 42. 
SuIlM Mabmfld Wang 35. 
Sui>| YOn A 71. 
Sung-thrnasile la 
Syrer 37, S4 f. 

Tibarl 32. 
Tadschik 38- 
Tahif Effendr A 85. 
TanK-Dynastie 4. 



T aBi 41, 

T 

T ,«»aafc 

k AMw 

Ufguren (Chni-dw) 10; 11. 1^ 15. 



Affanisian iZ, A II, A87. 

Alai-Gebiree 8. 

Alai-Tal 8, 9, A 10. 

Andchui 8. A II. 

Andidschan 8, 61, A tO, All. 

Ansf (An-Hsi, Ngan-iß 2, 6, 7, 21, 
A4D. 

Aqsu (A-tc'«-Bu, Wens-Su) 2, «, 
21, 23, 30, 341., «, Sl. S2, 
A26, A42, A47, A84, AW- 

Aifdu-Darla 23. 

Artysch (Atysch) A 16. 

Atschanc 2B, AM> 

BadachKh&n 9, 33, 38, A 10, A II, 

AST. 
Bagdad A lt. 
Bagratsch-Kul 23. 
Bai (Pai. Paj-ChCtig) 23, Sl, A 48. 
Baku All. 
Balasasun 13. 

BalcMBaktra) 8, A IV, All. - 
Balchasch-Sce 7. 
BardKhuk (BarkschOk) A 19. 
BarogJI-PaB 61 f.. a 11. 
Barqul (Chen-Hst) «, 21, A 27, 

AST. 
Batum 64. 
Bede! A tOI. 
Büdachin, Bidschin >. Pekinf. 



BischbaUa (PenUpolb) 7, A«. 
Bombay 49, 63. 66.' 
Boro-Horo-Gebirge A7. 



Botmanak-PaS 24. 

Buchara I, 12. 48, SO, Sl. ' 

Budunkul 24, ASi 

Busur (Bukur, PiHui-«rli) 2t 

A46. 
Builyk 24, A S2. 
Bukur >. Buaur. 
Bulungir-FiuB 6. 
Bulungtrcöl 6. ' 

Canton 66. 

Ch'ana-Chih 21, A34. 
Ch'«-li-ch'ang s. Tschcrtschm. 
Chen-Hsi s. Barqul. 
Cherctien s. TschertictMii. 
Ch'f-T'ai 21, A34. 
Ch'ia-ahlh s- Kaachgar. 
Ch'ien-tun s.Cliotan. 



Chodana a. ChoUn. 
Chokand (Kokand) «9. A HO. 
Chortsan t, 9, A 21- 
Chorsos 2t, A 7, A 31. 
Chorgos-FluB A 31. 
Chotamna t. Chotan. 



Dsungirel (DiunwcD. 

S Irische Mulde A 7 ' 
26. A32. 



Cholan (Kustana, Chotamni, Cho- 
tana,ChodBna,Khotan,Cn'ien- 
lun, Ch' ü-sa-lan-n>, Ch'O-lan, 
Ho-t'ien , Huanna , Huo-Un, 
Yfl-fien, Li-jul. U-thcn) i, 6, 
12, 25. 35, 38, rt. 61. ». 
A 5, A 26, A 27, A »*, A 63, 
A 84, A 85, A 99. 

Chotan-Darja 4. 

Chotscho bBlfq{- QarachodKha ?) 

Ch'ü-M-tan-na s. Chotan. 
Ch'O-tan s. Chotan. 
Cialis a. Tschalls. 

Dehli 67. 

Deutschland 63, CS. 
Dhacca A SS. 
Dolon s. Maralbaschl. 
Dschadv-UHeiM 24. 
Uschari 
~ lunga 

Mrische Mulde \ 7,'A 3, A 7, 

A26. A32. 
Dural (Sin-Ch'Cng) 23, A43, A44. 

Eurasien 2, 36, A 2. 

Faizibid A 10. . 

Firs A 21. 

Fereana 1. 7, 9, 31, 43, 55, «I, 

», A Ift A 101. ' "^ *"* 
Fou-Kang 2t. 
Pulan 5.>1unan. 

GhuMscha s. Kuldscha. 
GitEil «1, 62. 

OroDbrilannien 54, 64 f., 66, 67, 
All. •. ™. . 

Oudichcrat 66- 
Guma 24, 2S, A 57. 
Oulschen(Ku-Ch'en^6,21, A2«, 

Ha-shjh-ha-«rh t. KaKhfar. 
Haidanbid (Dekkan) nTASK 
namadan All. 
HamI (Ha-Ml, Qunnil, Qomul) Z. 

16, 21 Ä. 35,'AirA27; 

A38. A82. 
Han-Hai (Chan-Chal) 2. 
Hang-ChCng s. Jangf-Schahr 
Hazret XpAq 4S, 4&^ 
Hebel aS: 
Herat 13. All, AIB,A91. . 



Huan-na s. Chotan. 
Hunan (Fulan) C " 
Hung-Miao-tEu 
Hunza-Tal 61. 
Huo-Mn s. Chotan. 
Huschjarpur 66. 

Idiquischari s- Qarachodscha. 
«batik (MI) A Ä 

A26,7,„ 
Ill-Fluft A 7. 
Ili-Kreis A 7, A 29. 
Ili-Tal 7. 

ntschl s. Jarkend A 60. 
Indien 5. 54, 61 f., 63, 64, 6S, 66. 

67, A 11, A 12, A 101. 
Irkeschtam 9, 31, 60, A 10, A 11, 

A 101. 
IrliKh (schwarur) 6. 

Jlken s. Jarkend. 
jakka-Kuduk 24. 
Jaiwi-Schahr (Hang-Ch'eng) 24, 

32, 70. A 52. 
JanKihtsür 24, 29, 40f., A S4. 



n 66. 



' », il.Ä il AÜ."" """ " 
Jurungkasch A 60. 

Kairo 13, AIS, ASS. 
Kalgaman (Ha-ie-kfr-a-man) A 34. 
Kandahar s. Qandahir. 
Kandschut 24, 61. 



Indke». 



Kama 20, A II. 
Kaoschant (Kaotfchai« , 

Chans) 10, A 13. 
Karakaich A 60. 
Karakonim s. Qaraqornm. 
Kara-koschun A 43. 



MscMar-Daria 9, 

Kaschgarfen 6, 9, 12. 19, 21, 22, 
23, 30. 31. J6, 37, ». 42, 43, 
44, 45, 49, S2, S3, 94, «k 57. 
58, 59, M, 61, 62, 63, 64, 6^ 
67, 68, 69, 70, 7t, A 3, A T, 
A 18. A26. 

Kaschka-su A 50. 

Kaschkar A 50. 

Kaschmir 24. 61. 62. 

Kaskar A 50. 

Katti-Kurgan A 84. 

K'e-shih-ha-li s. Kaschw. 

K'«-shih-ke-erh s. Kaachfar. 

Kenkol-FluB 24. 

Keria flTQ-t'Jen) 6, 29, 40, A», 

KerVI ia 

Kemianschah A 11. 

Khotan, Khoten s. Chotan. 

Kijak Baschi "" ' "" 

KlIlik-PaB 61. 

Kobdo A 34. 

KOhne (Kone) -Turfan s. Turfan. 

Kontsche-Daifa 23. 

Kosarab (Kuierab) 25, A M. 

Kosch-arab i. Kusherab. 

KBtschi (Kfitschir, Ku-chC, ICu- 

ch'O 6, 23, 34, 3S, 91. A 20, 

A4«. 
Ku-Ch'Cng s. Qutachcn. 
K'u-Crh-lf s.KiirU. 
Ku-me A 42. 



A 7. A 2». 
Kundut 8, A 11. 
Kur-Karauan 21, A26k A». 
Kurean-TObe A 10. 
Kurla^Kuni, K'u-Crb^C) t, n^ 

Kunik-Art-PaK 24. A H. 



Uilyk 24. 

Lan-Chou Fu 20. 

Lancar-Awat 24. A 11. 

Lanaar-Maiak 24. 

Lch 61, A 60. 

Lhaua 17, 43, A 2, A 81 

Li-iul >. Chotan. 

Lobnor, Lopiior 6, 21, 23, A 0w 

Luktschun 34, A 82. 

Manas (Sui-Laf) b, 21, A 34- 
MaralbaKhi (Dolon?) t, M. Sl 

A 91, A 89. 
Manhelan A 98. 
Marfon-FhiB 29. 
Mawara'annahr I, A 21. 
MazBr d« Imam DKdia'llri SUtf 

4a 
MaziriKherIf 8. 
M«rw 1, 10. X II. 
MeKhheil 8, A II. 
MIrwjol 32. 
MIntekc-PaB 61. 
MOMokJ A 69. 
Mongolisun (MogMHalU) 1 < 

Mural' A 27. 



Indices. 



114 



^rdekltk s. Urdaklik. 

Orosowo 67. 

Osch 60, 63, 64, A 10, A II, A 49. 

8 XUS (Amu Darja) A II, A 21. 
zgend 8, 61. 

Pai, Pai-Chdng s. Bai. 

Pamir 62, A 11, A 1 2. 

Pamirskii Post A 10. 

Pattihisär 9, 10, A 10. 

Peking (Bedschin, Badschin) 1, 

34, 56, All. 
Pendsch-ab 9. 
Pentapoiis s. Bischbaliq. 
Peschan 7. 

Piatma 24, 25, A 5, A 86, A 59. 
Pidschan (P i-Ch*an) 21. A 27, 

A 39 A 81. 
Polu (Polur,'Po-to, P'ula) 2S. 

A 60, A 63. 
Posgam A 55. 
Pu-ku-6rh s. Bugur. 
P'u lei A 37. 

^andahür, Kandahar 50, All. 
iara-Tschuqur-Tal 25. 
larachodscha (Ha- La- Ho- Cho, 

Idiqutschari, Chotscho baliq) 

A46, A82. 
Qaraqonim (Qaraqoram, Kara- 

komm) 10, 61, A57. 
Qaraschar (Qaraschahr, Khira* 

shar, Ha-la-sha-6rh) 6, 21, 23, 

30, A 26, A 43, A 69. 
»argalyq 24, 2S. 30, 61, A 17. 
>aschqä s. Kaschgar. 
fomul s. Hami. 
^uetta All. 
lumul s. Hami. 
lyzyl-Daria 23. 
^yzylsu, der (Vstliche 9, 24; der 

westliche 9, A 10. 

Raskem Tal, Raskem Darji 2S^ 

30. 
Regftr A 10. 
RuBiand 53 f., 56, 60, 61, 62 ff.. 

All. 

Sa-Chou s. Tung-Huang. 
Sairam A 10. 
Saissan Nor 6. 
Saireb (Sairem) 5t. 
Samarqand 1, 12, 50, A 10. 
San^ju 8. Sandschu. 



Sandschu (Sang<hu, 

25, 61, A 57. 
Sang-chu s. Sandschu 
Sarykol (Saryqol, Sar 

25, 30, A 53, A 58. 
Sätsche s. So-chu. 
Schahjär (Sha-ya-6rh, 

A 46. 
Schahjfir Darjft (Ukiat 
Sehens! 20. 
Schweden 56 f. 
Schweiz 67. 
Semipalatinsk A 7. 
Semfrietschije 6, 31, 

A3, A7, A101. 
Sha-keu s. Jarkend. 
Sha-ya-6rh s. Schah|& 
Shanghai 64. 
Shi-Ko 21, A 36. 
Shu-16 s. Kaschgar. 
Si-ning fu A 24. 
Sin-Ch £ng s. Dural. 
Sin-Pin-Hsien (Hsln 

A44. 
Singanfu (Hsi-ngan 

A 11, A 14. 
So-chä (Siitsche) s. Ji 
So-ku s. Jarkend. 
S9fi Kurgan A 10. 
Soui-toun A30. 
Stambul 43, 45, 49, 5 
Stuttgart 65. 
Su-chou A 40. 
Su-Fu-Hsien 24. 
Su-16 s. Kaschgar A l 
Sui-Lai s. Manas. 
Sui-ning A 34. 
Sujak A 101. 
Su-16 s. Kaschgar. 
Surat 66. 
Surch-ib A 10. 
Surgak (Sourgak) 2S, 
Syrien 54 f., A. 

Tagarma-Tal 25. 
Taffdvmbasch (Tagdu 

Tagdumbasch Darja 
Takla-Makan 4, 5. 
Taldiq-Pa6 8, 9, A l< 



Tarbaflatat 



Taldiq-Wejg 60. 

" igatar6, 20, II, 

Alz. 

Tarim (Terem) 23, Z 
Tarim-PluB 9. 



ladkes. 



Taschkend I, 19, 42. 43. H «9, 

A 10, A 97. 
Taschmalyq (Taschmalik, Taach- 

balyk) 24, A 53. 
Taschqurgan 25, (fl. 
Taschqurgan-Darja A 25, A dB. 
Taun-Munin-PaB 9. 
Tawakkel s. Thakkaga. 
Tching-ho A 30. 
Teheran A 11. 
Terek A 101. 

Terek-dawan-Paft 7 f., A 10. 
Terek-dawan-Weg 60. 
Terek-Lenger A 51. 
Terem s. tarim. 
Thakkaga (« Tawakkel) A 60. 
Ti-Hoa s. Unimtschi. 
Tibet 24. 

Tienschan 2, 4, 5, 6, 7, 9, 23. 
Tien-Shan-Nan-Lu A 26. 
r ien-Shan-Peh-Lu A 26. 
Tikkenh'k s. Tykkelik. 
Tirmiz 8, 9, A 10. 
riznab Fluß 25. 
Tochsrist&n a 
Toghrak-Oghil A 60. 
Tnpolis (Syrien) 37. 
Tschalis (Cialis) A 43. 
Tschaman All. 
Tschar-Mahale 24, A 82. 
Tschirdschai R, 9, 10, A 11. 
Tscharchlik (Tjarichlik) 6, A 43. 
Tschertschen (Cherchen, Ch'6-Ii- 

ch*ang, Ch€-nio-fo-na, Cal« 

madana) 6, 22, 28, A 8f , 

A 60. 
Tschil-Tag-Qebirge 24. 
Tschimgan A54. 
Tschtmgan-PIttft 24, A 84. 
Tschimgan-Schlucht A 54. 
Tschira 28, A 60. 
Tschirak-tang A 58. 
TKhitral AA. - 
Tschu-FhiB 13. 

Tschugutschaq 6, 2t, A 7, A 32. 
Tschttpa-Ryft 25. 



TOmen-Darja 9. 

Tung-Huang (Sa-Chou) 2t« A 40. 
Turbttlöng Paft 24, A 82. 
Turfan (Köhne (Kone)-Tiirfaii, 

Kuan-Ang-Ch*€ng) 2, 6, 10, 

12, 21, 34, 35, 36, 47. A26. 

A39, A80, A82. 
TQrkei 54, 70. 
Turkestan, Russisch T.. Tnr^ 

kestanskii Krai 1. 65, A 1. 
Turicistan (JasI) A 90. 
Tunik Art A 101. 
Tykkelik (Tikkelik. TikktnKk 2X 

A44. 

U-then s. Chotan. 

Ugen-Darj& 23. 

Uiguristan 11. 

Ukiat s. SchahjAr Darii. 

Ulug-art-PaO A 52, A 53. 

Ulug-RabatjPaB 24, A 82. 

Urdaklik (Ordeklik) 24. A 81. 

Urteng-Tux Plufi 24. 

Urumtschi (Unimtsi. Hung-Miao- 
Tzu, Ti-Hoa) 6, 7. 20. 21. 32, 
A8, A26, A27. A33. 

Ushi s. Utsch-Turfan. 

Utsch-Turfan (Usch-Tarpan. Wo- 
shih, Ushi, Yung-nifii<ii*€ni) 
21, 24, 51, A 26. A 4iL 

Wachin 9, 62. 
Wachdschir-PaA 9, 61 ff. 
Wachsch-ib 9. A 10. A 11. 
Watschi-FluB 25. 
Weng-Su s. Aqsu. 
Wu-sklh s. Utsch-Turfan. 

Yeh-€rh-chMang s. Jarkend. 
Yi-li-ch*i s. Jarkend. 
Yssyk Ktti &. 
YO-MJIn s. jam6n. 
YO-rien s. Keria. 
Yung-nlng-ch'6ng t.Ulsdi*Tiirfin. 
Yfit^n s. Chatan. 




115 




Inhalts - Dbersicht. 



Vorwort I-Vlll 

I. Geschichte: Der Name Turkestan — Erdgeschicht- 
liche Stellung -^ Soziale Verhältnisse der Türkvölker 

— Steppe und Oasen — Die türkischen Nomaden und 
die festen Siedlungen Fremder — StraBenzfige — 
Kultur des Uigurenreiches — Buddhismus, Manichäis- 
mus und Christentum — Islamisierung Kaschgariens 

— Einbruch der Qara Chitai — Mongolensturm — 
Dschaghataiden — Ute geistliche Dynastie der Qhod- 
schas — Chodscha Äpfiq und der Dalai Lama — Die 
Qalmaqenherrschaft — Besetzung Kaschgariens durch 

die Chinesen — Das Reich Ja'qob Beks 1—19 

II. Verwaltung: Der Gouverneur in Urumtschi — Die 
vier Tao-T*ai -Ämter Kuldscha, Urumtschi, Aqsu und 
Kaschgar mit ihren T*ings und Hsiens — Kompetenz 
der Beamten — Die Regierungsmaschine — Steuern 
und Frondienste — Mmbrauch der Amtsgewalt — 
Die Momaden Kaschgariens, Mongolen und Kirgisen 

— Verkehr mit den Beamten in Kaschgar und Jarkend 

— Die Wangs der Türken 20—36 

III. Geistesleben: Die Völker Turkestans und ihre 
Sprachen — Literatur der Türken — Volksdichtung, 
Ghazeltschis — Islam der Türken — Mystik — Unter* 
richtswesen — Medresen und Lehrer in Kaschgar und 
Jarkend — Studiengang — Der Wissenschaftsbetrieb 
in Kaschgar und Jarkend — Hebung des geistigen 
Lebens — Die Mission und ihre Aufgat>en — Die 
Schweden — Programm wirksamer Arbeit unter der 
Bevölkerung . . .« f7--59 

IV. Wirtschaft: Ausfuhr nach Indien und Rußland — . 
Einfuhr aus Indien und Ruftland — Aussichten des 
indisch-kaschganschen Handels — Stellung des deut- 
schen Handels in Indien und Kaschgarien — Markt- 
gängige Waren — Aussichten deutscher Einfuhr — - 
Transitverkehr durch Rußland — Entwickhingsmöglich- 
keiten — Vervollkommnung der Bewisserung — 
Hebung der Kulturen, besonders der Baumwollkultur 

«— Brauchbarkeit der Kirgisen — Verarbeitung von 
Rohmaterialien — Schaffung von Verkehrsmitteln — 
Zukunft des KrafM'agens in TurkesUn — Wirtschaft- 
liehe Befruchtung des Landes durch Arbeit und Kapital 
der Fremden und Eniehung der Bevölkerung . . . 60—71 

Anmerkungen 71—108 

Indkes . : 109-115 



Obersichtskarte des Ruatisch-Chinesischen Grenzlandes. 
Plan von Kaschgar. 



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Tafel H 




^ jv: 






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1. Russisches Konsulat 

2. Zollhaas. 

3. Russischer Friedhof. 

4. Britische Agentur. 

5. Chinesischer Friedhof. 

6. Tor Jangf-Dirwiza. 

7. Schwedische Mission. 

8. Tor Kun-Dim^udL 

9. Tor Teschik-DirwiriL 

10. Tor Jirbigh-Dirwizi. 

11. Chinesischer Haupttempel. 

12. Chinesischer Tempel. 

13. Haitkar-Platz. 

14. Russisch-Chinesische Bank 

15. Halt -Moschee. 

16. Tdegraphen-Station. 

17. Jamen des Tao^TÄ 

18. Jamen des Kreishauptes 

19. Proviant-Magazin. ^ 

20. Tekh. 



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